Der Startschuss für die Kommerzialisierung des Internets begann bereits Mitte der 90er Jahre. Das Internet etablierte sich allmählich als Massenmedium und die ersten großen Unternehmen siedelten ihr Geschäftsmodell online an. Bereits frühzeitig erschienen auch Modelle mit sozialen Komponenten am Markt. Dabei sind als erste große Vorreiter dieses sogenannten Social Commerce Amazon und eBay zu nennen.[35] Sie entgegneten dem Problem der Distanz zu den Produkten mit einem Bewertungssystem. So konnte ein potenzieller Käufer das Produkt zwar nicht probieren oder haptisch erfühlen. Jedoch schufen die Meinungen anderer Nutzer, die das Produkt bereits erworben haben, Transparenz und Vertrauen. Kaufentscheidungen wurden dadurch positiv beeinflusst und bereits damals nutzte man damit erste soziale Komponenten im Einkaufsverhalten. Durch die Einführung von Leserbewertungen bei Büchern und einem Empfehlungsprinzip revolutionierte Amazon das Internet und gehörte zu den Pionieren des Social Commerce.[36] Auch eBay setzte von Beginn an verstärkt auf Empfehlungen von Nutzern. Durch das Bewerten von Käufer und Verkäufer nach Abschluss des Kaufprozesses entstand soziale Interaktion von Anbieter und Nachfrager, durch welche der Erfolg von eBay erst möglich gemacht wurde.[37] Dabei sind die User vollständig selbst für ihr gesamtes Handeln verantwortlich. eBay bietet nur die Plattform.
Sowohl Amazon als auch eBay können demnach als Vorreiter gesehen werden. Bereits Jahre vor der eigentlichen Entwicklung von Social Media als solches, legten diese den Grundstein für den erfolgreichen Einsatz sozialer Interaktion im Internet. Trotzdem sollte es noch Jahre dauern, bis im Internet der Nutzer tatsächlich im Vordergrund steht. Das nächste Kapitel beleuchtet diese Veränderung genauer.
Das Kaufverhalten im Internet hat sich im Rahmen der Entwicklung und Etablierung sozialer Medien stark verändert. Im klassischen E-Commerce wurde die Kommunikation in erster Linie vom Händler bestimmt. Die Beziehung zwischen dem Kunden und dem Unternehmen war also einseitig. Unternehmen agierten als Produzenten, wohingegen die Kunden die Produkte konsumierten. In einem normalen Internet-Shop gab es weder die Absicht, noch die Möglichkeit von Interaktion oder Beteiligung.[38] Mit dem Erfolg von Amazon und eBay stellte sich hier das erste Umdenken ein. Und seit der Etablierung von Web 2.0 kamen die Beziehungen weiter in den Vordergrund. Eine zusätzliche kommunikations- und kooperationsorientierte Ebene entstand[39] und Kunden wurden vom passiven Käufer zum aktiven Mitbestimmer.
Abbildung 4: Entwicklung E-Commerce zu Social Commerce[40]
In Abbildung 4 wird diese Entwicklung deutlich. Produzent und vor allem Händler agieren unabhängig von ihrem Kunden. Eine gegenseitige direkte Kommunikation ist nahezu ausgeschlossen. Auch zwischen den Kunden selbst herrscht keine Verbindung. Ob ein Käufer also zufrieden ist oder nicht, war damit unbekannt. Ganz anders dagegen der Social Commerce. Die Kommunikationsplattform steht im Mittelpunkt und die Interaktion von Produzent und Kunde wird dadurch forciert. So stellt das Web 2.0 und die dazugehörigen Social Media Tools nicht mehr das Produkt in den Mittelpunkt, sondern den Mensch und die Interaktion miteinander.
Wie bereits mehrfach in vorangegangenen Kapiteln festgestellt, findet die Kommunikation der Gesellschaft vermehrt auf sozialen Netzwerken im Internet statt. Diese Entwicklung als Unternehmen strategisch zu nutzen und als Teil des Marketings einzusetzen ist bereits in vollem Gange. Jedoch nicht selbstverständlich ist das Hinarbeiten auf die gezielte Monetarisierung, also das Geschäfte machen auf und mit Hilfe von Social Media, insbesondere durch soziale Netzwerke. Zu Beginn dieser Arbeit wurde bereits die Frage gestellt: Geht Social Commerce überhaupt konform mit der eigentlichen Natur des sozialen Miteinanders in Internet-Communitys? Steimel spricht davon, dass es schlicht zur sozialen Intelligenz der Menschen gehört, voneinander zu lernen, an Verbesserungen mitzuarbeiten und Empfehlungen auszusprechen.[41] Und auch die folgenden Kapitel werden aufzeigen, dass die Entwicklung der Gesellschaft ein Bedürfnis herausbildet, dass mit Social Commerce bedient werden möchte.
Die Möglichkeiten des Web 2.0 treiben natürlich bestimmte Entwicklungen voran. Die Beteiligung der Nutzer an den Kaufprozessen und an der Produktentwicklung steigert sich stetig. Die technische Entwicklung bietet die Grundlage dafür[42] und ermöglicht eine neue Rolle des Konsumenten. Dieser entwickelt sich mehr und mehr zu etwas, das als Social Consumer bezeichnet wird. Diese informieren sich vor dem Kauf neuer Produkte vorwiegend mit den Möglichkeiten des Web 2.0. Also durch Weiterempfehlungen und Bewertungen anderer Nutzer auf den Internetseiten und auf sozialen Netzwerke wie Facebook. Zudem sucht der neue Konsument die Interaktion und den Kontakt zu anderen Kunden und zu dem jeweiligen Unternehmen und fordert dieses auf zur Beteiligung. So agiert der Konsument heute auch als Verkäufer und beteiligt sich als Co-Produzent an der Produktentwicklung.[43] Eine Weiterentwicklung dieses Konzeptes ist der SoLoMo Konsument.[44] Dabei wird der Entwicklung Rechnung getragen, dass der Konsument heute sozialer, lokaler und mobiler einkauft als je zuvor.[45]
So passt auch das Ergebnis einer Studie von PricewaterhouseCoopers vom Februar 2012. Social Media beeinflusst bereits massiv die Kaufentscheidung der Nutzer. Fast ein Viertel der Studienteilnehmer informiert sich bereits in sozialen Medien über Produkte, Dienstleistungen und Veranstaltungen. Für die überwiegende Mehrheit von 68 Prozent sind zudem Empfehlungen anderer Nutzer ein wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung. Und 72 Prozent der Nutzer haben sogar bereits ihre getroffene Kaufentscheidung revidiert, nachdem sie Kommentare und Bewertungen anderer Nutzer gelesen haben.[46]
Zusätzlich lässt sich der soziale Konsument, oder eben Social Consumer, in drei Gruppen unterscheiden. Diejenigen, die aktiv Beiträge und Empfehlungen verfassen. Des Weiteren Kunden, die zusätzlich als Verkäufer auftreten und Kunden die sich nur informieren und sich dadurch beeinflussen lassen.[47] Insgesamt trifft diese Art der Kommunikation und der neue Umgang mit dem Medium Internet auf die gesellschaftliche Neu-Entwicklung der „Digital Natives“ zu. Die neue Generation von Menschen im Alter von 15 bis ca. 30 Jahren, die mit dem Internet aufgewachsen ist.[48]
Diese unterscheidet sich sehr stark von der Passivität der Generation Fernsehen. Wie selbstverständlich werden die Mechanismen sozialer Medien und des Web 2.0 genutzt und eingesetzt.[49] Sie arbeiten, schreiben und interagieren anders die Generation zuvor. Sie kommunizieren mit Menschen, ohne ihnen zu begegnen. Dabei unterscheiden sie sich besonders in vier speziellen Eigenheiten.[50] Zum einen sind sie Netzbewohner und unterscheiden nicht mehr zwischen realer und digitaler Welt. Das digitale gehört von nun an zur gelebten Realität. Weiterhin ist Interaktion ein wichtiges Gut. Die Mitmachkultur ist vorherrschend. Digital Natives leben multitaskfähig und sind äußerst medial. Die eigene Meinung wird öffentlich.[51] Im Sinne der Kommerzialisierung und der Etablierung des Handels auf sozialen Netzwerken wird der Social Consumer auch seine Einkäufe und seine Vorlieben für bestimmte Produkte vermehrt veröffentlichen.
Das Web 2.0 wird intensiv genutzt und dieser Entwicklung muss auch seitens der Unternehmen weiter Rechnung getragen werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird genau dieser Aspekt untersucht, um daraus Handlungsempfehlungen und Strategien ableiten zu können. Zudem wird geprüft, wie mit Hilfe dieser Entwicklung gezielt der Absatz erhöht werden kann.
Social Commerce kann simpel als die Verbindung zwischen Social Media und E-Commerce betrachtet werden. Wie wir bereits wissen, ist es keine neue Erscheinung, tritt jedoch mit der gesellschaftlichen Entwicklung immer weiter in den Vordergrund. So zeigt die folgende Abbildung, wie die Elemente des E-Commerce in Verbindung mit Social Media zu Social Commerce verbunden werden.
Abbildung 5: Definition Social Commerce[52]
Nach Qualman steckt hinter Social Commerce die Idee, dass Menschen die Meinungen anderer schätzen und sich entsprechend nach diesen auf die Suche machen.[53] Es ist, wie in der Abbildung 5 dargestellt, eine Ausprägung des elektronischen Handels, bei der die aktive Beteiligung, die Beziehung und die Kommunikation der Kunden wichtig...