Erfolgreiches Lauftraining beginnt im Kopf
Der erste Schritt auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im Lauftraining, den wir mit Ihnen gemeinsam tun wollen, ist herauszufinden, weshalb Sie überhaupt laufen wollen. Unter Nachhaltigkeit verstehen wir in diesem Zusammenhang die Zukunftsfähigkeit: dass Sie sich durch Ihr Training nicht überfordern, sondern lernen, mit Ihren Ressourcen hauszuhalten und diese nach und nach Ihrem Leistungsstand entsprechend zu erweitern.
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Lao Tse, 6. Jh. v. Chr.
Am Anfang steht also die Frage nach der Motivation. Sie stellt die Grundvoraussetzung für eine spätere Trainingsplanung dar. Deshalb sollten Sie sich zunächst darüber klar werden, weshalb Sie laufen oder laufen möchten.
Die folgenden Seiten sollen Ihnen einen kleinen Einblick in die Sportpsychologie geben. Unabhängig von Ihrem derzeitigen Leistungsstand können Ihnen psychologische Aspekte helfen, Ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Ob Sie nur laufen, um sich fit zu halten, oder ob Sie bei Ihrem nächsten Marathon die Drei-Stunden-Marke knacken wollen, ist dabei unerheblich.
Körperliches Training und Ihre Ernährung bilden das Grundgerüst Ihrer Leistungsfähigkeit. Die Methoden der Sportpsychologie aber können entscheidend dazu beitragen, dass Sie im richtigen Moment Ihre volle Leistung abrufen können.
Was ist Motivation?
Fällt es Ihnen auch manchmal schwer, sich nach einem langen und anstrengenden Tag zum abendlichen Lauftraining aufzuraffen? Haben Sie sich schon oft vorgenommen, vor dem Frühstück eine kurze Runde durch den Park zu drehen – und es doch nicht getan? Wie kommt es, dass es für die einen manchmal so schwierig ist, ihren inneren Schweinehund zu überwinden, während andere Läufer damit anscheinend keinerlei Probleme haben? Die jeweilige innere Einstellung, die Motivation der Sportler, ist der entscheidende Unterschied.
Manchen Läufern genügen zwei lockere Trainingsläufe pro Woche, während andere schon von Gewissensbissen verfolgt werden, sobald sie an einem Tag mal nicht in die Laufschuhe gestiegen sind. Um solche grundsätzlichen Unterschiede in der inneren Einstellung zu erklären, teilt der britische Mentaltrainer Franck Dick die Menschen in mountain people und valley people ein. Valley people mögen es bequem. Sie verlassen ihre Komfortzone äußerst ungern und reden zwar gern über Veränderungen, sind aber in der Regel zu träge, um wirklich etwas zu bewirken. Ihre Sätze beginnen oft mit »Ich würde«, »Ich hätte«, »Ich könnte« und anderen Konjunktiven. Morgens drehen sich die valley people lieber noch einmal im Bett um, nehmen anstelle der anstrengenden Stufen die Rolltreppe, verschieben ihre Trainingseinheiten öfter mal auf den nächsten Tag oder lassen sie sogar ganz ausfallen. Mountain people dagegen reden nicht über Veränderung, sondern handeln einfach. Sie stellen sich allen neuen Herausforderungen und sind jederzeit bereit, allen äußeren und inneren Widrigkeiten, also auch ihrem inneren Schweinehund, zu trotzen, um ihre Ziele zu verfolgen.
Sie zählen wahrscheinlich eher zu den mountain people!
In unserem Buch wollen wir anhand von praktischen Beispielen sowohl den verschiedenen Ausprägungen der Motivation im Allgemeinen als auch Ihrer persönlichen Einstellung zum Laufen im Speziellen ein wenig näher auf den Grund gehen.
Ihre Einstellung zum Laufen und zur körperlichen Aktivität im Allgemeinen ist direkt durch Ihre Motivation bedingt. Der Begriff Motivation ist abgeleitet vom lateinischen Wort motus, das auf Deutsch »Bewegung« bedeutet. In der Psychologie beschreibt dieser Begriff die emotionale, neuronale Aktivität in Bezug auf eine ganz bestimmte Zielrichtung,
Da Sie dieses Buch in den Händen halten, gehen wir davon aus, dass es Ihnen nicht an der nötigen Motivation mangelt, um mit dem Laufen anzufangen oder Ihre derzeitige Leistung auszubauen. Über eine entsprechende Anfangsmotivation verfügen Sie also schon.
Laufen liegt im Trend, und es gehört schon fast in den Lebenslauf eines jeden Managers, irgendwann im Leben einen Marathon gelaufen zu sein. Leider bleiben viele dieser Läufer nach dem Bestehen der selbst auferlegten Prüfung nicht dabei. Das Ziel, auf das sie so lange hingearbeitet haben, ist ja nun erreicht, und damit fällt auch der Hauptbeweggrund für das Training auf einmal weg. Ebenso ergeht es vielen Profisportlern, wenn sie ihren Saisonhöhepunkt absolviert haben. Dies scheint eine natürliche Reaktion des Menschen zu sein: Wenn er ein hart erarbeitetes Ziele erreicht, fällt er »in ein Motivationsloch«. Was bei vielen Managern, die einen Marathon laufen, noch hinzukommt, ist, dass ihnen die Grundlagen an Kraft, Koordination und Beweglichkeit fehlen. In der Regel haben sie zwar ihr Herz-Kreislauf-System durch intensives Ausdauertraining auf diesen Wettkampf vorbereitet. Mangelndes Training des Bewegungsapparates führt jedoch oft zu Schmerzen nach der Belastung, die so demotivierend sein können, dass man sofort wieder in alte Gewohnheiten zurückfällt.
Unser Ziel ist es, Sie sowohl körperlich als auch mental so auf das Laufen vorzubereiten, dass Sie dauerhaft Gefallen an dieser Bewegungsform finden. Freuen Sie sich auf den Weg, der vor Ihnen liegt, denn wenn Sie ihn erst einmal zurückgelegt haben, können Sie sich nicht nur weiterhin zum Laufen motivieren, sondern auch andere sportliche und private Ziele viel einfacher erreichen.
Von positiver Motivation sprechen wir, wenn uns das Ziel unserer Aktivität in unserem Verhalten bestärkt. Löst etwa das Laufen bei uns große Glücksgefühle aus, wollen wir diesen Zustand immer wieder erleben. Wir nennen dieses Hochgefühl beim Laufen runner’s high. Bei vielen Menschen stellt sich dieser glückliche Gemütszustand gar nicht während des Laufens, sondern erst im Anschluss an die Laufeinheit ein, wenn sie frisch geduscht sind. Das wohlige Gefühl des runner’s high entsteht, wenn unter körperlicher Belastung vermehrt Endorphine ausgeschüttet werden. Der deutsche Wissenschaftler Henning Boecker konnte dieses Phänomen 2008 in einer Studie wissenschaftlich nachweisen.
Wann und wie Läufer diesen Zustand erreichen können, ist aber leider nicht abschließend geklärt. In manchen Quellen wird behauptet, dass mindestens 60 Minuten in einer sehr hohen Intensität gelaufen werden muss (bei über 80% der maximalen Leistungsfähigkeit), bis es zu der ersehnten Endorphinausschüttung kommt. Die Datenlage zu diesen Behauptungen ist jedoch sehr dünn, und nicht wenige Läufer, die schon lange laufen, haben das runner’s high noch nie erlebt. Wenn Ihnen dieser Zustand völlig fremd ist, kann das daran liegen, dass Sie sich bislang entweder zu viel zugemutet haben oder Sie noch nicht weit genug aus Ihrer Komfortzone herausgekommen sind. Vielleicht sind Sie aber auch einfach nicht der Typ dazu.
Um eine negative Motivation handelt es sich, wenn die Art und Weise, wie wir unsere Ziele formulieren, mit einem negativen Bild zusammenhängt. Ein Beispiel wäre hier: »Ich gehe regelmäßig laufen, damit ich nicht noch dicker werde.« Es wird also versucht, mit dem Laufen einen negativen Zustand zu vermeiden. Wie Sie wahrscheinlich gut nachvollziehen können, sind Sie bei so einer Zielvorstellung natürlich mit viel weniger Freude oder schlimmstenfalls sogar mit ständigem Frust beim Laufen. Demotivierend hingegen ist es, wenn Ihnen das Laufen nicht gut tut und Sie sich immer wieder fragen, weshalb Sie sich das eigentlich antun. Da können Ihre Ziele noch so positiv formuliert sein – wenn Sie immer wieder Schmerzen beim Laufen haben, werden Sie früher oder später an einen Punkt gelangen, wo Sie den Sinn der sportlichen Tätigkeit anzweifeln.
Es steht außer Frage, dass man sich nicht immer wie ein Weltmeister fühlen kann. Wenn aber das Laufen dauerhaft zur Last wird und Sie keine positiven Effekte spüren, lässt die Motivation unweigerlich nach, und Sie beginnen, über Alternativen zum Laufen nachzudenken. Sie suchen nach einem Weg, den negativen Zielzustand zu vermeiden.
Folgende Grafik stellt diese Zusammenhänge vereinfacht dar:
Lassen Sie es jedoch gar nicht so weit kommen, dass Sie die Freude am Laufen verlieren. Sobald sie merken, dass Ihre Motivation schwindet, sollten Sie einen Gang zurückschalten und neue Elemente in Ihr Training einbauen. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie sich einen Trainingspartner oder eine Laufgruppe suchen, um wieder Lust am Laufen zu bekommen.
Letztendlich sind es immer wieder kleinere oder größere Anreize, die Sie erneut zum Laufen bewegen können. Für diejenigen, die sowieso schon fit sind und die seit Jahren aktiv und regelmäßig laufen, reichen schon kleine Anreize aus, z.B. sich mit guten Freunden für einen Laufwettkampf anzumelden oder mit Gleichgesinnten auch bei schlechtem Wetter eine Runde laufen zu gehen, weil Sie dabei anregende Gespräche führen können.
Die große Masse der Läufer benötigt jedoch deutlich größere Reize, um auch bei Wind und Wetter immer wieder laufen zu gehen. Wenn Sie zu diesem Personenkreis gehören, brauchen Sie ständig eine Abwechslung, neue Anreize und Ziele. Was können diese Anreize sein? Für den einen ist es der erhoffte Stressabbau durch die Bewegung, für den anderen kann der Anreiz darin bestehen, der Traumfigur einen Schritt näher zu kommen oder den inneren Schweinehund ein weiteres Mal zu besiegen. Oder Sie gönnen sich nach Ihrem Training...