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♂ Bagula
Sie alle wissen, dass Sie dem Internet nicht komplett vertrauen dürfen. Manchen Spaßvögeln ist es eine große Freude, im World Wide Web falsche Informationen zu streuen und zu beobachten, wie lange diese für bare Münze genommen werden. Auf Wikipedia wurden schon ganze Inselgruppen geboren, ohne dass jemand daran Anstoß genommen hätte. Bei Vornamen lauert dieselbe Gefahr: Der Männername Bagula taucht gleich in mehreren Online-Datenbanken auf, ist angeblich südamerikanisch, genauer gesagt bagalianisch (sic!) und bedeutet «Kind, das immer weint». Ist das nicht wunderbar? Hier hat anscheinend eine Webseite von der anderen abgeschrieben; nur das Marathi-Onlinelexikon[7] präsentiert eine eigene Übersetzung und schildert Bagula überraschenderweise sowohl als imaginiertes Phantom, mit dem man kleine Kinder erschreckt, wie auch (pädagogisch recht unklug) als Kosenamen für die Kleinen selbst. Und auf einmal scheinen trotz der verwirrenden Marathi-Paradoxien und des beträchtlichen Abstands zwischen Südamerika und Indien alle Fakten ineinanderzugreifen! So sicher kann man sich also nicht mehr sein, dass da nicht irgendwelche südamerikanischen Bagalianer ihre aus Angst vorm indischen Bagula-Phantom stets weinenden Kinder zum Trost Bagula taufen. Das Schlusswort gehört also Tamina, die im Internet schreibt: «Ich und mein Mann Ian wollten unser Kind erst so nennen, bis wir die Bedeutung erfahren haben. Jetzt soll er doch Tom heißen.»
♂ Bakbuk
Bakbuk ist ein biblischer Vorname und bedeutet auf Hebräisch «Flasche». Tatsächlich scheint er auf onomatopoetische Weise das glucksende Geräusch einer sich leerenden Flasche zu imitieren. Nun nennt man seinen Sohn aber nicht «Flasche», und vor allem nicht mit einem Namen, der weniger der Bibel als vielmehr einer Konjugationstabelle der Bäcker-Gesellenprüfung entnommen zu sein scheint. Dieser Name ist wie Flasche leer.
♀ Balbina
Die gute Nachricht zuerst: Die heilige Balbina († um 130 in Rom) ist Schutzpatronin gegen Halsschmerzen, was eine hübsche Pointe ergibt, weil sie als Märtyrerin enthauptet wurde.[8] Die schlechte Nachricht: Der Name stammt wie die Frau aus dem Lateinischen und bedeutet «die Stammelnde». Also, an ihrer Stelle hätten wir uns nicht die Halsschmerzen, sondern das Stottern wegmachen lassen, aber jeder nach seinem Geschmack.
♀ Barbara
Die heilige Barbara ist Patronin der Bergleute und wird dementsprechend derzeit eher am Bore-out- denn am Burn-out-Syndrom zu leiden haben. Während die Märtyrerin also der Langzeitarbeitslosigkeit entgegenschlittert, werfen wir einen genaueren Blick auf ihren Namen und finden es doch bemerkenswert, dass in unseren Ohren der Name ganz normal klingt (sogar ein bisschen zu gewöhnlich), ohne dass wir die klangliche Verwandtschaft zu «barbarisch» bemerken oder mithören. Und die ist natürlich kein Zufall: Barbarus bedeutet im Lateinischen «fremd, ausländisch», barbarisch halt. Barbara war also im Jahre 0 keiner der guten Namen, und das ist doch erstaunlich: Daran hat sich in 2000 Jahren nichts geändert.
♂ Bekir
Türkisch. Von arabisch bakr = «junges Kamel». Die Schönheitsideale im arabischen Raum haben wohl wenige Westeuropäer aus dem Effeff parat, aber so oder so ist diese Tieranalogie befremdlich. Zugegeben, «junges Kamel» passt für den Nachwuchs immer noch besser als «altes Kamel», ist aber trotzdem eher unvorteilhaft. Dann schon lieber → Eberhard.
♂ Ben
Kurzform von Benjamin. Das ist Hebräisch und bedeutet je nach Geschmack «Sohn des Glücks» und «Sohn der rechten Hand». Bei Zweiterem denkt man eher an Besenkammer und Samenraub (bzw. an → Onan), aber das nur am Rande. Eigentlich, muss konstatiert werden, ist gegen Ben gar nichts einzuwenden. Allerweltsnamen muss es auch geben, und dass das nicht bis in alle Ewigkeiten → Christian, Martin und → Andreas sein werden, ist ja klar. Moden kommen und gehen; und so ist Ben der Name der Stunde für alle Paare, die was Schönes, aber weder allzu Altbackenes noch zu Exotisches wollen und nach ihrer schmerzlos getroffenen Entscheidung glücklich auf dem Sofa sitzen bleiben, den Fernseher wieder laut drehen und heimlich in die Kissen pupsen.
! Nivea & Co. – Aus deutschen Badezimmern
In Drogerieketten und den Körperpflegeabteilungen deutscher Supermärkte zeigt sich dasselbe Bild wie an den hiesigen Zeitschriftenständen: Alles ist voller Frauen, und zwar nicht, weil sie die Einkäufe machen, sondern weil die Produkte ausschließlich weibliche Namen tragen. Oder besser gesagt, solche, die nach weiblichen Namen klingen.
Der Klassiker, Nivea, hat zwar eine Bedeutung und lässt sich mit «schneeweiß» übersetzen. Doch die Namen all der Nachfolgeprodukte ähneln wirklichen nur noch. Ob Babykleidung (Alana), Glanzspülungen (Balea) oder Cellulite-Creme-Gels (Isana), Collagenmasken (Rilanja), Wattebällchen (Belana) oder Damenbinden (Alena): All diese durchweg auf -a endenden Namen klingen nach leicht exotischen Damen, keiner von ihnen ist im deutschen Sprachraum beheimatet, die meisten existieren noch nicht einmal.
Das liegt ganz einfach daran, dass zu viel Realitätsnähe langweilig und ordinär wirken würde. Ein Schaumbad Gisela oder ein Deoroller Irene klänge längst nicht so verheißungsvoll wie die Konkurrenzprodukte mit phantasievolleren und ungewöhnlicheren Namen. Diese Regel ist beileibe keine Erfindung kapitalistischer Werbefuzzis, sondern galt schon in der DDR: Dort trug die Körperpflegemarke den blumigen Namen Florena.
Problematisch wird es mittlerweile, weil deutsche Eltern immer ungewöhnlichere Namen für ihre Kinder haben wollen. Da es ihnen egal ist, wo die herkommen oder ob es sie überhaupt gibt, geraten sie unweigerlich mit all den Marketingstrategen ins Gehege, die ähnliche Kreationen suchen, nur halt für Hygieneartikel anstatt für real existierende Menschen. Da kommt also die Wording-Agentur auf dieselbe Idee wie die Mutter, und auf einmal heißt Töchterchen Favora wie das Klopapier von Rossmann.
Und was ist jetzt mit den Männern? Die sind wie immer außen vor. Ein paar lassen sich zwar finden: Immerhin wirbt der hauptberufliche Regalpate Billy (als «Billy Boy») für Kondome, und die mythologischen Figuren → Ariel und Ajax sorgen mit männlicher Durchsetzungskraft in Küche und Waschtrommel für keimfreie Sauberkeit. Doch wenn es um Körperpflege geht, zieht man die Sanftheit einer Frau der Härte des Mannes vor. Und das ist ja auch verständlich, denn niemand würde freiwillig zu einem Toilettenpapier greifen, das einen männlichen Namen trägt. Wie sollte das auch heißen? Clint? Das wäre mit «Clint – erbarmungslos» oder «Dirty Harry» wohl nur schwer zu bewerben.[9] Es ist schon ganz gut so, wie es ist. Wir bleiben hygienetechnisch gerne bei den seltsamen Frauennamen. Und schließen mit der Geschichte des russischen Toilettenpapier-Herstellers, der seine neue Marke Astana nannte. Das war ein Fehler. Denn Astana war leider tatsächlich ein Name: der der Hauptstadt Kasachstans. Und deren Einwohner fanden die Idee so richtig beschissen.
♂ Bent
«Hello, I’m Bent» stellt sich Ihr Sohn in England vor, und wird irritierte Blicke ernten: Er hat sich nämlich soeben mit «Hallo, ich bin schwul» eingeführt, und das ist zwar eigentlich nicht der Rede wert, aber unter Umständen eine seltsame Gesprächseröffnung. Die Information, dass es sich bei dem Namen um die dänische Form von Benedikt handelt, wird wahrscheinlich nur noch einen Teil der ursprünglichen Runde erreichen.
♀ Bernadette
Bernadette (von → Bernd) ist nicht diese fette französische Soße, das war Béarnaise. Aber Bernadette ist ein öliger, mayonnaiseartiger Name, daran lässt sich nichts deuteln. «Liebe Bernadette», flöten die Eltern zum 7. Geburtstag des teiggesichtigen Mädchens, «zu deiner Feier ist leider schon wieder gar keine deiner Freundinnen gekommen.» Ja natürlich, sie hat ja auch keine, bei dem Namen.
♂ Bernd
Das passt doch mal: Bernd ist die Zusammenziehung des alten deutschen Namens Bernhard, der aus dem Althochdeutschen kommend so etwas wie «kräftiger Bär» bedeutet. Tatsächlich sind Bernds häufig ein bisschen dick und gemütlich. Sie entgehen einem Schicksal als Mobbingopfer nur durch ihr ausgeprägtes Anpassungsvermögen, das sie bis hin zur sozialen Mimikry erstaunlich gut beherrschen. Nichtsdestotrotz werden sie im Sportunterricht stets erst ganz zum Schluss in die Fußballmannschaft gewählt. Bernds nehmen es klaglos hin.
♀ Bitterina
Ein seltsamer holländischer Vorname, der sich in seiner Bedeutung tatsächlich vom Wort «bitter» ableitet. Die Holländer verbinden mit dieser Geschmacksrichtung aber angenehmere Vorstellungen als wir. Zum Beispiel sind die berühmten Bitterballen eine in Holland...