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Friede, Freude, Migration? Senegalesische Rücküberweisungen - Länderspezifische Analyse eines transnationalen Phänomens

AutorHülya Dagli
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783863416003
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Fred Sy (fiktiver Name) studierte im Senegal Informatik. Dann kam er nach Deutschland an die Universität Düsseldorf und schrieb sich für Romanistik und Informationswissenschaft ein. Nach dem Studium eröffnete er zahlreiche Internetcafés und Computergeschäfte, heiratete und bekam zwei Kinder. Seit seiner Ankunft in Deutschland hat er nicht aufgehört, regelmäßig nach Senegal zu reisen. Jedes Mal nimmt er Geschenke, Geld, Elektrogeräte und Computer mit. Nach seinem Studium kaufte er Ländereien und Häuser im Senegal, doch denkt er nicht an seine endgültige Rückkehr, da sein Wohlstand in seiner ursprünglichen Heimat von seiner Arbeit in Deutschland abhängt. Er hat mittlerweile auch die deutsche Staatsbürgerschaft und trotzdem kann er kein Land wirklich als sein Zuhause bezeichnen. Dieses Fallbeispiel steht für das Leben von Millionen Menschen. Migranten leben zwischen zwei Welten und pflegen kontinuierlich ihre Kontakte in zwei, meist auch in mehreren Ländern. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Geschenken und monetären Mitteln, die jemand wie Fred Sy regelmäßig in seine Heimat bringt oder schickt. Als Länderbeispiel dient hierfür Senegal, das westafrikanische Land, welches kontinuierlich eine dynamische Migrationsbewegung aufweist.

Hülya Dagli schloss ihr B.A.-Studium der Soziologie und Erziehungswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum ab und absolvierte im Anschluss das Masterprogramm Internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik an der Universität Duisburg-Essen. Sie arbeitete u.a. 2007 als Fremdsprachenassistentin am Deutschen Institut der Makerere University in Uganda und wirkte im internationalen Projektverbund International Civil Society Forum on Conflicts mit, welcher Handlungsempfehlungen für die politische Praxis im Bereich Migration und Konfliktbewältigung entwickelte.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.1, Was motiviert zum Transfer? 'Geld ist ein großer Schatz, der nur wächst, indem man ihn weggibt.' (wird Sir Francis Bacon zugeschrieben, englischer Philosoph und Staatsmann, 1561-1626). So oder so ähnlich könnte ein Großteil der Auswanderer denken, wenn sie bestimmte Teile ihres Einkommens an ihre im Herkunftsland zurückgebliebene Verwandtschaft, Freunde oder Bekannte schicken. Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Migrant Gelder in seine Heimat transferiert und das obige Zitat zählt zu einem von ihnen. Die drei am häufigsten genannten Antriebskräfte sind Altruismus, Eigeninteresse sowie ein impliziertes Abkommen zwischen dem Migranten und den Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten. Bei altruistischen Motivationsgründen steht die Sorge um zurückgebliebene Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte im Vordergrund. Dieser Anreiz spielt vor allem dann eine Rolle, wenn Heimatländer in Naturkatastrophen oder Kriegen verwickelt sind. In Somalia wurden bereits diesbezüglich empirische Studien durchgeführt, die beweisen, dass Rücktransfers einen kontrazyklischen Charakter besitzen und gerade in Krisenzeiten deutlichen Zuwachs verzeichnen. Altruismus ist jedoch keine ausreichende Begründung und wird deswegen durch den Punkt Eigeninteresse ergänzt. In diesem Zusammenhang stehen die eigene Kapitalakkumulation sowie die Beaufsichtigung der heimischen Besitztümer im Vordergrund des Interesses. Die Rücküberweisungen werden mit der Erwartung getätigt, dass Freunde oder Familie als Gegenleistung das zurückgelassene Eigentum bewachen und es pflegen. Dieses Konzept spielt vor allem bei den Migranten eine Rolle, die Rückkehrabsichten hegen. Durch zusätzliche Investitionen in Immobilien oder Land, sichern sie sich zudem nicht nur einen Platz in der Gesellschaft, sondern sichern auch automatisch einen besseren Sozialstatus im Falle einer Rückkehr. Die Migranten der Volksgruppe der Soninké beispielsweise, die in weiten Gebieten Westafrikas (Mauretanien, Elfenbeinküste, Mali, und in Burkina Faso) leben und das Ufer des Senegalflusses im Süden von Mauretanien besetzen, überweisen regelmäßig Gelder an einen Mittelsmann, der für sie anschließend Häuser und Land in großen Gebieten aufkauft. Nouakchott ist einer dieser Orte, in dessen Immobilienmärkte die Soninké-Migranten dermaßen investiert haben, so dass ein Großteil dieser Ortschaft mittlerweile in ihrem Besitz steht. Der dritte Punkt, welcher die implizierten Familienverträge in dem Mittelpunkt stellt, wird in der Forschung als 'co-insurance model' oder als 'loan agreement model' bezeichnet und wechselt je nach eingenommener Perspektive des Migranten und seiner Angehörigen die Bezeichnung. Als Versicherung werden die Rücküberweisungen in diesem Zusammenhang angesehen, da die finanzielle Zuwendung des Migranten nicht nur als Unterstützung wahrgenommen wird, sondern auch als eine Art Risikostreuung des Haushaltseinkommens. Auf der anderen Seite werden die Rücküberweisungen als Kreditrückzahlungen aufgefasst (loan agreement model), da dem Migranten die Verpflichtung obliegt, das von seinem Verwandten geliehene Geld in Raten zurückzuzahlen. Für den Senegal sind zudem die religiös motivierten Überweisungen von herausragender Bedeutung, welche vor allem durch so genannte Mourid-Bruderschaften getätigt werden. Die Überweisungen innerhalb dieser Sufi-Bruderschaften, die als adiya (Geschenke) bezeichnet werden, sind 'Bestandteil des spirituellen Verhältnisses zwischen [den] geistlichen Führern und ihren Anhängern.' Sie dienen der Versorgung des geistlichen Führers (Marabouts genannt), der mit diesen Geldern nicht nur seine Familie, sondern auch die Bruderschaft vor Ort versorgen kann. Derartige Überweisungen an Vereine oder in die Stadt Touba, das Zentrum der Mouriden im Senegal, spielen in unserem Länderbeispiel eine wichtige Rolle, da diese Gruppe eine der sicheren Einkommensquellen für das Land darstellt. Jean-Luc Demonsant führt in seiner Studie über die Volksgruppe der Haalpularen, die am Ufer des Senegalflusses leben, zusätzlich an, dass die Migranten dieser Ethnie die Gelder in der Überzeugung und Hoffnung überweisen, Danksagungen und Gebete von Seiten der Familie zu erhalten. Unter den Muslimen wird diese Art von Danksagung Baraka genannt, was mit Gottes Segen übersetzt werden kann. Das Interesse an dieser Art von Danksagung variiert je nach Religiosität. Da jedoch die Haalpularen zu den Volksgruppen zählen, die für die Verbreitung des Islam in Westafrika verantwortlich sind, spielt dieses so genannte Baraka-Motiv eine sehr wichtige Rolle. Derartige Antriebskräfte werden jedoch der Komplexität im Hinblick auf die Motivlage der Migranten nicht gerecht, da sie in der Realität nicht separat betrachtet werden können. Neben der Überlappung der oben genannten Motive, spielen auch andere Aspekte wie die Aufenthaltsdauer und der Aufenthaltsstatus des Migranten oder aber die Bindungen zur Heimat und Familie wichtige Rollen während der Entscheidungsfindung. Diese Aspekte sind zudem ein sehr wichtiger Bestandteil bezüglich der Höhe der überwiesenen Gelder. Lucas geht davon aus, dass Migranten, die lediglich vorübergehend auswandern, die meisten Gelder transferieren. Die Rücküberweisungen derjenigen, die jedoch dauerhaft emigrieren, nehmen sukzessive ab, da sie meistens ihre Angehörigen mitnehmen oder nachholen und den Kontakt zur Herkunftsregion minimal halten. Dieser Punkt spiegelt auch folgende Annahme wider: Je niedriger die emotionale Verbindung und die Identifikationsmöglichkeit mit dem Heimatland, desto niedriger fallen die Summen der überwiesenen Gelder aus. Ein weiterer Sachverhalt, dem nachzugehen ist, ist die Korrelation zwischen Bildung und Migrantentransfers. Eine These lautet: 'Presumably, skilled migrants earn relatively more and therefore are ceteris paribus, likely to remit more.' Ein klares Rücküberweisungsmuster nach diesem Schema ist allerdings nicht in allen Studien aufzufinden. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass vor allem Hochqualifizierte auf Grund der kostspieligen Ausbildung dazu verpflichtet sind, ihren Verwandten in der Herkunftsregion die hohen Summen ihrer Ausbildungskosten zurückzuzahlen. Auf der anderen Seite jedoch sind es vor allem die besser Qualifizierten, die dauerhaft auswandern und ihre Familienmitglieder mitnehmen. Dies würde wiederum mit dem Aspekt übereinstimmen, dass die dauerhaften Migranten nach einiger Zeit den Bezug zu ihrem Herkunftsland verlieren und somit weniger überweisen. Auf Grund der unterschiedlichen Ergebnisse der vielfältigen Studien kann diesbezüglich keine eindeutige Aussage getroffen werden. Einen Aspekt, den vor allem Lucas deutlich hervorhebt, ist der Unterschied bezüglich der Motivationslage von beispielsweise Kriegsflüchtlingen und der freiwillig migrierende Menschen. Hier betont er, dass bei den Ersteren die Motivation, Rücküberweisungen zu tätigen, am höchsten ist, diese jedoch gezwungenermaßen ohne Mittel und vor allem meist ohne Aufenthaltsstatus davon abgehalten werden, ihrem Wunsch nachzugehen. Migranten werden jedoch nicht nur aus diesem Grund daran gehindert, Gelder in ihre Herkunftsregionen zu schicken, sondern auch durch die hohen Transferkosten, denen sie gegenüberstehen. Auf die Möglichkeiten des Transfers und die Kosten wird der folgende Abschnitt näher eingehen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Friede, Freude, Migration? Senegalesische Rücküberweisungen -
1
INHALTSVERZEICHNIS
3
1. EINLEITUNG - DIE WELT IN BEWEGUNG
5
2. RÜCKÜBERWEISUNGSFLÜSSE: DAS SOZIALE GESICHT DER MIGRATION
10
2.1 Rücküberweisungen
10
2.2 Globale Daten und Trends - Fokus Afrika südlich der Sahara
13
2.3 Rücküberweisungstendenzen in den Senegal
16
3. MIGRANTENTRANSFERS IN DEN SENEGAL: WIESO, WIE UND FÜR WAS?
19
3.1 Was motiviert zum Transfer?
19
3.2 Rücküberweisungen sind…
22
3.3 Das Geld ist im Senegal - Wie geht es weiter?
27
4. ÜBERHAUPT ERGEHT ES UNS IM LEBEN WIE DEM WANDERER…
31
4.1 Exkurs Historie: Migrationsdynamiken des Senegal
31
4.2 Die Gesichter hinter den Prozessen
34
5. FAZIT UND EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT
40
6. LITERATURVERZEICHNIS
45
7. ANHANG
52
7.1 Tabellen und Abbildungen
52

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