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Vom Umgang mit sturen Eseln und beleidigten Leberwürsten (Fachratgeber Klett-Cotta)

Wie Sie Konflikte kreativ lösen

AutorUrsula Wawrzinek
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl188 Seiten
ISBN9783608103700
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Gleich ob im Beruf oder im Privatleben - ganz ohne Konflikte kommen wir nicht durchs Leben. Eine rasche und allseits befriedigende Konfliktlösung wird - so die erfolgreiche Beraterin Ursula Wawrzinek - immer durch die gleichen Muster blockiert. Hier erfahren Sie alles über die typischen Streitfallen und Abwärtsspiralen und wie Sie diese auflösen. - Anders erkennen: das eigene Verhalten und das des Streitpartners besser einschätzen - Anders denken: Grundhaltungen überdenken, den Konflikt steuern - Anders handeln: das Trainingsprogramm zur kräfteschonenden und kultivierten Konfliktlösung nutzen - Anders lösen: Hilfreiches Hintergrundwissen und Lösungsideen. Das Buch wendet sich an: - Alle, die mit Konflikten konstruktiver umgehen möchten - KonfliktberaterInnen - Mediatoren - Coaches

Ursula Wawrzinek studierte Betriebswirtschaft und Sozialpädagogik; sie lebt in München und ist seit beinahe 20 Jahren als Beraterin, Trainerin und Coach für international aufgestellte Unternehmen tätig; im Auftrag von Firmen bildet sie ­Führungskräfte in allen kommunikativen Belangen aus; ihre Schwerpunkte: Konfliktmanagement und Burnout-Prophylaxe.Sie erfahren mehr unter www.konfliktberaterin.de

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Leseprobe

Was ist ein Konflikt überhaupt?


Ist ein Problem dasselbe wie ein Konflikt? Wo würden Sie die Grenze ziehen und was belastet oder beschäftigt Sie mehr? Lassen sich Konflikte in gleicher Weise lösen wie Probleme? Was genau ist dann ein Konflikt?

 

Konflikte können schleichend entstehen und entwickeln sich oft ohne Absicht aus einer eigentlich recht belanglosen Situation, wie folgendes Beispiel zeigt:

 

Klaus, Sabine und Alex sind Kollegen. Alex lädt Sabine und Klaus zu einem gemeinsamen Abendessen zu sich nach Hause ein. Aus einer spontanen Laune heraus bekundet er: »Und ihr beiden dürft entscheiden, was ich kochen soll.« Klaus und Sabine wollen noch am gleichen Tag ihr Wunschgericht abstimmen. Klaus schlägt sein Lieblingsgericht vor: Hasenbraten. Sabine erzählt, dass sie Vegetarierin ist. »Ups, das kann ja schwierig werden«, bemerkt Klaus.

 

Klaus und Sabine sind unterschiedlicher Meinung – das ist bei einem Konflikt immer der Fall. Damit haben die beiden eine erste Zutat für einen Konflikt:

1. Unterschiedliche Meinungen, Interessen, Werte, Ziele oder Bewertungen treffen aufeinander 

Etwas Unterschiedliches trifft also aufeinander. Aber haben Klaus und Sabine damit tatsächlich bereits einen Konflikt?

Nein. Nicht, solange jeder seine Unterschiedlichkeit ausleben kann, wenn also Klaus eine Fleischspeise und Sabine ein vegetarisches Gericht bekommen kann.

 

Klaus schlägt vor: »Lass uns Alex fragen, ob er auch zwei Gerichte anbietet.« Darauf angesprochen, meint Alex: »Nein, zwei Gerichte sind mir zu stressig.« Um das Problem zu lösen, schlägt Klaus vor, dass Sabine dann eben nur die Beilagen essen könnte. Aber Sabine findet das langweilig und schlägt ein paar richtig feine vegetarische Gerichte vor. Doch Klaus lehnt immer wieder ab.

 

Nun haben wir eine zweite Zutat:

2. … und sind nicht gleichzeitig miteinander vereinbar.

Jetzt kann nicht mehr jeder seine Unterschiedlichkeit ausleben. Erste Grundvoraussetzungen für einen Konflikt sind geschaffen, doch wir brauchen noch ein paar weitere Zutaten.

 

Bei der weiteren Diskussion erzählt Sabine, warum sie Vegetarierin geworden ist, und Klaus erzählt, dass er am liebsten Fleisch isst und dass er mit dem ganzen Grünzeug nichts anfangen kann.

 

Hier zeigt sich die nächste Zutat:

3. Beide fühlen sich im Recht.

Klaus meint, Sabine solle sich doch nicht so querlegen und einfach mal eine Ausnahme machen. Schließlich sei Fleisch ja nicht giftig. Das kommt für Sabine überhaupt nicht infrage. Sie isst seit 15 Jahren ausnahmslos vegetarisch und wird ganz sicher kein Fleisch essen. Sie argumentiert, dass Klaus doch gut eine Ausnahme machen könnte und auch mal offen für etwas Neues sein sollte. Aber Klaus sieht nicht ein, warum Vegetarier so viel Macht haben sollten, dass wegen ihrer persönlichen Vorlieben stets andere darauf Rücksicht nehmen müssen.

 

Eine nächste Zutat ist erkennbar:

4. Das Thema hat für beide eine hohe persönliche Bedeutung.

Man merkt, dass die beiden nun auf ihren Standpunkten beharren. Scheinbar ist beiden das Thema wichtig. Wäre es nicht so, würde einer nachgeben und sich mit dem Vorschlag des anderen einverstanden erklären.

 

Langsam bemerken die beiden, dass sie nicht vorankommen und die Gefahr besteht, dass sie sich deswegen in die Haare kriegen. Sie wenden sich deshalb erneut an Alex und bitten ihn zu entscheiden. Aber Alex möchte nicht den Schiedsrichter spielen und bittet die beiden, selbst eine Lösung zu finden. Ansonsten schlägt er vor, das Essen dann lieber ausfallen zu lassen, bevor es zum Streit führt. Den gemeinsamen Abend wollen die beiden jedoch auf keinen Fall ausfallen lassen. Darin sind sie sich einig.

 

Eine weitere wichtige Zutat zeigt sich:

5. Es bestehen eine gegenseitige Abhängigkeit und ein Handlungsdruck.

Weil beiden der gemeinsame Abend wichtig ist, haben sie einen Handlungsdruck und müssen sich entscheiden. Sie sind dabei voneinander abhängig.

Ohne gemeinsame Zugehörigkeit kein Konflikt

Eine gegenseitige Abhängigkeit besteht immer dann, wenn zwei oder mehr Menschen zu einer Gruppe gehören. Und wenn diese Gruppe eine Zukunft hat. Nur dann wirkt sich ein eventuell entstandener Ärger auch in der Zukunft negativ aus. So teilen wir mit dem Nachbarn die Zugehörigkeit zu einer Hausgemeinschaft, mit dem Kollegen arbeiten wir zusammen in einer Firma, mit allen Verwandten bilden wir eine Familie, unsere Freunde gehören zu unserem Freundeskreis.

Beim Abendessen erzählt Sabine ihrem Freund die Geschichte: »Alex hat Klaus und mich zum Abendessen eingeladen. Er will für uns kochen und wir sollen sagen, was wir essen möchten. Klaus und ich können uns auf kein Gericht einigen, denn Alex will unbedingt ein Fleischgericht und ich esse ja kein Fleisch. Wir haben heute bestimmt eine Stunde nur darüber diskutiert, aber eine Lösung ist nicht in Sicht. Das ist echt schwer. Ich weiß nicht, wie wir da eine gute Lösung finden sollen.«

 

Hat Sabine nun einen Konflikt mit Klaus? Was meinen Sie?

Nein, immer noch nicht. Sie hat bislang lediglich ein Problem. Hören Sie im Vergleich, wie es klingen würde, wenn Sabine einen Konflikt mit Klaus hätte:

 

»Meine Güte, hat mich der Klaus heute genervt. Alex hat Klaus und mich zum Abendessen eingeladen. Er will für uns kochen und wir sollen sagen, was wir essen möchten. Jetzt will Klaus unbedingt Fleisch essen, obwohl er weiß, dass ich Vegetarierin bin. Das ist dem total egal – er meint, ich solle einfach die Beilagen essen. Das finde ich echt eine Unverschämtheit. Was denkt der denn, wie doof ich bin! So ein sturer, egoistischer Esel. Es ist doch selbstverständlich: Wenn einer Vegetarier ist, muss es eben etwas Vegetarisches geben.«

 

Der Unterschied ist eindeutig – bei einem Konflikt wird die Sache emotional.

Damit haben wir eine wesentliche letzte Zutat für einen Konflikt:

6. Negative Gefühle gegenüber dem Konfliktpartner sind entstanden.

Wenn für Klaus und Sabine aus dem Problem ein Konflikt geworden ist, dann hat mindestens einer während der Auseinandersetzung negative Gefühle entwickelt. Im Beispiel oben reagiert Sabine verletzt, trotzig und wütend.

 

Probleme sind sachlich lösbar, Konflikte nicht

Solange keine negativen Emotionen im Spiel sind, sprechen wir »nur« von einem Problem. Entscheidend für die Folgen: Probleme lassen sich sachlich lösen! Sie sind möglicherweise schwer zu lösen, aber solange keiner der Beteiligten während der Auseinandersetzung negative Emotionen dem anderen gegenüber aufbaut, werden sie auf alle Fälle in der Lage sein, trotzdem irgendeine Lösung zu finden. Das Wertvolle daran ist, dass beide die Lösung – egal wie sie ausfällt – anschließend akzeptieren werden.

Kommen negative Emotionen ins Spiel, stehen diese einer sachlichen Lösung im Weg. Gegenseitige Verletzung, Schuldzuweisung und Abwertung sind die Folge. Dieses Prinzip gilt sowohl für den Beruf wie für das Privatleben. Daher wird im Folgenden nicht ständig zwischen diesen beiden Bereichen unterschieden.

 

Und wie kommen Klaus und Sabine weiter?

Variante Problem: Beide verfügen über einen gesunden Menschenverstand und werden irgendwann bemerken, dass sie sich im Kreis drehen. Vielleicht finden sie kreative Lösungswege wie z. B. ausknobeln, losen, jemanden auf der Straße fragen … Möglicherweise tut sich eine völlig neue Lösung auf, an die vorher keiner gedacht hat, z. B. wählen sie ein Gericht, das man problemlos in zwei Hälften zubereiten kann, eine mit und eine ohne Fleisch … Die beiden werden sich auf alle Fälle etwas überlegen, um die Situation aufzulösen.

Variante Konflikt: Beide werden zunehmend von der Uneinsichtigkeit des anderen genervt sein. Sie werden darüber in Streit geraten, sich dabei gegenseitig verletzen und abwerten. Jeder wird sich im Recht fühlen und den Fehler im Verhalten des anderen sehen. Selbst wenn sie sich am Ende auf einen Kompromiss einigen, werden ungute Gefühle bleiben.

Kurz gefasst: Konfliktdefinition

  1. Unterschiedliche Meinungen, Interessen, Werte, Ziele oder Bewertungen treffen aufeinander 
  2. … und sind nicht gleichzeitig miteinander vereinbar.
  3. Beide Konfliktpartner fühlen sich im Recht.
  4. Das Thema hat für beide eine hohe persönliche Bedeutung.
  5. Es bestehen eine gegenseitige Abhängigkeit und ein Handlungsdruck.
  6. Negative Gefühle gegenüber dem Konfliktpartner sind entstanden.

Das Ende einer guten nachbarschaftlichen Beziehung

Lässt sich diese Konfliktdefinition auf das einleitende Beispiel »Müll« anwenden – haben Claudia Kopp und Michael Holzer einen Konflikt?

1. Unterschiedliche Vorstellungen treffen aufeinander. (Darf man Müll kurzfristig vor die Haustür stellen?)

2. Die Vorstellungen lassen sich nicht gleichzeitig miteinander vereinbaren.

3. Beide fühlen sich im Recht.

4. Offensichtlich hat das Thema für beide...

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