Zusammenfassung
Unternehmen, die durch kontinuierliche Verbesserung ihre Kernprozesse schlank und effizient halten und ständig die gesamte Wertschöpfungskette im Blick haben, überstehen meist auch wirtschaftlich schwierige Phasen. Allerdings fehlt es in Boomphasen mit hohem Auftragseingang und hochtouriger Produktion bzw. Dienstleistung häufig an Zeit und an hauseigenem Wissen und Können, um die Prozesse zu optimieren. Mit Hilfe externer Berater werden zumeist nur Effekte von kurzer Dauer erzielt. Was in Boomzeiten versäumt wurde, kann aber gerade in Zeiten freier Kapazitäten nachgeholt werden: Statt Personal nach Hause zu schicken, werden gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern die wichtigsten Wertschöpfungsprozesse überprüft und verbessert. Dieses erfordert eine strikte Projektorganisation. Leistungsträger, die unbedingt an Bord bleiben sollen, fassen durch die neue Aufgabe Mut. Die Projekte vermitteln „Sicherheit", weil für die Zukunft gearbeitet wird,
sie geben „Sinn", denn die Ergebnisse sind messbar, und durch die neuen Rollen im Projektmanagement und die intensive, zweckgebundene Zusammenarbeit in neu geschaffenen Teams stabilisieren sie den „Status" der Mitarbeiter. An Beispielen aus dem Dienstleistungssektor und der Produktion - einschließlich Forschung und Entwicklung und Vertrieb - wird dieser Ansatz verdeutlicht.
Problemstellung
Wenn die Auswirkungen weltweiter wirtschaftlicher Erschütterungen ganze Branchen und die einzelnen Unternehmen erreicht haben, sinken Umsätze und Erträge - und dann haben die Steuerung und der Erhalt der Liquidität höchste Priorität. Droht dann noch eine Kreditklemme, weil die Banken ihre Risikosteuerung verschärfen bzw. der Kreis relevanter Kreditgeber für den Mittelstand kleiner geworden ist, ist die Finanzierungsfrage das Topthema. Der schwierige Balanceakt zwischen Finanzierung, Liquidität und Kostenmanagement auf der einen Seite und der Investition in das vorhandene Personal auf der anderen Seite muss in jedem Betrieb je nach Lage und Perspektive entschieden und gemeistert werden. Letztendlich geht es um die Frage: Können wir es uns finanziell erlauben (und haben wir den Mut), bei einer zwar stürmischen Großwetterlage, aber einer Auftragsflaute im Betrieb die unternehmerischen Wertschöpfungsprozesse zusammen mit den vorhandenen Mitarbeitern zu verbessern, oder müssen wir sie nach Hause schicken? Hier wird die erste Variante mit ihren Möglichkeiten und Chancen beschrieben.
Wertschöpfung verbessern
Unternehmen müssen ständig auf allen Ebenen und mit allen Instrumenten ihre Funktionsfähigkeit, Effizienz und Effektivität überprüfen und verbessern. Wird dieses in „guten Zeiten" versäumt, sind die Strukturen und Prozesse nicht optimal gestaltet und liegt die reale Wertschöpfungsquote zwischen 50 und 70 %, wird es sofort sehr kritisch, wenn die Geschäfte mäßig laufen und die Prognosen düster sind.
Wenn dann zu heftig gespart wird, ist irgendwann die Personaldecke so dünn und das Betriebswissen so geschwächt, dass es nur noch eines Hauchs bedarf - und das Unternehmen fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Gerade aber in schwierigen Zeiten ist ein Produktivitätsmanagement gefragt, durch das die gesamte Organisation einschließlich ihrer Prozesse für den nächsten Aufschwung vorbereitet wird. Nicht Rausschmiss ist angesagt, sondern die wirkliche Nutzung der Humanressourcen. Denn das Betriebswissen der Mitarbeiter ist mehr wert als das von professionellen Beratern.
Der Altmeister der Managementlehre, Peter F. Drucker, hat sich vor Jahren mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Seine Thesen sind auch heute noch aktuell. Den Mitarbeitern räumt er eine hohe Bedeutung bei Fragen der Produktivitätssteigerung ein: „Fragen Sie die Leute, die die Arbeit ausführen, wenn Sie herausbekommen wollen, wie sich Produktivität, Qualität und Leistung verbessern lassen." (Drucker 2005, S. 46).
Aber wenn Unternehmen in ihrem „Lebenslauf" einen kritischen Punkt erreicht haben und Trägheit und mangelnde Effizienz offensichtlich werden, haben die Entscheider selten Vertrauen in das Potenzial der eigenen Belegschaft. Man arbeitet eher gegen die eigene Mannschaft, wenn es um Rationalisierungsmaßnahmen geht. Der folgende Satz steht stellvertretend für diese geistige Haltung: „Wenn Du einen Sumpf trocken legen willst, frag nicht die Frösche um Rat."
Dann schlägt die Stunde der externen Berater und eines Ad-hoc-Verfahrens zur Verbesserung von Prozessen und Ergebnissen. Die Resultate solcher Verfahren sind aber häufig problematisch. In der Praxis lassen sich die errechneten Rationalisierungspotenziale oft nicht ohne Weiteres durch die vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen. Bei Leistungsanalysen - wie der Gemeinkosten-Wert-Analyse zum Beispiel - bleibt das
komplexe organisatorische Gefüge weitgehend unberücksichtigt und außerdem kommen sozialpsychologische Störungen in der Belegschaft hinzu.
Vor der Einbeziehung externer Berater sollte man daher folgende Punkte bedenken:
- Gemeinkosten-wertanalytischorientierte Ansätze (GWA) weisen Rationalisierungspotenziale in Einzelbereichen nach, ohne die Aus- und Wechselwirkungen im gesamten Leistungsgefüge zu benennen. So kommt es vor, dass man an einer Stelle Leistungen reduziert, die an anderer Stelle zwangsläufig wieder aufgenommen werden, um die Gesamtleistung nicht zu gefährden. Die Kostenersparnis ergibt sich nur auf dem Papier, in der Praxis ist es ein - allzu teures - Null-Summen-Spiel.
- Organisationsberatern eilt häufig ein zweifelhafter Ruf voraus, was zu Abwehrreaktionen bei den Mitarbeitern führen kann. In einem Klima des Misstrauens entstehen aber kaum brauchbare Untersuchungsergebnisse, auf die man sich verlassen kann. Berater verweisen bei diesem Argument meist auf ihre Erfahrung und ihre Kontroll-Durchschnittswerte. Wozu dann aber der ganze scheinempirische Aufwand, wenn doch nur Norm-Kennziffern übernommen werden?
- Untersuchungen dieser Art sind Einmalmaßnahmen. Die Gefahr ist groß, dass die Effekte nur kurzfristig sind, wie bei dem Bauern, der mit dem teuer eingekauften Agrarberater die Vögel von seinem frisch eingesäten Acker verbannen will: Der Berater klatscht in die Hände, die Vögel fliegen auf - der Berater kassiert und geht. Die Vögel fallen wieder ein, allerdings jeder Vogel an einer anderen Stelle.