In diesem Kapitel werden kurz die Hintergründe dargestellt, die zur Einführung der Beleihungswertermittlungsverordnung geführt haben. Daran anschließend wird ein Überblick über die im Zuge der Ausarbeitung relevanten Vorschriften zur Ermittlung des Beleihungswertes gegeben. Hierbei wird gleichzeitig aufgezeigt, welche Unter-schiede sich nach den Vorgaben der BelWertV im Gegensatz zur WertV insbesondere hinsichtlich der Anwendung eines Mindestkapitalisierungszinssatzes sowie von Mindestbewirtschaftungskosten ergeben.
Mit der am 1. August 2006 in Kraft getretenen Beleihungswertermittlungsverordnung wurde erstmals eine einheitliche und öffentliche Regelung für die Ermittlung des Beleihungswertes geschaffen. Vorher arbeitete jede Hypothekenbank mit einer eigens entwickelten hausinternen „Verordnung“, die der Genehmigung der BaFin unterlag.[44] Einem Investor war es aufgrund der verschiedenen Bewertungsrichtlinien der Banken nicht möglich, die Bewertung seines Objektes tatsächlich nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass vor dem Inkrafttreten der BelWertV private Hypothekenbanken die zu finanzierenden Objekte gemäß den Vorgaben des Hypothekenbankengesetzes bewerteten. Die Sparkassen und Landesbanken hingegen legten die Beleihungswerte nach ihrem eigenen Gesetz über Pfandbriefe und verwandte Schuldverschreibungen (ÖPG) fest. Durch die Einführung der BelWertV wurde eine bisher unbekannte Transparenz auf dem Markt für Immobilienfinanzierungen erreicht.[45]
Hierzu trug auch der Wegfall der Staatsgarantie (seit dem 19. Juli 2005) für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute bei, der eine Privilegierung der öffentlich-rechtlichen Universalkreditinstitute gegenüber anderen Universalinstituten entfallen ließ. Durch das PfandBG wird nun allen geeigneten Kreditinstituten erlaubt, die Ausgabe von Pfandbriefen zu beantragen. Voraussetzung ist, dass die Kreditinstitute in der Lage sind, die gesetzlich verankerten Qualitätsanforderungen an das Pfandbriefgeschäft zu erfüllen.[46]
Durch die Verankerung der BelWertV im neuen Pfandbriefgesetz (in Kraft getreten am 19. Juli 2005) ist diese für Pfandbriefbanken, Sparkassen und Landesbanken allgemeingültig. Aus diesem Schema lässt sich erkennen, dass derzeit noch nicht alle Kreditinstitute bei der Beleihungswertermittlung nach derselben Anweisung vorgehen. Dieses ist darin begründet, dass es neben der Refinanzierung durch Emission von Pfandbriefen noch andere Refinanzierungsformen wie z.B. Securitization, also die Verbriefung von Hypothekendarlehen, verwandt werden und dieses nicht den Vorgaben der BelWertV unterliegt. Aus diesem Grunde fordern Fachverbände eine Allgemeinverbindlichkeit der BelWertV für Kreditinstitute, und zwar unabhängig von der angewandten Refinanzierungsform.[47]
Der Verband deutscher Pfandbriefbanken hat intensiv daran mitgearbeitet, eine einheitliche Methodik bei der Beleihungswertermittlung zu schaffen und wird die Umsetzung bei den Mitgliedsinstituten begleiten. Gleichzeitig gestaltet der vdp die Rahmenbedingungen für die Bewertung mit, indem er in den Gremien des IVSC und der TEGoVA mitwirkt. Die BelWertV regelt erstmals neben den Einzelheiten der Methodik und Form der Beleihungswertermittlung die Mindestanforderungen an die Qualifikation der Gutachter. Des Weiteren wurde ausdrücklich geregelt, dass von Kreditnehmern beauftragte Gutachten nicht mehr als Basis für die Ermittlung des Beleihungswertes genutzt werden dürfen. Insgesamt besteht die BelWertV aus vier Teilen.[48]
Besonders wichtig im Hinblick auf das Thema dieser Bachelor-Thesis ist der Sachverhalt, dass in Teil 3 der BelWertV Mindestkapitalisierungszinssätze und Mindestbewirtschaftungskosten als regulatorische Eingriffe festgelegt werden.[49]
Überprüfungspflicht
Neu aufgenommen wurde im § 26 BelWertV die Überprüfung der jeweiligen Grundlage der Beleihungswertermittlung, wenn Anhaltspunkte einer nicht unerheblichen Verschlechterung der Grundlagen auftreten. Insbesondere gilt dieses bei einer Verschlechterung des Preisniveaus (Sinken des Preisniveaus bis zu einem der Sicherheit der Beleihung gefährdenden Ausmaß) des betreffenden regionalen Immobilienmarktes. Sofern es dabei keine eigengenutzten Wohnimmobilien sind, ist eine Überprüfung ferner dann durchzuführen, wenn die Forderung, die mit dem Beleihungsobjekt abgesichert ist, einen Leistungsrückstand von mindestens 90 Tagen verzeichnet. Im Ergebnis dieser Überprüfung ist bei Bedarf eine Minderung des Beleihungswertes durchzuführen.[50]
Kleindarlehensgrenze
In § 24 BelWertV werden Erleichterungen für überwiegend wohnwirtschaftlich genutzte Objekte geregelt. Bis zu einer Darlehenshöhe von 400.000 EUR kann eine ver-einfachte Wertermittlung vorgenommen werden.[51]
Die Ermittlung des Beleihungswertes unterliegt grundsätzlich dem sog. Zwei-Säulen- Prinzip und stellt eine bankaufsichtsrechtliche Forderung dar. Verankert ist dieses Prinzip im § 4 Abs. 1 BelWertV der vorgibt, dass zur Ermittlung des Beleihungswertes grundsätzlich der Ertragswert und der Sachwert des Beleihungsobjekts getrennt in transparenter Weise zu ermitteln und auszuweisen sind. Der Sachwert dient dabei zur Stützung und Plausibilisierung der Ergebnisse. Im § 4 Abs. 3 BelWertV wird zudem festgelegt, dass für die Ermittlung des Beleihungswertes der Ertragswert maßgeblich ist. Somit ist dieser wertbestimmend für den Beleihungswert.[52] Der Ertragswert muss hinsichtlich der Nachhaltigkeit der angesetzten Erträge und ihrer Kapitalisierung geprüft und ggf. gemindert werden und zwar in dem Falle, dass der Ertragswert um mehr als 20 Prozent den Vergleichs- oder Sachwert des Beleihungsobjektes übersteigt. Ergibt sich bei der Überprüfung, dass der Ertragswert korrekt ermittelt wurde, ist dieses mittels nachvollziehbarer Begründung anzugeben. Ansonsten ist der Ertragswert entsprechend zu mindern.[53]
Erleichterungsregelungen bei der Anwendung des Zwei-Säulen-Prinzips sind in § 4 Abs. 2 und 5 BelWertV festgesetzt.
Besonderheiten bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen
Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen kann der Beleihungswert am Sachwert orientiert werden. Eine Ertragswertermittlung kann somit entfallen, wenn das zu bewertende Objekt nach Lage, Ausstattung und Zuschnitt zweifelsfrei zur Eigennutzung geeignet ist und am Markt als eigennutzungsfähiges Objekt dauerhaft platziert werden kann. In diesen Fällen kann sich der Beleihungswert auch an den nach § 19 BelWertV ermittelten Vergleichswert orientieren. Dabei kann die Ertragswert- und Sachwertermittlung entfallen (Ein-Säulen-Prinzip). Das Vergleichswertverfahren kann bei Ein- und Zweifamilienhäusern nur unter der Vor-aussetzung angewandt werden, dass aktuelle Vergleichspreise von mindestens fünf Objekten vorliegen, die auch hinsichtlich der Größe der Wohnfläche mit dem Beleihungsobjekt übereinstimmen.[54]
Bei der Ermittlung der Restnutzungsdauern sind nach §12 Abs. 2 BelWertV die Erfahrungssätze von üblichen Nutzungsdauern gemäß Anlage 2 zur BelWertV zu berücksichtigen. Diese Erfahrungssätze beziehen sich auf Objekte in Deutschland.
Die Verordnung bezieht sich bei dem §12 BelWertV, der die Kapitalisierung der Reinerträge vorgibt, auf Nutzungsdauern anstatt auf branchenüblich genannte Gesamtnutzungsdauern. Diese Bezeichnung wurde bewusst gewählt, um mit dem Begriff die wirtschaftliche Nutzungsdauer zu unterstreichen.[55]
Ein Vergleich dieser durch die BelWertV vorgegebenen Erfahrungssätze für die Nutzungsdauer von Immobilien (hierbei sind somit die Gesamtnutzungsdauern gemeint) mit denen der WertR 2006 zeigt, dass diese die in der Verkehrs-wertermittlung gebräuchlichen durchschnittlichen wirtschaftlichen Gesamtnutzungs-dauern überwiegend deutlich unterschreiten.
Tabelle 1: Vergleich der Erfahrungssätze für die Nutzungsdauern von baulichen Anlagen nach BelWertV mit den durchschnittlichen wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern nach WertR 2006
Quelle: Eigene Darstellung: In Anlehnung an: Anlage 2 BelWertV; Kleiber, W./Tillmann, H.-G., Tabellenhandbuch zur Ermittlung des Verkehrswerts und des Beleihungswerts, S. 5 f.
Bei den angegebenen Erfahrungssätzen der WertR 2006 handelt es sich um durchschnittliche wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauern bei ordnungsgemäßer...