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Zwischen Licht und Dunkel - Abenteuer Alltag in Island

Reiseberichte von einer Insel knapp südlich des Polarkreises

AutorUrsula Spitzbart
VerlagDryas Verlag
Erscheinungsjahr2010
ReiheAbenteuer Alltag - Reisebericht 
Seitenanzahl277 Seiten
ISBN9783941408050
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Hoch oben im Norden, wo es zwei Monate im Jahr mehr Nacht als Tag und zwei Monate mehr Tag als Nacht ist, liegt eine besondere Insel, die sich rühmen kann, drei Miss World, zwei der stärksten Männer der Welt und die nördlichste Bananenplantage der Welt zu beherbergen. Kein Wunder, dass die Isländer Statistiken sehr schätzen, denn in der Regel kommen sie darin äußerst gut weg. Aber die Insulaner sind nicht nur statistisch betrachtet, sondern auch im realen Leben etwas Besonderes - selbst wenn sie nicht, so der oft zitierte Mythos, alle an Elfen glauben. 'Das lässt sich retten', lautet das Lebensmotto auf der Insel - offensichtlich auch noch in Zeiten der Wirtschaftskrise. Wenigstens die gängigen Tücken des isländischen Alltags meistern die Isländer noch mit der üblichen Gelassenheit. Wie, das beschreibt die Autorin mit augenzwinkerndem, selbstironischem Blick auf den eigensinnigen, wenn auch sehr liebenswerten Habitus ihrer neuen Heimat. Mit dem Kauf dieses eBooks unterstützen Sie den 'Special Children Travel Fund' von Icelandair, der schwer kranken Kindern und ihren Familien Reisen ermöglicht. Für jedes verkaufte eBook fließt ein Spendenbeitrag von 25 Cent an den Verein.

Ursula Spitzbart wurde 1968 in Nürnberg geboren. 1988 zog sie nach Freising in Oberbayern, wo sie 1994 die Ausbildung zur Ökotrophologin abschloss. Ihre Leidenschaft für Reisen und Outdoorleben führte sie seitdem unter anderem nach Ost- und Westkanada, Alaska, Neuengland, Schottland, Irland und Island. Seit 2003 lebt Frau Spitzbart in Reykjavík.

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Leseprobe

Warum man besser gleich fünf Brötchen kauft


Der Isländer ist stolz auf seine Muttersprache. Und felsenfest davon überzeugt, mit der vielleicht schwierigsten Sprache der ganzen Welt geschlagen zu sein. Wenn ich an meine eigenen Mühen denke, die ich mit Isländisch hatte, habe und noch haben werde, könnte ich dieser Ansicht glatt zustimmen. Doch trotz der ewigen Plage gibt mir meine neue Sprache immer wieder Anlass zur Erheiterung.

Ausgerechnet Island! Hätte es mich nicht in ein sprachtechnisch weniger kompliziertes Land verschlagen können? Nach meiner Erfahrung sind erstaunlich viele Leute der Meinung, hier würde dänisch gesprochen. Aber unabhängig wie meine Insulaner nun einmal sind, haben sie mit Isländisch auch ihre eigenständige Sprache. Altisländisch entwickelte sich aus dem Altnordischen, so wie auch Altnorwegisch. Deshalb vergleiche ich den Klang von gesprochenem Isländisch gerne mit dem von Norwegisch. Und aussehen kann Isländisch so: „Þrír slösuðust þegar jeppi og fólksbíll lentu í árekstri … Að sögn lögreglunnar … er vegurinn lokaður … Þyrla Landhelgisgæslunnar er á leið á staðinn.“ Eine Nachrichtenmeldung, die über einen Verkehrsunfall berichtet: „Drei Personen wurden verletzt, als ein Jeep und ein PKW zusammenstießen … Nach Aussage der Polizei … ist die Straße gesperrt … Ein Hubschrauber der Küstenwache ist auf dem Weg zum Unglücksort.“

Sobald ein Isländer herausfindet, dass ich Ausländer bin, läuft ein standardisiertes Frage- und Antwortspiel ab: „Woher kommst du?“ „Aus Deutschland.“ „Und wo aus Deutschland?“ „Aus Nürnberg in Bayern.“ „Wie lange bist du schon hier?“ „Fünf Jahre.“ Und ich weiß haargenau, was dann kommt: „Du sprichst aber gut Isländisch!“ „Takk fyrir – danke!“ Welch Balsam auf meiner geplagten Seele! Da beißt die Maus keinen Faden ab: So gerne wie meine Insulaner die Kompliziertheit ihrer eigenen Sprache hervorheben – und das nicht ohne gewisse Genugtuung – so großzügig sind sie auch mit Komplimenten, wenn es um die Isländisch-Kenntnisse eines Nicht- Isländers geht. Selbst die geringsten Bemühungen werden hoch anerkannt. Dabei spielt es gar keine Rolle, wie fortgeschritten man letztendlich ist. Ein paar Worte reichen völlig aus, um Lobeshymnen auszulösen. Besonders ermutigend ist die Bestätigung, dass „die Deutschen zu denen gehören, die dabei mit den geringsten Problemen kämpfen“. Tatsächlich beherrschen die allermeisten deutschen Muttersprachler, die ich hier kenne, Isländisch recht passabel. Eine gute Portion an Zielstrebigkeit und Entschlossenheit, die dem Deutschen im allgemeinen zugesagt wird, zahlt sich eben auch bei der Herausforderung Isländisch aus.

Isländisch ist eine nordgermanische Sprache, Deutsch eine westgermanische. Damit sind die beiden sogar miteinander verwandt. Tatsächlich haben sie eine sehr ähnliche Struktur. So gibt es jeweils die drei Geschlechter Maskulin, Feminin und Neutrum; die vier Fälle Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ; die drei bestimmten Artikel der, die und das. In beiden Sprachen hängen sämtliche Wortendungen voneinander ab. Wie glücklich kann ich mich schätzen, dass mir dieses Konzept in die Wiege gelegt wurde! Wir Deutschsprachigen verstehen zumindest, wie die isländische Grammatik „gedacht“ ist. Auch der Isländer geht nämlich in das Haus, befindet sich aber in dem Haus. Ein gewaltiger Vorteil, auf den zum Beispiel ein englischer Muttersprachler nicht zurückgreifen kann. Darüber hinaus kamen mir in meinen Bemühungen, Isländisch zu lernen, die vielen ehemaligen Latein- und Altgriechisch-Stunden sehr gelegen, die ich im Laufe meiner Schullaufbahn genossen hatte. Nicht dass ich behaupte, Latein oder Altgriechisch zu sprechen, aber ich lernte damals wirklich, Sätze zu konstruieren.

Trotzdem war mein Weg bis zur Verständigung in der Landessprache lang und steinig. Die Erinnerung an die vielen Momente, die in meinen zaghaften Anfängen tägliches Brot waren, legte ich in der Schublade für frustrierende Erlebnisse ab: unter Einheimischen sitzen und nichts verstehen; keinerlei Vorstellung von dem haben, worum sich die angeregte Unterhaltung dreht. Dem wird jeder zustimmen, der schon in einer ähnlichen Lage war. Dabei ist es ganz egal, um welches Land und welche Sprache es sich handelt. Solange man im wahrsten Sinne des Wortes nicht mitreden kann, gehört man nicht dazu. Wer sich in seiner Wahlheimat nicht ganz ausgeschlossen fühlen will, hat sich deshalb lieber früher als später daran zu machen, die Landessprache zu erlernen. Daran führt kein Weg vorbei.

Der Volkshochschulkurs für Anfänger brachte mich über ein „Ich heiße Ursula“ und „Wie geht es dir?“ nicht wirklich hinaus. Für den Versuch, mir Isländisch mit Hilfe eines Lehrbuches selbst einigermaßen beizubringen, fehlte mir dann doch die nötige Motivation. Deshalb beschloss ich, zur Intensiv-Methode zu greifen: Abendkurs an der Universität. Zweimal die Woche, jeweils vier Stunden nach der Arbeit von fünf bis neun Uhr. Gesprochenes und geschriebenes Isländisch, Grammatik und Sprachlabor. Hausaufgaben, Zwischen- und Abschlussprüfungen. Harte Arbeit, die sich aber gelohnt hat. Eine gute Basis war gelegt. Das eigentliche Geheimnis meines Isländisch-Erfolges lag allerdings darin, gleich nach Kursabschluss eine Arbeitsstelle anzutreten, wo ich vom ersten Tag an die neue Sprache anzuwenden hatte. Zwölf Stunden am Stück. Ein großes Danke ergeht hiermit an meine Arbeitskollegen, die nicht müde wurden, meinen Wortschatz aufzustocken und mich geduldig zu verbessern! Die Mitarbeiter meiner früheren Abteilung, im gleichen Haus nur zwei Stockwerke tiefer, musste ich immer wieder an meine Fortschritte erinnern: „Hey, du kannst jetzt mit mir isländisch reden!“ Es dauerte sehr lange, bis sie das verinnerlicht hatten.

Generell neigt der Isländer dazu, sein Gespräch mit einem Anfänger auch nach einem Einstieg in seiner Sprache auf englisch fortzusetzen. Dagegen hilft nur eines: konsequent bei Isländisch bleiben! Unbekannte Wörter lassen sich notfalls in einer anderen Sprache einflicken. Bei uns zu Hause blieb die Verständigungssprache der Wahl trotzdem noch lange Zeit Englisch. So hatten wir uns kennengelernt, es war bequem für beide Seiten und ich konnte mich detailliert ausdrücken. Erst nach fünf gemeinsamen Jahren hatte sich Isländisch auch als „Privatsprache“ durchgesetzt.

Isländisch sei sogar schwieriger als Deutsch, ließ eine Uni-Kurskollegin mir gegenüber verlauten. Selbst Brasilianerin und mit einem isländisch-deutschen Mann verheiratet, hatte sie etliche Jahre in Deutschland verbracht und dort meine Muttersprache von der Pike auf gelernt. Dann siedelte das Paar nach Island über und es ging von vorne los mit den Sprachstudien. Das Problem sind dabei nicht die paar eigenwilligen Buchstaben wie zum Beispiel þ, das gesprochen wird wie ein hartes, jedoch stimmloses englisches „th“. Das weiche, stimmhafte „th“ schreibt sich ð und der „ai“-Laut wird als æ zu Papier gebracht. Die Aussprache ist für deutsche Muttersprachler nicht so schwierig. Happig wird es dagegen bei der Grammatik. Sie ist so kompliziert, dass sich selbst jeder isländische Schüler endlos damit herumschlagen muß. Und es wird hier kaum einen Erwachsenen geben, dem die eigene Sprache nicht wenigstens manchmal Kopfzerbrechen bereitet. Von unregelmäßigen Verben rede ich gar nicht, denn die gibt es auch in anderen Sprachen.

Ich will die Tücken der isländischen Grammatik an ein paar Beispielen verdeutlichen. Eine männliche Person wird mit blessaður begrüßt, eine weibliche dagegen mit blessuð. Der Messer, der Gabel und die Löffel. Wieviel angenehmer wäre es doch, wenn sich die drei Geschlechter direkt vom Deutschen übertragen ließen! Was ich übrigens immer dann mache, wenn mir das isländische Geschlecht eines Hauptwortes nicht bekannt ist. Fällt diese Wahl verkehrt aus, sind automatisch auch die restlichen Wortendungen im ganzen Satz falsch. Und warum können nicht alle miteinander ganz einfach „froh“ sein? Im Isländischen ist der Mann statt dessen glaður, die Frau glöð und das Kind glatt. Auch Eigennamen werden dekliniert. Das Mädchen hört auf den Namen Anna, ich rede aber mit Önnu. Eine Bekannte heißt Björk, ich gehe aber zu Bjarkar. Ich wohne in Reykjavík, fahre aber nach Reykjavíkur. Í Lundúnum heißt „in London“ und til Dyflinnar „nach Dublin“. Ganz dick kommt es mit den Ziffern eins bis vier. Denn die gibt es jeweils in sage und schreibe zwölf Varianten. Vor dem Gang zum Bäcker sollte man sich deshalb gut überlegen, was man kaufen möchte: jeweils vier, also fjórir Plunderschnecken, fjórar Tortenstücke oder fjögur Brötchen? Lieber doch gleich fünf, denn ab hier hat es sich ausdekliniert. Unabhängig von Geschlecht und Fall des Bezugswortes bleiben alle Zahlen ab fünf aufwärts unverändert.

Einfach herrlich ist die isländische Sprache in ihrer Bildlichkeit des Ausdrucks. Die Beinprothese wird zum Kunstfuß, der Automat zum Selbstverkäufer und das Deodorant zum Schweißgeruchsauslöscher. Der Stau ist eine Verkehrsverstopfung, das Echo die Bergsprache und der Wasserhydrant ein Straßenbrunnen. Die Tropen heißen Hitzegürtel. Der Äquator ist ein Mittelring, der Horizont ein Sichtteilungsring und die 24 Stunden-Periode ein Sonnenring. Die Küche heißt Feuerhaus, das Plätzchen Kleinkuchen und der Polizist Gesetzregelmann. Frühstückscerealien sind Morgenkorn. Das Zubehör wird zum Folgeteil, der Park zum Allgemeinheitsgarten und der Bagger zum Erdschieber; das Mikroskop...

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