Eine interkulturelle Öffnung ist die notwendige Reaktion unserer Gesellschaft und aller ihrer Institutionen auf die multikulturelle Zusammensetzung unseres Gemeinwesens. Öffnung bedeutet zunächst ganz elementar, dass diese Gesellschaft offen ist für Einwanderung und ihre Institutionen für alle hier lebenden Menschen öffnet. Öffnung impliziert aber auch, von Migrantinnen nicht eine bedingungslose Anpassung als Vorleistung für ihre gesellschaftliche und politische Integration zu fordern. Öffnung heißt nicht zuletzt, offen zu sein für eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung über Unterschiede und Gemeinsamkeiten, um darin notwendige gesellschaftliche Übereinkünfte immer wieder neu zu bestimmen. Jede Gesellschaft ist - wenn wir Kultur nicht nur ethnisch definieren - auch schon ohne Migration multikulturell und muss daher interkulturell geöffnet werden, wenn sie demokratisch legitimiert sein und in Bewegung bleiben will. Migration und Globalisierung erfordert nun, in diesem Prozess auch die neuen Mitglieder der Gesellschaft einzubeziehen.
„Interkulturelle Öffnung“ ist eine institutionelle Aufgabe, die sich quer durch die Gesellschaft zieht. Sie betrifft alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens von Wirtschaft, Politik, kulturellen Institutionen bis hin zu Verwaltung/Behörden, Polizei, medizinischen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen und sozialen Diensten. In all diesen Institutionen muss ein Umfeld gestaltet werden, das Migrantinnen nicht benachteiligt, sondern ihren spezifischen Bedürfnissen gerecht wird. Erste Aufgabe ist dabei, bestehende Zugangsbarrieren abzubauen[1].
Interkulturelle Öffnung im Rahmen des Managementprozesses ist so definiert, dass in einer Einwanderungsgesellschaft jede soziale Dienstleistung und jedes soziale Handlungsfeld so zu gestalten ist, dass sich alle Menschen, und somit auch Migrantinnen und Migranten, entsprechend ihrer Handlungs- und Orientierungsmuster angenommen fühlen können[2].
Migration und Alter, eine thematische Kombination, die angesichts des demografischen Wandels an Aktualität zunimmt, denn unsere Gesellschaft wird sowohl älter als auch vielfältiger. Die wachsende Zahl älterer Zuwanderer sowie die daraus resultierenden Konsequenzen für den deutschen Pflegemarkt haben dazu geführt, dass Unternehmen sich mit den Bedürfnissen dieser Zielgruppe auseinandersetzen, um den Anspruch alt gewordener Migranten auf professionelle Pflege sicherzustellen.
Allein zur Versorgung türkischer Senioren werden deutschlandweit geschätzte 80 Pflegeheime bis zum Jahr 2011 benötigt[3]. Die Erfahrungen zeigen, dass für ältere zugewanderte Menschen Zugangsbarrieren zu den Angeboten der Altenhilfe wie des Gesundheitswesens bestehen.
Wesentliche Hindernisse liegen einerseits in den Strukturen der Einrichtungen, die auf ältere Zuwanderinnen und Zuwanderer nicht ausgerichtet sind, andererseits fühlen sich ältere Migrantinnen und Migranten durch die Institutionen der Altenhilfe nicht angesprochen und begreifen diese auch nicht als ihre Ansprechpartner.
Hinzu kommt, dass sich ältere Zuwanderinnen und Zuwanderer von einer auf Individualismus ausgerichteten Angebotsstruktur wenig angesprochen fühlen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich die Angebote in der Regel an den Bedürfnissen einheimischer älterer Menschen orientieren. Daher kann von einer Regelversorgung der älteren Zuwanderinnen und Zuwanderer nicht ausgegangen werden.
Marketing im Altenpflegemarkt ist für einige Anbieter noch immer ein relativ neues Gebiet. Ein Unternehmen muss sich heutzutage im Zuge des verstärkten Wettbewerbs im Markt klar positionieren und seine Besonderheiten herausstellen können, um sich von seinen Mitbewerbern eindeutig abzuheben. Sowohl im Krankenhaus- als auch im Altenpflegemarkt ist Marketing ein absolutes Zukunftsthema und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Deshalb ist es eine besondere Herausforderung, dieses vorwiegend in der Industrie zum Einsatz kommende Instrument auf den Altenpflegemarkt zu übertragen.
Die Thematik richtet sich vor allem an Führungskräfte, die im Altenpflegemarkt tätig sind. Die Arbeit soll ihnen das spannende Feld des Marketing und dessen Anwendung im Altenpflegemarkt vor Augen führen. Dabei soll es auch Hilfestellung bei der Entwicklung einer eigenen Konzeption geben.
1.1 Gliederung der Arbeit
Es sollen in dieser Arbeit Antworten darauf gefunden werden, wie „kultursensible Altenhilfe" im Prozess der interkulturellen Öffnung im Altenhilfesektor umgesetzt werden kann und worin für Altenhilfeeinrichtungen die Vorteile des Marketings liegen. Dazu werden die Grundlagen des Marketings bezogen auf Alten- und Pflegeheime erläutert.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Nach der Einleitung gibt Kapitel 2 einen Überblick über die kultursensible Altenhilfe und spiegelt u. a. die Lebenswelten älterer türkischer Migranten in Deutschland wider. Es wird detailliert auf die Merkmale der in Deutschland lebenden Türken eingegangen.
Kapitel 3 stellt zunächst eine Einführung in Marketing dar. Anschließend folgen die Besonderheiten des Marketings in der Sozialwirtschaft. In diesem Zusammenhang werden die Besonderheiten der Dienstleistung herausgestellt, die den Unterschied des Dienstleistungsmarketing zum Konsumgütermarketing verdeutlichen. Als neue Marketingstrategie wird Ethnomarketing vorgestellt, ein spezielles Instrument für Zielgruppen mit Migrationshintergrund.
Die Besonderheiten und Bedürfnisse der älteren türkischen Migranten bilden die Basis für die empirische Untersuchung zum Thema „Kultursensible Altenpflege“ in Kapitel 4. Die Befragung von 192 Personen soll darüber Aufschluss geben, welche Merkmale eines Pflegeheimes bei der Auswahl eine wichtige Rolle spielen.
Auf Basis der Ergebnisse der Befragung sowie der genannten theoretischen Grundlagen wird im Kapitel 5 der Arbeit ein Marketingkonzept für ein Pflegeheim beschrieben, das sich zum bisherigen Angebot zusätzlich auch für Senioren aus der Türkei öffnet und kultursensible Angebote schaffen möchte.
Darin werden eine Situationsanalyse erstellt, anschließend Marketingziele und Marketingstrategien formuliert und schließlich operative Maßnahmen im Rahmen des Marketing-Mix entwickelt.
Im Folgenden wird zudem für sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen aus Vereinfachungsgründen keine geschlechterspezifische Unterscheidung vorgenommen. Die männliche Form (z. B. Kunde, Klient, Bewohner) wird einheitlich und neutral auch für die weibliche gewählt. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff „Kunden“ synonym für Heimbewohner und andere Zielgruppen und damit aufgrund der betriebswirtschaftlichen Orientierung ein erweiterter Kundenbegriff verwendet, d. h., es wird zwischen externen und internen Kunden unterschieden. Zudem werden alte und pflegebedürftige Menschen zwar einerseits als die wichtigste Kundengruppe angesehen, andererseits stellen sie nur einen Teil der Kunden des Alten- und Pflegeheimes dar.
1.2 Notwendigkeit von Marketing im Altenpflegemarkt
Im Vergleich zu Märkten anderer Wirtschaftszweige weist der Altenpflegemarkt als ein Teilmarkt des Gesundheitswesens kennzeichnende Charakteristika auf, die kurz erläutert werden sollen. Um dem Leser die Wichtigkeit moderner Altenpflege für unsere Gesellschaft und die damit verbundene Verantwortung vor Augen zu führen, sollen die wesentlichen Ziele und Grundsätze dieser Arbeit, die auch für das jeweilige Marketingverständnis von Bedeutung sind, kurz vermittelt werden.
Die anfänglichen vielfachen Befürchtungen, dass der Gesetzgeber über den Zwang zu mehr Wirtschaftlichkeit und einem effizienteren Leistungsangebot die Implementierung eines vollkommenen Pflegemarktes beabsichtige, erscheinen aufgrund der rechtlichen, organisatorischen und institutionellen Gegebenheiten unbegründet.
Entscheidende Marktbedingungen, wie beispielsweise der uneingeschränkte Austausch von Gütern und Dienstleistungen als Voraussetzung eines Marktes von Pflegeleistungen, werden nicht erfüllt.
Der Pflege- bzw. Gesundheitsmarkt wird durch Steuerungsinstrumente wie Budgetlimitierung oder Leistungsausgrenzung von außen reglementiert. Zudem existiert keine unmittelbare Anbieter-Nachfrager-Beziehung, sondern eine Dreiteilung. In den meisten Fällen werden Pflegeleistungen erst erbracht, wenn der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit attestiert hat. Ähnlich verhält es sich bei der Vergütung der Leistungen. Der Bewohner bezahlt lediglich die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Versicherungsbeiträge, die Kosten für die Pflegegrundleistungen übernimmt die Pflegekasse. Außerdem erhalten die Pflegeeinrichtungen statt "Markt-Preisen" in Pflegesatzverhandlungen festgeschriebene Entgelte. Erschwerte Marktbedingungen resultieren des Weiteren...