Nachdem in Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen des Konstrukts Kundenbindung dargelegt wurden, soll sich dieses nun mit der Messung beschäftigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sinnvoll ist, bedingt durch die enge Verbindung der beiden Konstrukte (s. Abschnitt 2.3.4.), im Rahmen einer Datenerhebung Kundenbindung im Zusammenhang mit Kundenzufriedenheit zu betrachten.[207] Die Erhebung bzw. Messung relevanter Daten ist der erste notwendige Schritt zu einem konsequenten Kundenbindungsmanagement (zum einen für die Strategiebildung und zum anderen zu dessen Kontrolle).[208] In dem Kapitel sollen nun schrittweise alle relevanten Überlegungen erläutert werden, die im Zusammenhang mit der Messung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung stehen.
Die Erfassung relevanter Daten zur Messung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung kann in vier Phasen unterteilt werden (s. Abbildung 16):
Konzeption der Erhebung
Durchführung eines Pretest
Durchführung der Erhebung
Analyse der erhobenen Daten[209]
Abb. 17: Vorgehensweise bei der Messung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Quelle: In Anlehnung an Homburg, C. / Werner, H. (1998): Messung und Management von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung im Finanzdienstleistungsbereich, S. 168.[210]
Damit die erhobenen Daten Ihren Sinn erfüllen, nämlich Erkenntnisse zur Steuerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu erlangen, werden an die Messung grundlegende Anforderungen gestellt, die innerhalb des Vierphasenschemas dargestellt werden sollen.[211]
In der ersten Phase (Konzeption) müssen die grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Datenerhebung systematisch festgelegt werden. Dazu sollte zunächst eine Entscheidung über den Messansatz der Kundenzufriedenheits- und Kundenbindungsmessung erfolgen.[212] Außerdem muss die Ziel- bzw. Kundengruppe, auf die sich das Interesse der Befragung richten soll, benannt werden.[213] Darüber hinaus ist es erforderlich, die relevanten Inhalte zu bestimmen und darauf folgend den Fragebogen zu erstellen.[214] Schließlich gehört noch die Festlegung des Umfangs der Stichprobe und der Form bzw. des Ablaufes der Datenerhebung dazu.[215]
Bei der Messung der Dimension der Kundenbindung soll noch einmal kurz deren Konstrukt in Erinnerung gerufen werden. Es wurden zwei Verhaltensweisen unterschieden: Das bisherige Verhalten und die zukünftigen Verhaltensabsichten (s. Kapitel 2, insb. Abbildung 5).
Die Messung der ersten Dimension (bisheriges Verhalten) unterscheidet sich deutlich von der Messung der zweiten Dimension (Verhaltensabsichten).[216] Zur Erhebung relevanter Daten des bisherigen Verhaltens werden sog. objektive Verfahren angewandt.[217] Dabei handelt es sich um Fakten, die nicht durch subjektive Wahrnehmung verzerrt sind (bspw. gesammelte Daten aus einer Kundendatei).[218] Die Verhaltensabsichten müssen dagegen erst noch durch subjektive Verfahren (Datenerhebung) ermittelt werden.[219]
Bei der Messung der Kundenzufriedenheit kann man ebenfalls objektive und subjektive Verfahren unterscheiden.[220] Objektive Daten sind feststehende Daten (s.o.), wie z.B. die Entwicklung des Marktanteils, des Gewinns oder des Umsatzes, wobei man davon ausgeht, dass diese Indikatoren stark mit Zufriedenheit bzw. Kundenbindung korrelieren (s. Abschnitt 2.3.4.4.).[221] Durch die Nutzung subjektiver Verfahren sollen die Daten der von den Kunden individuell empfundenen Zufriedenheit erfasst werden.[222]
Diese (subjektive Verfahren) können wiederum in ereignis- und in merkmalsorientierte Verfahren gegliedert werden.[223] Durch den ereignisbezogenen Ansatz werden vor allem Kundenzufriedenheitswerte im Zusammenhang mit erfolgten Kontaktereignissen (wie z.B. eine erbrachte Reparaturleistung) bewertet.[224] Drei ereignisbezogene Analysemethoden sollen kurz vorgestellt werden.
Eine Möglichkeit zur Datenerhebung stellt dabei die sog. Kontaktpunktanalyse dar.[225] Deren Ziel ist es, die gesamten Kontakte eines Kunden mit einer Unternehmung zu durchleuchten.[226] Bei der Durchführung der Erhebung werden kritische Kontaktpunkte identifiziert, wie z.B. die Parkplatzsuche vor dem Supermarkt oder das Ansprechen einer Empfangsdame, und die Kunden dann dazu befragt.[227]
Durch die Frequenz-Relevanz-Analyse sollen fehlerhafte Prozesse und Leistungsparameter identifiziert werden.[228] Dabei werden Kunden zum einen gefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese, trotz aufgetretener Fehler das Produkt oder die Dienstleistung erneut nachfragen würden.[229] Zum anderen werden aber auch standardisierte, kurze Fragebögen benutzt, um diejenigen Fehler zu erkennen, die zu Abwanderung führen.[230] So können Fehler mit hoher (führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Abwanderung) und niedriger (Abwanderung ist eher unwahrscheinlich) Relevanz erkannt werden.[231]
Eine weitere Möglichkeit stellt die Critical Incident Technique (CIT) dar.[232] Ein zur Bewertung herangezogenes kritisches Ereignis, das einen Kunden mit einer Unternehmung verbindet, kann entweder ein positives oder negatives sein.[233] Bei der Befragung werden Kunden an diese Ereignisse erinnert und dieses dann bei der Auswertung der Daten in allen Details analysiert.[234]
Meistens wird durch ereignisbezogene Analysemethoden ledigliche eine, zudem nur auf jeweils einen Kunden gerichtete, Momentaufnahme dargestellt.[235] Deswegen ist dieser Ansatz meist nur zur Messung der Zufriedenheit hinsichtlich eines speziellen Ereignisses geeignet und die Erfassung des Ausmaßes der Kundenbindung schwierig.[236] Dazu eignen sich merkmalsorientierte Ansätze, welche die gesamte Geschäftsbeziehung des Kunden mit dem Unternehmen betrachten.[237] Dabei geht man davon aus, dass sich Kunden im Laufe dieser Beziehung Meinungen zu den verschiedenen Leistungen bilden, die abgefragt oder untersucht werden können.[238]
In diesem Zusammenhang sind zum einen implizite (Daten müssen nicht selbst erhoben werden) Analysemethoden, wie z.B. die Auswertung von Beschwerdeaktivitäten, zu nennen.[239] Da die Beschwerdeaktivitäten seitens der Kunden bzw. andere Kundenreaktionen meist relativ gering ausgeprägt sind (s. Abschnitt 2.3.4.3.), können zum anderen auch explizite (Daten müssen selbst erhoben werden) Verfahren zur Erfassung von Kundenzufriedenheit herangezogen werden.[240] Dies kann eindimensional durch einen Indikator (z.B. Gesamtzufriedenheit), oder multiattributiv durch eine Vielzahl von Einzelaspekten erfolgen.[241]
Die erhobenen Daten können dann entweder mittels eines ex-ante / ex-post Vergleichs, oder ausschließlich durch ex-post Bewertung verarbeitet werden.[242] Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, den Erfüllungsgrad der Kundenerwartungen oder das direkte Zufriedenheitsempfinden zu messen.[243]
In der nachfolgenden Abbildung 18 wird der gesamte Zusammenhang der möglichen Messansätze dargestellt.
Abbildung 18: Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit und der Dimension Verhaltensabsichten der Kundenbindung
Quelle: Entnommen aus Homburg, C. / Faßnacht, M. / Werner, H. (1999): Operationali-sierung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, S. 396.[244]
Nachdem der Messansatz bestimmt wurde, ist als nächster Schritt die Zielgruppe der Erhebung festzulegen. Je nach Ausgangslage des Unternehmens kann sich die Befragung u.a. an private Endkunden oder an Firmenkunden richten.[245] Bei Letzteren müssen dann die konkreten Ansprechpartner benannt werden (z.B. Einkäufer, Entscheidungsträger oder Produktnutzer), damit die gewollten Informationen erhoben werden.[246] Abgrenzung kann aber bspw. auch dadurch erzielt werden, dass sich die...