Sie sind hier
E-Book

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben

Vollständige Ausgabe

AutorCaroline Pichler
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl592 Seiten
ISBN9783849633271
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Die Autobiografie der österreichischen Schriftstellerin, Lyrikerin und Kritikerin.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

 Der einzge Sproß, in dem sein Stamm noch lebt.

 Seit langer Zeit, seit meinen Kinderjahren,

 Ruht meine Mutter schon im Grab,

 Sie sank zu früh für mich hinab;

 Ach, ihre ersten süßen Küsse waren

 Die letzten, die sie ihrem Sohne gab.

 Nun kommt sie nur zu meinen stillen Träumen,

 Ein Schattenbild, gewebt aus Luft,

 Ihr Kleid ist wie des Hügels Duft.

 So leise seufzt der Abendwind in Bäumen,

 Als ihre Stimme tönt, wenn sie mir ruft.

 

Es ergibt sich im Verlauf der Romanze, daß Wood der Sohn der Jugendgeliebten des Einsiedlers ist, und dieser erzählt dann die Geschichte seiner unglücklichen Liebe. Wer hätte mir damals gesagt, daß 25–30 Jahre später aus jenen nebligen Gegenden Schottlands, die meine Seele so mächtig ansprachen, eine Reihe von Dichtungen hervorgehen würde (Walter Scotts Werke), welche nicht allein mich, sondern ganz Europa entzücken würden!

 

Ungefähr um diese Zeit bekam ich auch Herders Schriften, seine zerstreuten Blätter, seine Ideen zur Philosophie einer Geschichte der Menschheit in die Hände und da von jeher Naturlehre und Geologie einen wunderbaren, geheimnisvollen Reiz für mich gehabt hatten, so faßte ich diese letzteren Schriften sehr begierig auf ....

 

*

 

Während der letzten hier geschilderten Jahre hatte meines Bruders Geist, so wie sein Charakter und selbst sein Äußeres sich sehr vorteilhaft und ganz anders, als seine frühern Anlagen vermuten ließen, entwickelt. Zwar hatten die Blattern seine kindische Schönheit zerstört, aber seine Züge, der Ausdruck seines Gesichts war bedeutend, ernst und doch von unendlicher Güte zeugend, die denn auch wirklich in seinem Gemüte herrschte. Dabei war sein Wuchs hoch, tadellos, und sein Anstand vortrefflich, so daß er zwar nicht zu den schönen, aber zu den sehr interessanten Männern gezählt werden konnte. Auch gefiel er den Mädchen, meinen Gespielinnen sehr wohl, und manch kleiner Liebeshandel, wie es denn die damalige Sitte und Denkart mit sich brachte, knüpfte sich trotz seiner Jugend an. So wenig meine Gesinnung und mein Betragen gegen diesen trefflichen Jüngling in unserer Jugend zu billigen gewesen war, so hing ich doch jetzt mit desto wärmerer Liebe an ihm; ich kannte seinen tiefen Wert, ich achtete ihn aufs innigste, ja ich ordnete oft und gern mein Urteil dem seinigen unter, das sich stets höchst eigentümlich und richtig erwies, und sagte ihm oft im Scherz, doch mit sehr ernstem Gefühl, daß ich ihn lieber heiraten möchte als alle anderen jungen Männer, die mich umflatterten; aber du, setzte ich dann hinzu, du würdest mich nicht nehmen, denn mir fehlt, was dich an Mädchen am meisten reizt, ein majestätisches Ansehen und würdiger Ernst des Benehmens. Ich war nämlich stets sehr munter, nicht immer besonnen, und vor allem, ich weiß nicht, ob es mir zum Lob oder Tadel gereicht, nicht imstande, mein Betragen gehörig abzumessen, und meinem lebhaften Gefühl, dessen Ausdruck sich meist unwillkürlich in meinen sehr beweglichen Blicken und Zügen malte, so zu gebieten, daß ich mir Herrschaft über andere dadurch hätte erwerben können. Ich gab mich und mußte mich geben, wie ich war, und wem ich so nicht gefallen konnte, auf dessen Neigung mußte ich verzichten, besonders da keine einnehmende oder schöne Gestalt mir zu Hilfe kam.

 

*

 

Zu unsern geselligen Freuden hatte sich eine neue gefunden. Durch einen Jugendfreund und Schulkameraden meines Bruders, einen Vetter jenes Baron K***, der jetzt im Felde stand, hatte die Lust und der Geschmack für kleine Hauskomödien sich bei uns eingebürgert. Des jungen Menschen Eltern, altbekannte und geschätzte Freunde der meinigen, die sich vor ein paar Jahren in Wien niedergelassen hatten, da sie früher in Ofen gelebt, erneuerten die freundschaftlichen Verhältnisse gern; eine Tochter, nur um ein paar Jahre älter als ich, fand sich ebenfalls in dem Hause, und so bildeten wir jungen Leute einen vierblättrigen Klee, an welchem sich zwei und zwei Blätter stärker einander zu neigen begannen. Meinen Bruder zog die schlanke, ernste, hochgesinnte Therese, ein übrigens sehr schätzbares Mädchen an, und ihr Bruder, den ich, um ihn von seinem Vetter zu unterscheiden, Karl nennen will, brachte mir seine Huldigungen dar. Aber er vermochte mein Herz nicht zu rühren. Um einige Jahre jünger als ich, noch Student, gutmütig, aber eitel, voll Talente, aber ohne Fleiß und erworbene Kenntnisse, war er von dem Bilde eines ernsten, würdigen Mannes, den ich von ganzer Seele achten, oder eines geist- und kenntnisvollen, den ich bewundern hätte können, viel zu entfernt, um mir anziehend zu erscheinen. Auch trug die Erinnerung an seinen Vetter, der bereits als Mann wirkend und tätig ins Leben getreten war und seinen Platz mit Auszeichnung füllte, ebenfalls bei, ihn bei mir in Schatten zu stellen. Aber der junge Mensch war ein Tausendkünstler. – In wenigen Tagen hatte er für den Geburtstag des Vaters ein kleines Theater gebaut und gemalt, ich wurde gebeten, ein Schäferspiel oder so etwas zu schreiben, das sich für unser Personal, aus vier Personen bestehend, paßte. Gesang sollte auch dabei sein. – Ich entwarf einen winzigen Plan, wir legten bekannte Arien ein, behielten den ursprünglichen Text bei, wenn er sich zur Szene paßte, oder ich dichtete einen andern, wie das Stück ihn erheischte. Am Ende war ein Schlußchor mit dem Glückwunsch und der Anwendung angebracht. So armselig das Ganze war, wenn man es absolut als Schauspiel, Dichtung, Operette und Dekoration betrachtete, so machte es doch an Ort und Stelle durch Überraschung und gute herzliche Meinung den gehörigen Effekt, und wir erhielten alle großes Lob.

 

Von da an erwachte die Lust und Freude an dieser Art von geselliger Unterhaltung in meinem Bruder und mir, und wir wußten bald unsere Eltern zu vermögen, uns ein kleines Theater bauen zu lassen, das, geschickt eingerichtet, sich leicht und in wenig Stunden abbrechen und wieder aufrichten ließ, um den großen Salon, den mein Vater zu seinen Musiken, und wir selbst im Fasching sehr gern zu den kleinen Picknickes brauchten, die bei uns statthatten, immer zu gehöriger Zeit in einen Tempel Thaliens, und aus diesem wieder in seine ursprüngliche Gestalt umzuwandeln. Sobald unser Vorsatz, Hauskomödien (eine damals sehr gewöhnliche Unterhaltung) bei uns zu geben, bekannt wurde, fand und sammelte sich bald ein sehr ansehnliches und in einigen Mitgliedern bedeutendes Personal um uns. Ein Herr von Kirchstettern gab die Rollen, welche man 8–10 Jahre vorher von dem großen Schröder hatte spielen sehen, mit einer für einen Dilettanten bewundernswürdigen Kunst und Kraft. An einem Herrn Eberl, einem sehr artigen und gebildeten Mann, besaß unsere Truppe einen ersten Liebhaber, der dies schwere Fach auf, und auch wohl außer der Bühne mit seltenem Glücke übernahm, und dem eine auffallende Ähnlichkeit mit dem berühmten Schauspieler Lange, der eben dies Rollenfach auf dem Hoftheater inne hatte, sehr zustatten kam. Wie Lange schmächtig, blond, zierlich und voll Anstand, hatte er auch die Ähnlichkeit mit ihm, daß seine im Grunde gar nicht hübschen Züge auf dem Theater und mit der Schminke beinahe schön erschienen. Überdies erbot sich der vieljährige, treue Freund meiner Eltern, Herr von Alxinger, mit Vergnügen zur Teilnahme an unserm Projekte, und übernahm, nebst einer Art von Direktion, jene Rollen, die damals die Brockmannschen von diesem Schauspieler genannt wurden, junge Ehemänner, launigte Charaktere, auch einige komische oder Charakterrollen, und führte sie, wenn es nur keinen Anstand oder tiefere Empfindung bedurfte, sehr gut aus. Mein Bruder übernahm das Fach der komischen Bedienten, zweiten Liebhaber usw. Andere hübsche, junge Mädchen fanden sich zu zärtlichen oder ernsten Rollen, mein Fach war das der muntern jugendlichen Charaktere, schnippischer oder koketter Mädchen, wohl auch der Soubretten. Etwas Zärtliches oder Rührendes brachte ich durchaus nicht aus meinem Innern heraus; in jenen Rollen aber gefiel ich, und unsere ganze Truppe erwarb sich Beifall.

 

Ein Zyklus von geselligen Freuden bildete sich nun in unserm vielbesuchten Hause. Wenn wir vom Lande (einem hübschen Gartenhaus, das meine Eltern in der Nähe besaßen) im Herbst nach der Stadt zogen, wurde gleich das Theater aufgeschlagen und einige Stücke gegeben: Minna von Barnhelm, die falschen Vertraulichkeiten, Maske für Maske, die unversehene Wette, der seltene Freier, die Glücksritter nebst vielen andern. Wie der Advent heran kam, mußte das Theater fort, und die wöchentlichen Quartetten begannen, bei welchen ich jederzeit spielen mußte, und die von einer sehr zahlreichen und glänzenden Gesellschaft besucht wurden, nicht weil sie so vorzüglich waren, sondern weil es Mode war, unser Haus zu besuchen. Dann folgten im Fasching ebenso wöchentliche Picknicks, an denen aber nur, eben des Raumes wegen, ein kleiner, gewählter Kreis von bessern Bekannten Anteil nahm, und an deren zwanglose und lebhafte Freuden sich jetzt noch, nach viel mehr als dreißig Jahren, die wenigen Teilnehmer, die diesen Zeitraum überlebt haben, mit Vergnügen erinnern. Nach dem Fasching begannen die Quartetten abermals, und nach Ostern wurde das Theater...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Biografie - Autobiografie

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Sigmund Freud

E-Book Sigmund Freud
Format: PDF

Wer war Sigmund Freud wirklich? Wie war der Mann, der in seiner Ordination in der Wiener Berggasse der Seele des Menschen auf die Spur kam? Und welche Rolle spielte dabei die weltberühmte Couch…

Sigmund Freud

E-Book Sigmund Freud
Format: PDF

Wer war Sigmund Freud wirklich? Wie war der Mann, der in seiner Ordination in der Wiener Berggasse der Seele des Menschen auf die Spur kam? Und welche Rolle spielte dabei die weltberühmte Couch…

Sigmund Freud

E-Book Sigmund Freud
Format: PDF

Wer war Sigmund Freud wirklich? Wie war der Mann, der in seiner Ordination in der Wiener Berggasse der Seele des Menschen auf die Spur kam? Und welche Rolle spielte dabei die weltberühmte Couch…

Weitere Zeitschriften

arznei-telegramm

arznei-telegramm

Das arznei-telegramm® informiert bereits im 53. Jahrgang Ärzte, Apotheker und andere Heilberufe über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln. Das arznei-telegramm®  ist neutral und ...

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

EineWelt

EineWelt

Lebendige Reportagen, spannende Interviews, interessante Meldungen, informative Hintergrundberichte. Lesen Sie in der Zeitschrift „EineWelt“, was Menschen in Mission und Kirche bewegt Man kann ...