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Geschichte der Diadochen

Vollständige Ausgabe

AutorJohann Gustav Droysen
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl529 Seiten
ISBN9783849610890
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Im umfangreichen zweiten Band seiner Reihe 'Geschichte des Hellenismus' behandelt der Historiker Droysen die Geschichte Griechenlands von Alexanders des Großen Tod bis ca. 277 vor Christus.

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Leseprobe

 


 

322-321

 

 

Leonnatos und Eumenes – Perdikkas und Eumenes gegen Kappadokien – Perdikkas gegen die Pisider – Neoptolemos und Eumenes – Nikaia – Kleopatra – Kynane und Eurydike – Antigonos' Flucht – Ptolemaios – Perdikkas rüstet – Antipatros' Aufbruch – Der Krieg in Kleinasien – Tod des Neoptolemos und Krateros – Die Aitoler gegen Polyperchon – Ptolemaios' Macht – Kyrene von Ptolemaios gewonnen – Perdikkas' Zug gegen Ägypten – Perdikkas' Tod – Ptolemaios beim Reichsheere – Gericht über die Perdikkaner – Euridikes Intrigen – Rebellion des Heeres – Antipatros Reichsverweser

 

 

Nach dem Charakter der Überlieferungen, die über die Diadochenzeit erhalten sind, tritt uns immer nur die rastlose Bewegung und Zerrüttung, die sie beherrscht, entgegen; von stetigen und retardierenden Elementen, von der Breite und Langsamkeit der Zuständlichkeiten, an denen sich die Bewegung vollzieht, ist nirgends die Rede.

 

Und doch hat es deren gegeben, nicht bloß in der Passivität und Eigenart der orientalischen Völker, von denen wenigstens an einer Stelle, in Dekreten ägyptischer Priester aus der Zeit, da Ptolemaios sich noch Satrap nannte, ein eminentes Beispiel erhalten ist; auch auf der beherrschenden Seite sind Formen und Dispositionen, sind erhaltende Kräfte, über die der Prozeß der Zersetzung nur erst allmählich Herr wird.

 

In dem makedonischen Volk und Heer lebt ein stark ausgeprägter Zug für die Monarchie und mehr noch für dies altangestammte Königshaus, und die glorreichen Zeiten Philipps und Alexanders haben diesem echt nationalen Gefühl einen Typus gegeben, der nicht mehr auszutilgen ist. Vor allem das Heerwesen hat seine großen Erinnerungen, die sichere Gewohnheit des Befehlens und Gehorchens, die trotz gelegentlicher Auflehnung und Meuterei ihres Weges geht. Selbst daß die Truppen, jede Waffe in ihrer Art, ihre besonderen Traditionen, Ehren, Ansprüche, daß die einzelnen Korps ihre geschlossene Organisation und eine Art demokratisches Gemeinwesen in sich haben, macht sie, wenn nicht um so handlicher, doch fester zum Handeln und Widerstehen; die Soldateska ist neben und trotz aller Politik, wie in den Zeiten Wallensteins und Banèrs, eine Macht, mit der die Lenker der Politik rechnen müssen.

 

Daß Alexander dies Machtinstrument zu beherrschen und mit vollkommener Freiheit zu verwenden, daß er wie die Masse des Heeres, so die hohen und höchsten Offiziere vollkommen in seiner Hand zu haben verstanden hatte, zeugt mehr als vieles andere von seiner genialen Überlegenheit, von der fesselnden Gewalt seines Geistes und Willens. Wie mächtige, leidenschaftliche, explosive Elemente er in diesen seinen Hipparchen, Strategen, Leibwächtern, Satrapen zusammen- und niederzuhalten vermocht hatte, wurde in den wüsten Vorgängen offenbar, die gleich nach seinem Tode begannen. Und doch ist auch in diesen noch wohl erkennbar, wie stark gefugt und sicher berechnet das System war, das er gegründet hatte; die Formen seines Reiches hielten noch lange über seinen Tod hinaus, länger, als man bei der verhängnisvollen Schwäche derer, die demnächst den Königsnamen trugen, hätte möglich halten sollen. Nicht ein König folgte dem großen König; "ein Kind und ein Tor", wie es in dem deutschen Verse heißt, sollten ihn ersetzen.

 

Es mag gestattet sein, hier im vorweg ein Moment hervorzuheben, das zum Beweis des Gesagten dienen dürfte. Gewiß strebte jeder der Satrapen, Strategen, sonstigen Großen Alexanders nach unabhängiger Herrschaft und selbständiger Macht; und wenn die einen kluge Berechnung, andere die Besorgnis vor dem stärkeren Nachbarn, andere die Gefahr eines ersten Wagnisses mochte zögern lassen, die gleiche Begier war bei allen und wuchs in dem Maße, als die Aussicht auf Erfolg größer wurde. Und doch wagte keiner, solange noch "das Kind und der Tor" da waren, den Königstitel anzunehmen, ja auch nach dem unglücklichen Ende beider währte es noch sechs volle Jahre (bis 306), bevor einer der "Folger" das Diadem um seine Stirn zu binden wagte. Mehr noch: im letzten Jahrhundert des persischen Reiches war es üblich geworden, daß auch die Satrapen Münzen mit ihren Namen prägten27; daß es in der Zeit Alexanders nicht geschehen ist, wird als Zeugnis einer bedeutsamen Veränderung in der Stellung, die er den Satrapen gab, gelten dürfen; und diese veränderte Stellung der Satrapen erhielt sich nach dem Tode Alexanders, solange der Name seines Königtums blieb; natürlich haben die Satrapen und gewiß auch die Strategen Gold und Silber prägen lassen, aber unter den Typen und Namen der legitimen Könige, kaum, daß man in kleinen Beizeichen, dem Adler des Ptolemaios, dem Anker des Seleukos, dem halben Löwen des Lysimachos erste Anfänge, an die prägenden Satrapen zu erinnern, erkennt, und auch diese dürften schwerlich dem Jahre 311 vorausliegen; von der großen Zahl anderer Satrapen im Osten und Westen sind nicht einmal solche Anläufe nachzuweisen.

 

Mochten die Satrapen, wie sie die erste Teilung bestellt hatte, als Landesobrigkeit in ihren Territorien und für ihre innere Politik so frei, wie das Herkommen und die Zustände in ihrem Lande es ihnen gestatteten, zu einer Art Territorialfürstentum gelangen können, der Reichsverweser hatte die Autorität des Reiches über sie, und ihre Absetzbarkeit gab ihm das Mittel in die Hand, sie in den Schranken ihrer Kompetenz zu halten.

 

Es gab in diesem System einen sehr gefährlichen Punkt. Wir mußten voraussetzen, daß bei den Verhandlungen in Babylon, in denen es begründet worden ist, die Militärmacht in den Satrapien, die Alexander in der Regel von der Zivilverwaltung getrennt und neben den Satrapen gestellt hatte, den Satrapen untergeordnet worden war. Hatten sie somit in ihrem Territorium zugleich die territoriale Militärmacht, so fanden sie leicht Anlaß und Vorwand genug, dieselbe zu mehren und die Truppen an ihre Person zu ketten. Dies war der Punkt, in dem für die Einheit des Reiches eine ernste Gefahr lag, wie denn durch dasselbe Verhältnis die Auflösung des Perserreiches sichtlich beschleunigt worden ist. Das Bestreben des Reichsverwesers mußte dahin gehen, mit dem Reichsheer, das nicht ferner Eroberungen zu machen hatte, gleichsam die allgemeine Strategie des Reiches geltend zu machen und kraft seines Amtes Maßregeln zu treffen, durch welche die Militärgewalt der Satrapen daran erinnert wurde, daß sie unter der Verfügung des Reiches stehe.

 

Bei der Verteilung der Satrapien im Jahre 323 war bestimmt worden, daß Antigonos von Großphrygien und Leonnatos von Phrygien am Hellespont mit ihren Heeren ausrücken sollten, für Eumenes Paphlagonien und Kappadokien zu erkämpfen. Antigonos hielt es für geraten, dem Befehl nicht Folge zu leisten; die Expedition hätte ihm nicht bloß keinen Nutzen gebracht, sondern ihn überdies von den Befehlen des Reichsverwesers, dem er nichts weniger als dienstpflichtig zu sein geneigt war, abhängig gezeigt. Anders Leonnatos; er war mit bedeutenden Streitkräften aus Babylon aufgebrochen, um erst den kappadokischen Feldzug zu beenden und demnächst in seine Satrapie am Hellespont zu gehen. Auf dem Marsch nach Kappadokien war ihm jener Hilferuf des Antipatros durch Hekataios von Kardia überbracht worden, zugleich geheime Briefe von seiten der königlichen Witwe Kleopatra, der Schwester Alexanders, die ihn einluden, nach Pella zu kommen, um sich des makedonischen Landes zu versichern und sich mit ihr zu vermählen. Welche Aussichten für den kühnen und hochstrebenden Sinn des Leonnatos! Ohne Bedenken gab er den Feldzug gegen Kappadokien auf; er versuchte Eumenes zur Teilnahme an der neuen Expedition zu bewegen, die ja das Reich vor dem schwersten Schlage, der es treffen könne, schützen müsse; er konnte es als einen Akt höchster Hingebung an das Reich von ihm fordern, seinen Vorteil jetzt hintanzusetzen; und sei in Hellas der Kampf entschieden, so könne man desto schneller und entscheidender gegen Ariarathes kämpfen. Eumenes trug Bedenken, ihm Folge zu leisten: er habe noch bei Alexanders Lebzeiten mehrfach beantragt, seiner Vaterstadt Kardia die Freiheit zu geben; darum hasse ihn Hekataios, den diese Sendung als den ergebensten Freund des Antipatros bekunde; er müsse befürchten, daß dem Hekataios zuliebe Antipatros alles gegen ihn für erlaubt halten werde, er fürchte, daß selbst sein Leben in Antipatros' Nähe gefährdet sein könne. Darauf eröffnete ihm Leonnatos, daß das Verhältnis zwischen Antipatros und Hekataios nicht von der Art sei, wie er meine, daß der Tyrann von Kardia ihm heimliche Anträge der Kleopatra überbracht habe, die nichts Geringeres als den Sturz des Strategen von Makedonien bezweckten; er legte ihm das Schreiben Kleopatras vor: Antipatros zu retten sei ihm nur der Vorwand, um nach Europa hinüberzugehen, der eigentliche Zweck seines Zuges sei, Makedonien in Besitz zu nehmen. Eumenes hatte nicht mehr den Vorwand seiner Besorgnis vor Antipatros, um sich der Teilnahme zu weigern; aber er war im Besitz eines Geheimnisses, dessen Erfüllung für das Schicksal des Reiches von unberechenbarem Einfluß werden mußte. Was hätte es ihm genützt, wenn er mit Leonnatos nach Europa gezogen wäre? Dagegen konnte er, wenn er dem Reichsverweser die Pläne des Leonnatos mitteilte, seines Dankes gewiß sein; und wenn überall die Satrapen mehr oder minder offenbar bemüht waren, sich der Abhängigkeit von Perdikkas zu entziehen, wenn andererseits derselbe entschlossen war, seine Macht namens des Königtums entschieden geltend zu machen, so mußte es über...

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