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Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung

Vollständige Ausgabe

AutorFriedrich Schiller
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl373 Seiten
ISBN9783849635176
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Im Jahr 1789 nahm Schiller eine Professur in Jena an und lehrte dort als Historiker, obgleich er Professor der Philosophie war. Qualifiziert hatte er sich insbesondere mit seiner Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande.

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Leseprobe

 


Philipp der Zweite empfing die Niederlande in der höchsten Blüthe ihres Wohlstandes. Er war der erste ihrer Fürsten, der sie vollzählig antraf. Sie bestanden nunmehr aus siebenzehn Landschaften: den vier Herzogtümern Brabant, Limburg, Luxemburg, Geldern, den sieben Grafschaften Artois, Hennegau, Flandern, Namur, Zütphen, Holland und Seeland, der Markgrafschaft Antwerpen und den fünf Herrlichkeiten Friesland, Mecheln, Utrecht, Oberyssel und Gröningen, welche verbunden einen großen und mächtigen Staat ausmachten, der mit Königreichen wetteifern konnte. Höher, als er damals stand, konnte ihr Handel nicht mehr steigen. Ihre Goldgruben waren über der Erde, aber sie waren unerschöpflicher und reicher, als alle Minen in Amerika. Diese siebenzehn Provinzen, die zusammengenommen kaum den fünften Theil Italiens betragen und sich nicht über dreihundert flandrische Meilen erstrecken, brachten ihrem Beherrscher nicht viel weniger ein, als ganz Britannien seinen Königen trug, ehe diese noch die geistlichen Güter zu ihrer Krone schlugen. Dreihundert und fünfzig Städte, durch Genuß und Arbeit lebendig, viele darunter ohne Bollwerke fest, und ohne Mauern geschlossen, sechstausend dreihundert größere Flecken, geringere Dörfer, Maiereien und Bergschlösser ohne Zahl vereinigen dieses Reich in eine einzige blühende Landschaft. Eben jetzt stand die Nation im Meridian ihres Glanzes; Fleiß und Ueberfluß hatten das Genie des Bürgers erhoben, seine Begriffe aufgehellt, seine Neigungen veredelt; jede Blüthe des Geistes erschien mit der Blüthe des Landes. Ein ruhigeres Blut, durch einen strengeren Himmel gekältet, läßt die Leidenschaften hier weniger stürmen; Gleichmuth, Mäßigkeit und ausdauernde Geduld, Geschenke dieser nördlichern Zone; Redlichkeit, Gerechtigkeit und Glaube, die notwendigen Tugenden seines Gewerbes; und seiner Freiheit liebliche Früchte, Wahrheit, Wohlwollen und patriotischer Stolz spielen hier in sanftern Mischungen mit menschlicheren Lastern. Kein Volk auf Erden wird leichter beherrscht durch einen verständigen Fürsten, und keines schwerer durch einen Gaukler oder Tyrannen. Nirgends ist die Volksstimme eine so unfehlbare Richterin der Regierung, als hier. Wahre Staatskunst kann sich in keiner rühmlichern Probe versuchen, und sieche gekünstelte Politik hat keine schlimmere zu fürchten.

 

Ein Staat, wie dieser, konnte mit Riesenstärke handeln und ausdauern, wenn das dringende Bedürfniß seine Kraft aufbot, wenn eine kluge und schonende Verwaltung seine Quellen eröffnete. Karl der Fünfte verließ seinem Nachfolger eine Gewalt in diesen Ländern, die von einer gemäßigten Monarchie wenig verschieden war. Das königliche Ansehen hatte sich merklich über die republikanische Macht erhoben, und diese zusammengesetzte Maschine konnte nunmehr beinahe so sicher und schnell in Bewegung gesetzt werden, als ein ganz unterwürfiger Staat. Der zahlreiche, sonst so mächtige Adel folgte dem Souverän jetzt willig in seinen Kriegen oder buhlte in Aemtern des Friedens um das Lächeln der Majestät. Die verschlagene Politik der Krone hatte neue Güter der Einbildung erschaffen, von denen sie allein die Vertheilerin war. Neue Leidenschaften und neue Meinungen von Glück verdrängten endlich die rohe Einfalt republikanischer Tugend. Stolz wich der Eitelkeit, Freiheit der Ehre, dürftige Unabhängigkeit einer wollüstigen lachenden Sklaverei. Das Vaterland als unumschränkter Satrap eines unumschränkten Herrn zu drücken oder zu plündern, war eine mächtigere Reizung für die Habsucht und den Ehrgeiz der Großen, als den hundertsten Theil der Souveränetät auf dem Reichstag mit ihm zu theilen. Ein großer Theil des Adels war überdies in Armuth und schwere Schulden versunken. Unter dem scheinbaren Vorwand von Ehrenbezeugungen hatte schon Karl der Fünfte die gefährlichsten Vasallen der Krone durch kostbare Gesandtschaften an fremde Höfe geschwächt. So wurde Wilhelm von Oranien mit der Kaiserkrone nach Deutschland und Graf von Egmont nach England geschickt, die Vermählung Philipps mit der Königin Maria zu schließen. Beide begleiteten auch nachher den Herzog von Alba nach Frankreich, den Frieden zwischen beiden Kronen und die neue Verbindung ihres Königs mit Madame Elisabeth zu stiften. Die Unkosten dieser Reise beliefen sich auf dreihunderttausend Gulden, wovon der König auch nicht einen Heller ersetzte. Als der Prinz von Oranien, an der Stelle des Herzogs von Savoyen, Feldherr geworden war, mußte er allein alle Unkosten tragen, die diese Würde nothwendig machte. Wenn fremde Gesandte oder Fürsten nach Brüssel kamen, lag es den niederländischen Großen ob, die Ehre ihres Königs zu retten, der allein speiste und niemals öffentliche Tafel gab. Die spanische Politik hatte noch sinnreichere Mittel erfunden, die reichsten Familien des Landes nach und nach zu entkräften. Alle Jahre erschien einer von den castilianischen Großen in Brüssel, wo er eine Pracht verschwendete und einen Aufwand machte, der sein Vermögen weit überstieg. Ihm darin nachzustehen, hätte in Brüssel für einen unauslöschlichen Schimpf gegolten. Alles wetteiferte, ihn zu übertreffen, und erschöpfte in diesen theuern Wettkämpfen sein Vermögen, indessen der Spanier noch zur rechten Zeit wieder nach Hause kehrte und die Verschwendung eines einzigen Jahres durch eine vierjährige Mäßigkeit wieder gut machte. Mit jedem Ankömmling um den Preis des Reichthums zu buhlen, war die Schwäche des niederländischen Adels, welche die Regierung recht gut zu nutzen verstand. Freilich schlugen diese Künste nachher nicht so glücklich für sie aus, als sie berechnet hatte; denn eben diese drückenden Schuldenlasten machten den Adel jeder Neuerung günstiger, weil Derjenige, welcher alles verloren, in der allgemeinen Verwüstung nur zu gewinnen hat.

 

Die Geistlichkeit war von jeher eine Stütze der königlichen Macht und mußte es sein. Ihre goldene Zeit fiel immer in die Gefangenschaft des menschlichen Geistes, und wie jene sehen Wir sie vom Blödsinn und von der Sinnlichkeit ernten. Der bürgerliche Druck macht die Religion notwendiger und theurer; blinde Ergebung in Tyrannengewalt bereitet die Gemüther zu einem blinden, bequemen Glauben, und mit Wucher erstattet dem Despotismus die Hierarchie seine Dienste wieder. Die Bischöfe und Prälaten im Parlamente waren eifrige Sachwalter der Majestät und immer bereit, dem Nutzen der Kirche und dem Staatsvortheil des Souveräns das Interesse des Bürgers zum Opfer zu bringen. Zahlreiche und tapfere Besatzungen hielten die Städte in Furcht, die zugleich noch durch Religionsgezänke und Faktionen getrennt und ihrer mächtigsten Stütze so ungewiß waren. Wie wenig erforderte es also, dieses Uebergewicht zu bewahren, und wie ungeheuer mußte das Versehen sein, wodurch es zu Grunde ging!

 

So groß Philipps Einfluß in diesen Ländern war, so großes Ansehen hatte die spanische Monarchie damals in ganz Europa gewonnen. Kein Staat durfte sich mit ihr auf den Kampfboden wagen. Frankreich, ihr gefährlichster Nachbar, durch einen schweren Krieg und noch mehr durch innere Faktionen entkräftet, die unter einer kindischen Regierung ihr Haupt erhuben, ging schon mit schnellen Schritten der unglücklichen Epoche entgegen, die es, beinahe ein halbes Jahrhundert lang, zu einem Schauplatz der Abscheulichkeit und des Elends gemacht hat. Kaum konnte Elisabeth von England ihren eignen, noch wankenden Thron gegen die Stürme der Parteien, ihre neue, noch unbefestigte Kirche gegen die verborgenen Versuche der Vertriebenen schützen. Erst auf ihren schöpferischen Ruf sollte dieser Staat aus einer demüthigen Dunkelheit steigen und die lebendige Kraft, womit er seinen Nebenbuhler endlich darniederringt, von der fehlerhaften Politik dieses letztern empfangen. Das deutsche Kaiserhaus war durch die zweifachen Bande des Bluts und des Staatsvortheils an das spanische geknüpft, und das wachsende Kriegsglück Solimans zog seine Aufmerksamkeit mehr auf den Osten als auf den Westen von Europa. Dankbarkeit und Furcht versicherten Philipp die italienischen Fürsten, und das Conclave beherrschten seine Geschöpfe. Die Monarchien des Nordens lagen noch in barbarischer Nacht oder fingen nur eben an, Gestalt anzunehmen, und das Staatssystem von Europa kannte sie nicht. Die geschicktesten Generale, zahlreiche sieggewohnte Armeen, eine gefürchtete Marine und der reiche goldne Tribut, der nun erst anfing, regelmäßig und sicher aus Westindien einzulaufen – welche furchtbare Werkzeuge in der festen und steten Hand eines geistreichen Fürsten! Unter so glücklichen Sternen eröffnete König Philipp seine Regierung.

 

Ehe wir ihn handeln sehen, müssen wir einen flüchtigen Blick in seine Seele thun und hier einen Schlüssel zu seinem politischen Leben aufsuchen. Freude und Wohlwollen fehlten in diesem Gemüthe. Jene versagten ihm sein Blut und seine frühen finstern Kinderjahre; dieses konnten Menschen ihm nicht geben, denen das süßeste und mächtigste Band an die Gesellschaft mangelte. Zwei Begriffe, sein Ich, und was über diesem Ich war, füllten seinen dürftigen Geist aus. Egoismus und Religion sind der Inhalt und die Ueberschrift seines ganzen Lebens. Er war König und Christ, und war beides schlecht, weil er beides vereinigen wollte; Mensch für Menschen war er niemals, weil er von seinem Selbst nur aufwärts, nie abwärts stieg. Sein Glaube war grausam und finster, denn seine Gottheit war ein schreckliches Wesen. Er hatte nichts mehr von ihr zu empfangen, aber zu fürchten. Dem geringen Mann erscheint sie als...

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