3. Handelsmarkenprofilierung
3.1 Basismarkenstrategien
Die entsprechenden Handelsmarkenstrategien sind von jedem Handelsbetrieb individuell festzulegen. Sie sind abhängig von den Marketingzielen und orientieren sich in der Regel an den Gesamtzielen der Unternehmung. „Markenstrategien können: […] als bedingte, langfristige und globale Verhaltenspläne zur Erreichung der Markenziele definiert werden.“[101] Die Auswahl der verschiedenen markenpolitischen Optionen ist ein Hauptbestandteil innerhalb der Handelsmarkenpolitik. Sind diese wichtigen Grundsatzentscheidungen getroffen, können die Bereiche der Markengestaltung und der operativen Umsetzung der Handelsmarkenstrategien (markenpolitischer Marketingmix) gestaltet werden. Abschließend erfolgt dann die Implementierung der Handelsmarke in den Zielmarkt. Diese unterliegt einer permanenten Kontrolle im Rahmen des Markencontrollings[102]
„Die quantitative Entscheidung über die Anzahl an Produkten, die unter einer Marke geführt werden soll, legt die so genannte Kompetenzbreite einer Handelsmarke fest.“[103] Bei Handelsmarken wird analog zum Markenartikel der Hersteller u. a. zwischen Einzelmarken-, Warengruppen-, und Sortimentsmarken differenziert.[104]
(1) Einzelmarkenstrategie
Die Einzelmarkenstrategie ist dadurch gekennzeichnet, dass jedes Produkt unter einer eigenen Marke geführt wird. Aus diesem Grund wird sie auch oft als Monomarken- oder Produktmarkenstrategie bezeichnet. Klassisches Beispiel einer Handelsmarke, die als Einzelmarke im Sortiment geführt wird, ist die Marke „Tandil“ (Vollwaschmittel) von Aldi.
Die Einzelmarkenstrategie bietet verschiedene Chancen für den Markeneigner. Die gezielte Ansprache einzelner Kundensegmente, der Aufbau eines unverwechselbaren Produktimages oder auch die Vermeidung negativer Ausstrahlungseffekte auf andere Marken sind nur einige Vorteile, die aufgezählt werden können.[105] Die Risiken dieser Strategieausrichtung liegen darin begründet, dass jedes Produkt mit eigenem Markennamen die Markenaufwendungen (Markenbudget) selber tragen muss und dass aus diesem Grund ein hinreichend großes Marktvolumen notwendig ist, damit sich die getätigten Investitionen amortisieren. Aber auch der lange Zeitraum und die damit verbundenen Aufwendungen, bis eine Markenpersönlichkeit für die Einzelmarke aufgebaut worden ist, kann als ein Nachteil gewertet werden.[106]
(2) Warengruppenmarkenstrategie
Bei dieser Strategie, die auch als Familienmarkenstrategie bezeichnet wird, werden verschiedene Produkte der gleichen Warengruppe unter einer Handelsmarke geführt. Die verschiedenen Produkte erfüllen dabei auf optimale Weise ähnliche Bedürfnisse.[107] Eines der bekanntesten Beispiele für eine Warengruppenmarke stellt die Herstellermarke „Nivea“ dar. Im Bereich der Handelsmarken können z. B. die Kosmetik- und Pflegemarke „Today“ von Rewe oder die Eigenmarke „Mibell“ (Milchprodukte) von EDEKA als Warengruppenmarken identifiziert werden. Diese Strategie setzt voraus, dass alle Produkte innerhalb der Warengruppe ein äquivalentes Qualitätsniveau vorweisen müssen und die Marktbearbeitung (Marketing- Mix) für alle Produkte ähnlich ist.[108]
Die Warengruppenstrategie bietet die Chance, dass neue Produkte eine schnelle Akzeptanz beim Kunden finden (Marktdurchdringung), weil der Goodwill der bestehenden Produkte auf die neu eingeführten Folgeprodukte übertragen werden kann. Dadurch lässt sich das Floprisiko neuer Produkte verringern und die Aufwendungen für die Markteinführung senken. Auch die gegenseitige Stärkung der Marken innerhalb der Warengruppen und die somit zu erreichende bessere Positionsabsicherung können als Vorteile gewertet werden.[109]
Diesen Chancen stehen allerdings verschiedene Risiken gegenüber. Die Gefahr der Marktüberdehnung besteht dann, wenn um das Kernprodukt herum zu viele unterschiedliche Produkte positioniert werden. Hierdurch verschwimmt die einst deutliche Positionierung der Marke. Ein weiterer Nachteil der Warengruppenstrategie besteht in der Möglichkeit negativer Ausstrahlungseffekte (Badwill-Transfer). Ist ein Konsument mit einem Produkt innerhalb der Gruppe nicht zufrieden, wird er letztendlich diese negativen Erfahrungen mit der gesamten Warengruppe assoziieren. Aus diesem Grund ist es essential wichtig, dass das Qualitätsniveau und der Markenauftritt aller Produkte der Warengruppe identisch sind und im Rahmen des Marketing Mix einheitlich kommuniziert werden.[110] Der Discounter Lidl präferiert im Rahmen der Eigenmarkenpolitik eine Warengruppenstrategie. Im Bereich der Wurstwaren führt Lidl z. B. die Eigenmarke „Dulana“, im Bereich der Backwaren die Eigenmarke „Belbake“ und im Bereich der Hygieneartikel die Eigenmarke „Florolys“.
(3) Sortimentsmarkenstrategien
Anders als bei der Warengruppenmarkenstrategie wird bei dieser Ausrichtung: „[…] der Geltungsbereich der Marke noch weiter gefasst, indem er auf Produkte übertragen wird, die in keiner unmittelbaren Verbundbeziehung stehen.“[111] Die Nachteile, die zuvor bei der Warengruppenmarkenstrategie aufgeführt wurden, kommen hier noch stärker zur Geltung. Ein enorm großer Vorteil dieser Strategieausrichtung ist die Aufteilung des finanziellen und personellen Markenaufwands auf alle Produkte der Sortimentsmarken. Die Ansprüche an die Marke sind grundsätzlich gering. In diesem Bereich können verschiedene Marken aus der Praxis angeführt werden. Auf diese Art führen EDEKA die Marke „Gut&Günstig“, Rewe die hauseigene Marke „Ja“ und Real die Eigenmarke „Tip“ als Sortimentsmarke in ihren Einkaufsstätten. Alle diese Handelsmarken decken die verschiedensten Warenbereiche ab. EDEKA z. B. bietet unter der Marke „Gut&Günstig“ u. a. Wurstwaren, Käse, Milchprodukte, Mineralwasser, Süßwaren, Hundefutter und Tiefkühlprodukte in ihren Einkaufsstätten an.
„Fallen der Name der Betriebstypen- und Sortimentsmarke zusammen, so spricht man auch von einer Firmenmarke.“[112] Als aktuelles Beispiel kann hier die neue Qualitätsmarke „Rewe“ der Rewe Group angeführt werden. Ausgewählte Produkte sind dabei mit dem roten Rewe Logo markiert. Das Ziel einer Firmenmarkenstrategie ist es: „[…], die Präsenz und Bekanntheit beim Verbraucher zu stärken. Gleichzeitig soll der Markenaufwand für die Aufladung kleinerer Handelsmarken eingeschränkt werden.“[113] Rewe setzt diese Handelsmarkenstrategie konsequent um. Auf diese Weise hat der Konzern die bekannte Eigenmarke „ Füllhorn“ (Bio-Segment) 2008 zusätzlich aufgegeben und durch die neue Sortimentsmarke Rewe Bio ersetzt. Die Kennzeichnung der Handelsmarke durch die Betriebstypenmarke ist mit Vor- und Nachteilen verbunden: „Der Vorteil der großen Bekanntheit und Präsenz ist untrennbar mit einem gravierenden Nachteil verbunden: Eine Imageübertragung findet nicht nur im positiven Sinne, sondern auch im negativen Fall statt.“[114] Aus diesem Grund ist es bei der Anwendung dieser Handelsmarkenstrategie ausgesprochen wichtig, dass das Leistungsversprechen an den Kunden durch eine Vielzahl von Lebensmittelkontrollen und betriebsinterne Qualitätssicherungsprogramme gewährleistet ist. Bei EDEKA werden beispielsweise Lieferanten-Audits durchgeführt. Dabei erfolgen eine Prüfung und eine regelmäßige Kontrolle der Geschäftspartner auf Basis des internationalen Foodstandards.[115] Nur so können negative Szenarien, wie z. B. Lebensmittelskandale oder schlechte Ergebnisse der Verbrauchertests, welche die Eigenmarken betreffen und sich damit negativ auf die Betriebstypenmarke auswirken, vermieden werden.[116] Eine Qualitätsabsicherung zu 100% ist jedoch niemals möglich.
Rewe orientiert sich bei der Neupositionierung seiner Handelsmarken im Sortiment mitunter an dem Handelskonzern Tesco. Dieses ist die größte Handelskette in Großbritannien und führt seit vielen Jahren erfolgreich Eigenmarken in allen Sortimentsbereichen. Der Anteil der Handelsmarken in den Geschäftsstätten ist mit über 40 % ausgesprochen groß. Eine Vielzahl von Tesco Handelsmarken wird mit dem Tesco Firmenlogo markiert und als Firmenmarke geführt.[117]
3.2 Markenpositionierungsstrategien
Im Rahmen der strategischen Handelsmarkenpositionierung wird festgelegt: „welches Anspruchsniveau die Marke zu erfüllen hat.“[118] Dabei geht es inhaltlich darum, zu bestimmen, welches Image für die jeweilige Handelsmarke beim Konsumenten aufgebaut werden soll. „Die Positionierung will damit gezielt bestimmte Gedächtnisstrukturen und Vorstellungsbilder zur Marke aufbauen, die klare Markenpräferenzen schaffen sollen.“[119] Die qualitative Entscheidung darüber, welche Position eine Handelsmarke einnehmen soll, stellt somit eine der wichtigsten Determinanten im Rahmen...