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Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen.

Eine Untersuchung am Beispiel der Kurmark unter Friedrich Wilhelm II. (1786-1797).

AutorBirgit Rehse
VerlagDuncker & Humblot GmbH
Erscheinungsjahr2010
ReiheQuellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 35
Seitenanzahl676 Seiten
ISBN9783428525911
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis99,90 EUR
Wie funktioniert Herrschaft in der Frühen Neuzeit? Diese Frage steht im Mittelpunkt dieser Studie. Birgit Rehse untersucht hierzu rund 1.000 Gnadenverfahren strafrechtlich Verurteilter in der Kurmark unter Friedrich Wilhelm II. Im Gnadenbitten und Gnadegewähren sieht sie eine Form direkter Kommunikation zwischen Untertanen und Obrigkeit sowie zwischen Angeklagten bzw. Verurteilten und Supplikanten. Die Autorin fragt nach den Akteuren und ihren Interessen, Handlungsspielräumen, Strategien und dem jeweils zugrunde liegenden Gnadenverständnis. Untertanen wie Obrigkeit werden dabei gleichermaßen in den Blick genommen. Im Ergebnis legt die Autorin ein komplexes Geflecht von Machtverhältnissen frei, welches Rückschlüsse auf die Funktionsweise und Legitimation von Herrschaft Ende des 18. Jahrhunderts zulässt. Das Gnadenbitten entpuppt sich als eine Machttechnik, die zur Vergrößerung des Handlungsspielraums der Supplikanten beitrug, unabhängig davon, ob die erbetene Gnade gewährt wurde oder nicht. Auf obrigkeitlicher Seite bestand eine Diskrepanz zwischen Herrschaftsanspruch und -wirklichkeit, bedingt durch Bürokratisierung und Rationalisierung des Gnadenwesens sowie durch die Selbstbindung an die Idee einer gerechten Justiz. Damit verlor die Gnade den Charakter einer persönlichen und keinem Begründungszwang unterliegenden Entscheidung des Monarchen.

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Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Danksagung6
Inhaltsverzeichnis8
Abkürzungsverzeichnis15
Einleitung18
I. Fragestellung, Grundannahmen, methodischer Zugang und Aufbau der Arbeit18
Fragestellung18
Grundannahmen21
Methodischer Zugang25
Aufbau der Arbeit33
II. Die Forschung zur Geschichte der Gnade und des Supplizierens36
III. Quellengrundlage: Autopsie der Akten, Bestandsgeschichte und Quellenauswahl53
Autopsie der Akten53
Bestandsgeschichte58
Quellenauswahl59
IV. Quellenkritische Überlegungen65
A. „Der Krone ihr schönstes Vorrecht“ – Gnade und Supplizieren in Brandenburg-Preußen73
I. Die kulturgeschichtliche Dimension: Begriffsklärung und ideengeschichtliche Kontexte73
1. „Gnade vor Recht“ – Gnadenverständnisse in theologischen und philosophischen Diskursen73
a) Zum Begriff Gnade73
b) Gnadenverständnis(se) in theologischen Diskursen75
c) Gnade als Machtinstrument77
d) Gnadenverständnis(se) im 18. Jahrhundert80
2. Supplizieren – Begrifflichkeit und Praktiken im Wandel der Zeit85
a) Klärung des Begriffsfeldes85
b) Zur Geschichte des Supplizierens89
II. Die rechts- und verwaltungsgeschichtliche Dimension: Das Gnaden- und Supplikationswesen in Brandenburg-Preußen im Spiegel der Edikte und Verordnungen im Kontext des Normativitätsdiskurses95
1. Das Supplizieren und Begnadigen im Spannungsfeld von Herrschaftsinstrument und Missbrauch (15.– 17./18. Jahrhundert)95
2. Supplikation und Gnade im Rahmen der Verwaltungsreformen unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. im Kontext des Bestätigungsrechts und des Machtspruchs101
3. Das Supplikations- und Gnadenwesen unter Friedrich Wilhelm II.110
4. Supplizieren, Gnade und Machtspruch an der Wende zum 19. Jahrhundert122
III. Die Dimension der Praxis: Das Gnadenbitten unter Friedrich Wilhelm II.130
1. Die Entstehung von Suppliken: Ratgeben, Konzipieren und Ausfertigen130
a) Fachkundige Schreiber130
b) Eine Frage der Perspektive: Hilfe aus dem sozialen Umfeld oder Winkelschriftstellerei136
c) Suppliken von eigener Hand140
d) Amtlich protokollierte Gnadenbitten142
e) Motivation und Einflussnahme der Schreiber145
f) Die Bedeutung der Supplikation150
2. Die Physis der Suppliken: Form, Stil, Aufbau und narrative Muster151
a) Stempelpapier152
b) Formaler Aufbau der Suppliken und narrative Muster158
c) Resümee174
3. Die inhaltliche Zielsetzung von Gnadenbitten: Von der Abolition bis zur Hafterleichterung175
a) Nicht näher spezifizierte Bitten um Gnade176
b) Bitte um Beschleunigung des Prozesses177
c) Bitte um Freilassung während des Untersuchungsarrestes178
d) Bitte um Revision bzw. um Zulassung zur Appellation178
e) Bitte um Niederschlagung des Prozesses179
f) Bitte um Freispruch180
g) Bitte um gänzlichen Straferlass181
h) Bitte um Strafverkürzung bzw. Freilassung von zu lebenslanger Haft Verurteilten182
i) Bitte um Umwandlung einer Festungs- bzw. Zuchthausstrafe in eine Gefängnisstrafe185
j) Bitte um Umwandlung einer Festungsstrafe in eine Zuchthausstrafe186
k) Bitte um Umwandlung einer Gefängnisstrafe in eine Geldbuße186
l) Bitte um Strafaufschub bzw. Aussetzung der Strafe187
m) Deliktspezifische Bitte: Heiratserlaubnis189
n) Deliktspezifische Bitte: Wiederherstellung der Ehre190
o) Deliktspezifische Bitte: Strafverschärfung190
p) Bitte um Stundung oder um Niederschlagung der Kosten190
q) Bitte um Aufhebung der Landesverweisung192
r) Resümee192
4. Die Zeitläufe des Supplizierens: Zeitpunkte und Häufungen194
a) Zeitpunkte194
aa) Krönung194
bb) Jahrestag der Krönung198
cc) Huldigungstag198
dd) Geburtstag des Herrschers198
ee) Geburt eines Thronerben200
ff) Rückkehr aus dem Krieg200
gg) Religiöse Feste201
hh) Resümee202
b) Häufungen202
aa) Die Quote des Gnadenbittens202
bb) Strategien bei häufigem Supplizieren206
cc) Hartnäckiges Supplizieren und der Umgang der Obrigkeit damit209
dd) Resümee214
B. „Allerunterthänigster Knecht“ und „gehorsamste Magd“ – Supplikanten und Supplikantinnen im sozialen Kräftefeld216
I. Versuch einer Typologisierung der Supplikantengruppen sowie ihrer Argumente und Motive216
1. Gnadenbitten in eigener Sache218
Resümee230
2. Gnadenbitten von Eheleuten232
Resümee251
3. Gnadenbitten von Eltern253
Resümee262
4. Gnadenbitten von Kindern263
Resümee273
5. Gnadenbitten von Geschwistern274
Resümee288
6. Gnadenbitten von Anverwandten289
Resümee295
7. Gnadenbitten der Brotherrschaft296
Resümee307
8. Gnadenbitten aus der Nachbarschaft und dem Arbeitsumfeld309
Resümee317
9. „Ich als Obrigkeit“ – Gnadenbitten der lokalen Obrigkeit und des Militärs318
a) Lokale Obrigkeit319
b) Militär332
Resümee336
10. Fürbitten aus dem Haus der Hohenzollern337
Resümee343
II. Zwischenbilanz344
1. Zwischenbilanz zu Supplikationsmustern344
a) Supplikationsmuster im Hinblick auf die Beziehungsstruktur zwischen Supplizierenden und Nutznießern344
b) Supplikationsmuster im Hinblick auf soziale Herkunft347
c) Supplikationsmuster in generativer Hinsicht350
d) Supplikationsmuster in geschlechterspezifischer Hinsicht352
2. Zwischenbilanz zu Motiven und Interessenlagen des Supplizierens358
a) Supplizieren in der Funktion als außer- bzw. nachgerichtliche Verteidigung358
b) Faktor Interesse: Supplizieren mit dem Wirtschaftsargument als Mittel zur Verhinderung des wirtschaftlichen Ruins360
c) Faktor Interesse: Supplizieren als Mittel zur Sicherung von Entscheidungskompetenz und Mitsprachemöglichkeiten363
d) Faktor Interesse: Supplizieren als Mittel zur Klärung von Erbfragen365
e) Faktor Interesse: Supplizieren als Mittel zur Ehrenrettung367
f) Faktor Emotion: Supplizieren mit dem Topos Mitleid als Mittel zur Authentifizierung369
g) Faktor Pflicht: Supplizieren als Mittel zur Pflichterfüllung371
h) Explizite und implizite Motive und die gesellschaftliche Funktion des Supplizierens374
C. „Will Ich die gebetene Gnade angedeihen laßen“ – Obrigkeitliche Handlungsmuster377
I. Supplikationen und Fürsprachen – Der Weg durch die Behörden377
1. Das Prüfen von Supplikationen377
a) Das Verhältnis zwischen dem Geheimen Rat und dem Justizdepartement377
b) Eingangsbearbeitung der Suppliken in der Kanzlei379
c) Die Justizminister380
d) Bearbeitung von Mediatsupplikationen381
e) Bearbeitung von Immediatsupplikationen387
f) Der Kontext: Die Bestätigung des Urteils391
g) Resümee395
2. „Zu dieser Gnade wird empfohlen“ – Fürsprachen aus dem Justizapparat396
a) Fürsprachen der Justizminister398
b) Fürsprachen des Ober-Appellationssenats404
c) Fürsprachen der Kriminaldeputation des Instruktionssenats407
d) Fürsprachen der Stadtgerichte414
e) Fürsprachen der Justizämter417
f) Fürsprache einer Strafvollzugsanstalt419
g) Resümee422
II. Der Erfolg des Gnadenbittens – Begnadigungsformen und Gnadenbegründungen425
1. „Gäntzliche Begnadigung verdient“ – Verzicht auf Bestrafung429
a) General-Pardon430
b) Vergebung der Geschädigten432
c) Mangel an Beweisen435
d) Fehlender Vorsatz und Fahrlässigkeit436
e) Kritischer Gesundheitszustand439
f) Resümee440
2. „Gnade für Recht“ – Begnadigung von zum Tode Verurteilten441
a) Verzicht auf Waffengebrauch442
b) Fehlender Vorsatz, Motivlosigkeit und Unzurechnungsfähigkeit443
c) Indizien für moralische Besserung447
d) Resümee449
3. „Loßlassung“ von zu lebenslanger Haft Verurteilten451
a) Geänderte Gesetzesgrundlage zum Kindsmord451
b) Indizien für moralische Besserung454
c) Allerhöchste Vergebung im Fall von Majestätsbeleidigung und Herrschaftskritik457
d) Resümee461
4. „Die noch übrige Straf-Zeit erlassen“ – Strafverkürzung462
a) General-Pardon463
b) Mangel an Beweisen464
c) Fehlender Vorsatz und Fahrlässigkeit466
d) Verzicht auf Waffengebrauch467
e) Jugendlichkeit468
f) Ermittlungsdauer470
g) Geänderte Gesetzesgrundlage zum Kindsmord471
h) „Conservation“ der Wirtschaft472
i) Resümee476
5. „In via gratia“ – Umwandlung in eine mildere Strafform477
a) Gefängnis anstelle Festung bzw. Zuchthaus478
aa) Umgang mit „boshaften verderbten Mißethätern“479
bb) Kritischer Gesundheitszustand483
cc) Schutz des neugeborenen Lebens483
dd) Schutz der Familienehre485
ee) Erhalt der Wirtschaft486
ff) Resümee492
b) Geldbuße anstelle Gefängnis493
aa) Unverhältnismäßigkeit zwischen persönlicher Schuld und Strafmaß494
bb) Unschuld und Unwissenheit494
cc) Erhalt der Wirtschaft496
dd) Resümee500
c) Sonstige Strafumwandlungen501
d) Resümee504
6. Aufschub des Strafantritts und vorübergehende Aussetzung der Strafe504
a) Erhalt der Wirtschaft505
b) Schutz des neugeborenen Lebens und Versorgung der Kinder514
c) Kritischer Gesundheitszustand519
d) Resümee524
7. Sonstige Strafmilderungen und Verfahrenserleichterungen525
a) Aufhebung der Landesverweisung525
Resümee530
b) Entlassung aus dem Arbeitshaus530
Resümee534
c) Niederschlagung der Kosten534
Resümee538
d) Beschleunigung des Prozesses539
Resümee541
III. Zwischenbilanz543
1. Zwischenbilanz zur Gnadenquote und zur Typologie der Begnadigungsformen543
a) Gnadenquote543
b) Typologie der Begnadigungsformen545
2. Zwischenbilanz zu den Gründen für eine Begnadigung und den damit verbundenen Motiven der Obrigkeit553
a) Neubewertung der im Verfahren angewandten Rechtsnormen im Sinne einer Selbstkorrektur der Rechtsanwendung554
b) Neubewertung des Verhältnisses zwischen Tat und Schuld556
c) Folgen und Wirkungen des Strafvollzugs560
d) Bewertung der moralischen Gnadenwürdigkeit der verurteilten Person563
e) General-Pardon566
f) Begründungszwang570
3. Zwischenbilanz zu den Akteuren: Die obrigkeitlichen Entscheidungsträger, die Begnadigten und ihre Supplikanten572
a) Die obrigkeitlichen Entscheidungsträger und ihre Zuständigkeit572
b) Die begnadigten Männer und Frauen576
c) Die Supplikanten und Supplikantinnen der Begnadigten583
Ergebnisse und Schlussfolgerungen588
I. Zur Supplikationspraxis589
II. Zur Gnadenpraxis602
Ausblick613
Quellen- und Literaturverzeichnis616
Quellenverzeichnis616
Ungedruckte Quellen616
Gedruckte Quellen616
Literaturverzeichnis619
Anhang651
Register662

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