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E-Book

Stärken stärken

Talente entdecken, entwickeln und einsetzen

AutorAlexander Christiani, Frank M. Scheelen
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783864144769
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Die beiden Top-Experten Alexander Christiani und Frank M. Scheelen verraten in diesem Besteller, wie man zu einem erfolgreicheren und glücklicheren Berufsleben durchstartet: Man konzentriert sich auf seine Stärken, anstatt sich mit seinen Schwächen zu befassen. Denn nur wer weiß, was ihm wirklich liegt, und seine Begabungen kennt, kann einen Job finden, der zu ihm passt und auch Spaß macht. Und nur Führungskräfte, die die Stärken einzelner Mitarbeiter richtig einschätzen, werden ein schlagkräftiges Team aufbauen. Dieses einzigartige und bewährte Handbuch zur Talententwicklung liegt nun aktualisiert und überarbeitet vor. Es bietet einen Masterplan für ein stärkenzentriertes Leben und hilft, eigene Potenziale auszuschöpfen und andere richtig zu fördern.

Alexander Christiani ist seit über 25 Jahren Trainer aus Leidenschaft und zählt zu den gefragtesten Beratern für führende Spitzenleister aus Wirtschaft, Wissenschaft und Sport . Talententwicklung ist für ihn ein wesentlicher Schlüsselfaktor zu persönlicher und beruflicher Spitzenleistung und eines der fünf Module des 'Christiani High Performance Systems'

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Leseprobe

Teil II:
Unseren Talenten auf der Spur


4. Kapitel: Die Vielfalt der menschlichen Intelligenzen


Überblick


Wer weiß, wonach er sucht, tut sich beim Finden erheblich leichter. Dies gilt für die Orientierung in der freien Natur genauso wie für jede geistige Arbeit: Wer eine Berghütte von früheren Besuchen her kennt, wird sie in der Dämmerung leichter finden als seine Kameraden, die diese Tour zum ersten Mal gehen, weil er eine Vorstellung von dem hat, was er sucht. Börsianer, die sich in der Chart-Analyse von Aktienkursen auskennen, wissen ebenfalls, nach welchen auffälligen Kursausschlägen sie suchen. Auch sie tun sich deshalb leichter, neue Informationen in ihr Analyseraster einzuordnen als diejenigen, die beim ersten Besuch auf dem Börsenparkett von einer Informa­tionslawine erschlagen werden.

Genau das Gleiche gilt für die Suche nach unseren Talenten und Begabungen. Führende Intelligenzforscher wie zum Beispiel Howard Gardner mit seinem Konzept der multiplen Intelligenzen haben in den letzten 20 Jahren hervorragende Landkarten für die unterschiedlichen menschlichen Intelligenz- und Talentfelder angelegt. Schauen wir uns deshalb den aktuellen Stand der Forschung einmal näher an, um damit die Ausgangsbasis für die Bestimmung unserer eigenen Intelligenzpräferenzen zu schaffen.

Der Begründer der modernen Intelligenzforschung, der Fran­zose Alfred Binet, war – wie viele der ihm folgenden Testpsychologen – der Ansicht, Intelligenz sei eine ganzheitliche, homogene Eigenschaft, will sagen: Wenn ein Mensch in einem Bereich geistiger Leistungsfähigkeit ziemlich gut ist, dann ist er es in anderen Dimensionen auch. Diese auffassungvertraten 1994 noch Richard J. Herrnstein und Charles Murray in ihrem aufsehenerregenden Standardwerk The Bell Curve. Wer gegen diese kühne Verallgemeinerung Bedenken erhob – weil er beispielsweise bei seinen Mitmenschen beobachtete, dass überragende sprachliche Leistungen nicht mit einer hohen Begabung in Mathematik korrelieren müssen und umgekehrt –, der wurde über viele Jahre von den Intelligenztestlern mit dem berühmten Zitat des Harvard-Psychologen Edwin G. Boring ruhig gestellt: Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst und damit basta.

Nun braucht man nicht sonderlich viel Beobachtungsgabe um festzustellen, dass die geistigen Leistungen von Menschen in verschiedenen Bereichen höchst unterschiedlich ausgeprägt sein können: Nicht jeder, der über viel musikalisches Talent verfügt, ist notwendig auch sprachlich oder logisch-mathematisch sehr begabt. So wies schon L. L. Thurstone von der Universität Chicago in den 30er-Jahren auf die sieben Vektoren des Geistes hin und sein Kollege J. P. Guilford von der Universität von Süd-Kalifornien kartorgrafierte sogar 150 Intelligenzfaktoren. Doch es sollte noch einige Zeit vergehen, bis sich die Intelligenz-Pluralisten nachdrücklich Gehör verschaffen konnten.

Yale-Professor Robert Sternberg beispielsweise führte den Begriff der praktischen Intelligenz in die Diskussion ein und bezeichnete damit die Fähigkeit, sinnvoll mit neuen Informationen umzugehen oder sich an verschiedene Kontexte anzupassen. Er verwies darauf, dass diese praktische Problemlösungsfähigkeit nicht mit den traditionellen IQ-Tests korreliert – eine Beobachtung, die die meis­ten Menschen von ihren Klassentreffen her bestätigen können: Der Klassenprimus mit den meisten Einsern in der Schule ist nicht notwendig derjenige, der die meisten Einser im Leben eingeheimst hat ... Auch David Olson von der Universität Toronto brachte mehr praxisbezogene Überlegungen in die Intelligenzdiskussion ein. Er definiert Intelligenz als Geschicklichkeit im Gebrauch eines Mediums und sieht in ihr unter anderem die Fähigkeit, geschickt mit Computern, Sprache oder anderen Symbolsystemen umzugehen.

Neben Psychologen haben vor allem auch Neurologen und Neurobiologen unser Verständnis von der Funktionsvielfalt des mensch­lichen Geistes bereichert: Lange Zeit schien menschliche Intelligenz in erster Linie rationale Intelligenz zu sein, die aus damaliger Sicht der Gehirnforscher in den neuronalen Schaltkreisen der linken Hemisphäre produziert wurde.

Roger Sperry erhielt dann 1981 den Nobelpreis in Medizin für seine Erkenntnis, dass die rechte Gehirnhälfte mit ihren assoziativen Denkprozessen ebenfalls entscheidend zu unseren Fähigkeiten beiträgt. Während neuronale Schaltkreise der linken Gehirnhälfte vor allem an sequenziellen, linearen und logischen Prozessen beteiligt sind, die von den Teilen zum Ganzen laufen und mit einem Zeitempfinden ausgestattet sind, arbeiten die rechtshemisphärischen Prozesse mit anderen Parametern: Sie verlaufen regelmäßig vom Ganzen zu den Teilen, sind oft simultan und haben in unserer Vorstellung eine räumliche Dimension, aber kein Zeitempfinden.

Die nächste deutliche Erweiterung unserer Landkarte über menschliche Fähigkeiten verdanken wir Paul D. MacLean. In seinem Grundlagenwerk The Triune Brain in Evolution10 beschreibt er unser Gehirn als drei miteinander verbundene biologische Computer, die, jeder für sich, ihre eigene Intelligenz haben, ihre eigene Subjektivität, ihren eigenen Sinn für Zeit und Raum, ihr eigenes Gedächtnis, ihren eigenen ,Motor‘ und andere Funktionen.

Zusammengefasst: Seit Paul MacLean wissen wir, dass unser Gehirn aus drei verschiedenen Strukturen besteht, und zwar aus:

  1. 1.der Neokortex, die zuständig ist für Gedanken und Bilder,
  2. 2.dem limbischen System – zuständig für Begehren und Gefühle und
  3. 3.dem Stammhirn, das – unter anderem – unser Verhalten steuert.

Man könnte unser Gehirn also durchaus mit einer gut besuchten Cocktailparty vergleichen, bei der alle gleichzeitig reden: Alle sagen etwas Wichtiges, aber wir wissen nicht so genau was. Wenn wir uns jeden Gehirnbereich mit seinen Begabungen separat anschauen, dann können wir jeden Teil deutlich besser verstehen. Nach den Erkenntnissen von MacLean können wir die verschiedenen Gehirnfunktionen weitgehend separat und unabhängig von­einander steuern, auch wenn sie in weiten Teilen interaktiv miteinander verbunden sind:

  • Was wir denken, beeinflusst, was wir fühlen und tun.
  • Was wir fühlen, beeinflusst, was wir zu denken oder tun gewillt sind.
  • Was wir tun, beeinflusst, was wir fühlen, und nimmt Einfluss auf unseren Denkprozess als reflektierende Wesen.

Im Erkennen der unterschiedlichen Funktionsprinzipien der verschiedenen Gehirne und der von ihnen zur Verfügung gestellten höchst unterschiedlichen Rechnerleistungen liegt jedoch gleichwohl das Schlüsselelement zu unserer Selbststeuerung und Ta­lent­entwicklung.

Der Mann, der unser Verständnis von der Vielfalt menschlicher Fähigkeiten vielleicht am stärksten bereichert hat, ist der amerikanische Psychologe Howard Gardner, der 1983 in seinem Buch Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen In­tel­li­genz11 sein inzwischen weltweit akzeptiertes Konzept der multiplen Intelligenz vorstellte.

Gardner verdankt sein einzigartiges Verständnis der Vielfalt menschlicher Fähigkeiten zwei völlig unterschiedlichen Forschungsprojekten, die er als Neuropsychologe über zwei Jahrzehnte parallel betreute: Zum einen arbeitete er am Untersuchungszentrum der Bostoner Universitätsklinik für Hirnverletzungen. Dort konnte er beispielsweise erkennen, dass Sprechen und Singen voneinander unabhängige menschliche Fähigkeiten sind: Jede konnte nämlich – je nach Hirnverletzung – einzeln zerstört werden oder erhalten bleiben. Andererseits stellte sich zum Beispiel heraus, dass Wort und Zeichensprache dagegen verwandte Fähigkeiten sind: Für die gesprochene Sprache des Hö­ren­den sind (annährend) dieselben Gehirnareale zuständig wie für die Zeichensprache der Gehörlosen.

Der zweite Teil der Forschungstätigkeit von Gardner umfasste die Arbeit mit begabten, gesunden Kindern beim Projekt Zero in Harvard, bei dem es darum ging, Aufschluss über die geistige Entwicklung bei Begabten zu gewinnen.

Gardner entwickelte aus dieser Arbeit eine Reihe von insgesamt acht Kriterien, um verschiedene Intelligenzen voneinander abzugrenzen. Neben anderen Kriterien bezog er die Einschränkung der Funktionsweise bei Hirnschäden, die Verankerung der Fähigkeit in der Stammesgeschichte und in der Entwicklungsgeschichte des Einzelnen genauso in seinen Kriterienkatalog ein wie zusammengehörende Grundfunktionen und die Resultate von Intelligenzmessungen. Er definiert heute:

Intelligenz ist ein Potenzial (vermutlich neuronaler Art), dessen Aktivierung von den Werten einer Kultur, den Möglichkeiten des Umfelds und individuellen Entscheidungen abhängt.

Wie sehr die Werte einer Kultur darüber entscheiden, ob und in welchem Ausmaß wir angeborene Talentpotenziale entwickeln, lässt sich im Laufe der Geschichte gut beobachten.

Als der ägyptische Hofarchitekt Imhotep vor 4700 Jahren beauftragt wurde, für Pharao Djoser eine Grabstätte zu bauen, entschied er sich nicht für die bis dahin üblichen rechteckigen Gebäude aus Lehmziegeln. Er ließ vielmehr 850 000 Tonnen Kalk­stein zu einem Bauwerk von 60 Metern Höhe auftürmen und hinterließ der Welt die erste Pyramide – eine geometrische Form, die auch heute noch Architekten überall...

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