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E-Book

Swim

Über unsere Liebe zum Wasser

AutorLynn Sherr
VerlagHaffmans Tolkemitt Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783942989565
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Von der Bibel über Julius Cäsar zu den Olympischen Spielen - die Geschichte des Schwimmens ist wohl so alt wie die Menschheit. Lynn Sherr zeigt in dieser persönlichen Kulturgeschichte, wie sich das Schwimmen, die Schwimmstile, Bademoden, Becken und Gewässer im Laufe der Menschheitsgeschichte verändert haben, welche Legenden sich um das Schwimmen ranken und was die moderne Wissenschaft vom Schwimmen weiß. Sie befragt Forscher und Olympiasieger, Distanzschwimmer und 'Normale', die sich ein Leben ohne den regelmäßigen Sprung ins Wasser nicht vorstellen können. Gleichzeitig bereitet sich Sherr auf den Swim-Hellespont-Wettbewerb vor, um auf Lord Byrons Spuren die wilden Gewässer von Europa nach Asien zu durchschwimmen. Ein nicht ungefährliches Unterfangen für eine Amateurin von fast 70 Jahren. Ein informatives, unterhaltsames und humorvolles Buch für alle, die schwimmen und das Wasser lieben.

Lynn Sherr (*1942 in Philadelphia) ist Journalistin, Autorin und Feministin. Als Kleinkind lernte sie schwimmen, indem sie den Fröschen im heimischen See zusah. Als Korrespondentin ist sie seit über 30 Jahren bei ABC News tätig und wurde 1994 mit dem George Foster Peabody Award ausgezeichnet. Sherr lebt in New York

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Leseprobe

1

Eintauchen

DAS MEER umfängt mich, eine warme, königsblaue Weite mit sanften Wellen, die kaum die Oberfläche kräuseln. Die Stille ist trügerisch. Mit kräftigen Zügen kämpfe ich gegen eine unnachgiebige Strömung. Rechter Arm, linker Arm, Drehung, Luftholen. Das Wasser hebt mich; das Land, ein anderer Kontinent, scheint fern. Ruhig Blut, sage ich mir. Du schaffst das.

Ich befinde mich im Hellespont, heute die Dardanellen, die sagenumwobene Meerenge, die im Nordwesten der Türkei Europa von Asien trennt. Geografisch bewege ich mich von einem Kontinent zum anderen, eine Passage, die man klugerweise besser mit dem Boot oder Flugzeug bewältigt. Historisch schwimme ich an der Schwelle der einstmals bekannten Welt. Voraus, am östlichen Ufer, liegen die Ruinen Trojas, Schauplatz des zehnjährigen Kampfes, den Homers Ilias nacherzählt, ein vor 3200 Jahren ausgetragenes Epos, dessen Schilderung erstmals die Schrecken des Kriegs vor Augen führte. Hinter mir die Mahnmale für die Gefallenen beider Seiten in der mörderischen Schlacht von Gallipoli – der »Schwimmerkrieg«, wie er einmal genannt wurde, weil sich das Meer vom Blut der dort badenden Unschuldigen rot färbte. Diese verwaisten Schlachtfelder verklammern Jahrhunderte des Ringens um die Beherrschung dieses Wasserstreifens, der nun meinen Körper trägt. Hethiter, Mykener, Griechen, Perser, Römer, Genueser, Venezianer, Byzantiner, Osmanen und ihre türkischen Nachkommen: Sie alle haben hier geherrscht. Achilles und Hektor kämpften bis auf den Tod um diesen fließenden Korridor, der Per-serkönig Xerxes querte ihn von Kleinasien aus auf einer Brücke aus Schiffen, um gegen die griechischen Siedlungen auf der anderen Seite vorzurücken (nachdem er aus Verdruss über einen durch Sturm gescheiterten ersten Anlauf das Meer hatte auspeitschen lassen); Alexander der Große marschierte in Gegenrichtung, um sie zurückzuerobern. Von hier aus stach Jason mit der Argo in See, um das Goldene Vlies zu suchen; das Vlies selbst hatte den fliegenden Widder umhüllt, auf dessen Rücken Prinzessin Helle ihrer bösen Stiefmutter entkommen war. Als Helle in dieses Meer fiel, nahm es ihren Namen an: Hellespontos, Meer der Helle. Im Fahrwasser dieser mythischen Meerenge verwandelte sich die Geschichte, stürzten Imperien. Der Hellespont war stets die Route zu etwas Größerem: noch eine Eroberung, ein weiteres Land, ein neuer Kontinent, ein neues Abenteuer. Und er war der Schauplatz einer legendären Geschichte inniger Liebe.

Leander schwimmt zu Hero, die ihn im Turm erwartet.

Leander ertrinkt, während Hero – dank eines Zeitraffer-Kunststücks – schon in den Tod stürzt, um sich mit ihm zu vermählen.

Eines Sommerabends vor so langer Zeit, dass niemand mehr das Datum zu sagen wüsste, begegnete ein beherzter Jüngling namens Leander einer schönen Jungfer namens Hero und verliebte sich – »auf den ersten Blick«, wie der englische Dichter Christopher Marlowe später schrieb und damit ein ewiges Bild romantischer Liebe prägte. Sie war eine Priesterin der Aphrodite, eine in ihrem Turm in Sestos auf der griechischen Seite zur Keuschheit bestimmte Jungfrau; er ein Stadtbursche aus Abydos auf der asiatischen Seite. Es darf nicht sein, niemals, sagten die Alten, dieses Gewässer ist da, um euch zu trennen. Doch dergleichen hören junge Liebende nun mal nicht gern, und so sprang unser Held Leander jeden Abend ins Meer und schwamm zur anderen Seite hinüber, um mit seiner Heroine Hero eine heimliche Liebesnacht zu verbringen. Sie hängte eine Laterne auf, um ihm den Weg zu leuchten; japsend, salzig und üblen Fischgeruch verströmend, traf er bei ihr ein. Ein paar Tröpfchen Rosenöl, und schon sanken sie aufs Lager hin. In der Morgendämmerung glitt Leander wieder in den Hellespont und schwamm unerkannt zurück nach Hause. Eines Nachts peitschte die Furie des herannahenden Winters den Wind zu einem solchen Sturm auf, dass er Heros Lampe ausblies. Leander, unfähig, in den tosenden Wellen der aufgewühlten See seinen Weg zu finden, ertrank. Als sein Körper am nächsten Morgen ans Ufer gespült wurde, sprang Hero, von Trauer überwältigt, von ihrem Turm, um sich im Jenseits mit ihm zu vermählen. So fand diese aquatische Romeo- und-Julia-Geschichte in einem doppelten Tod ihr tragisches Ende. Doch ihr Untergang war für die Folklore ein Gewinn: Die todge-weihten Liebenden wurden zum Zwillingsgestirn des berühmtesten Schwimmmythos der westlichen Sagenwelt.

Der Dichter George Gordon, besser bekannt als Lord Byron, selbst ein Meisterschwimmer, der sich für alles klassisch Griechische begeisterte, war von der Geschichte fasziniert. Konnte sie sich wirklich so zugetragen haben? War es möglich, durch diese raue See zu schwimmen? Auf einer Mittelmeerreise 1810 beschloss er, es herauszufinden. Byron gewann einen Offizier der Fregatte, auf der er reiste, als Begleitung und schaffte die Durchquerung bei seinem zweiten Versuch, womit er den Hellespont als romantische Herausforderung etablierte und selbst rund um den Globus zum Inbegriff des tollkühnen Schwimmers wurde. Sein Gefährte, Leutnant William Ekenhead, schlug ihn zwar um fünf Minuten, verschwand jedoch aus den Rekordbüchern, nachdem er einige Zeit später bei einer volltrunkenen Feier seiner Beförderung zum Kapitän ertrunken war. Byron selbst prahlte endlos mit seiner Leistung und setzte den Hellespont ganz oben auf die Liste der von ihm durchschwommenen Wasserwege: die Themse bei London, den Canal Grande in Venedig, den Genfer See. »Ich brüste mich mit dieser Leistung mehr als mit jeder anderen Art von Ruhm, sei er politisch, poetisch oder rhetorisch«, schrieb er einem Freund.

Und was mache ich hier an diesem Augustnachmittag rund 200 Kilometer südwestlich von Istanbul und 8000 Kilometer von New York, meiner Heimatstadt, entfernt?

Der Hellespont ist eine wichtige Passage, der letzte Durchlass der Wasserstraße, die sich vom Schwarzen Meer nach Süden durch den Bosporus und das Marmarameer in Richtung Ägäis zieht. Annähernd 50 000 Tanker und Frachtschiffe zwängen sich jedes Jahr durch den liquiden Frachtweg, der zu den geschäftigsten und schnellsten der Welt gehört.

Hüte dich bloß vor der Strömung, hatte man mir eingeschärft, oder es verschlägt dich hinaus in Richtung Griechenland. Pass auf die Viecher auf, hatte man mich gewarnt, denn dort schwimmen auch brennende Quallen und andere natürliche Feinde. Doch die Anziehungskraft dieser Meerenge ist magnetisch. Auch ich bin von der klassischen Welt gefesselt und habe eigens mein eingestaubtes Schulgriechisch aufpoliert, um mich in die Geschichte einzulesen; auch ich liebe das Schwimmen und bin von der Leidenschaft meiner Vorgänger gepackt. Und in einem Stadium meines Lebens, in dem ich kräftigere Muskeln und mehr Zeit für Entdeckungsreisen habe, kommt auch mir eine Herausforderung gerade recht, um Körper und Geist in diesen sagenhaften Gewässern zu erproben. Nach Jahren, in denen ich gemächlich meine vertrauten Bahnen geschwommen bin, wie würde es da wohl sein, meinen Zeh in ein fremdes Meer zu tauchen und eine Entfernung weit über meine längsten Runden zu meistern? Werde ich finden, was der blinde Homer, der etwa 400 Jahre nach dem Trojanischen Krieg dichtete, den »reißenden Strom« des Hellespont nannte, oder was Shakespeare (der ihn ebenfalls nie zu Gesicht bekam) als »seichte Strömung« abtat? Kann ich Jahre des Paddelns in perfekten Pools, in reizvollen Seen und im Meer der amerikanischen Ostküste auf diese wilde Meerenge übertragen, die Europa von Asien trennt? Kann auch ich den Hellespont durchschwimmen?

Schwimmen ist meine Rettung. Fragen Sie mich mitten im Winter, am Ende eines strapaziösen Tages oder nach einer langen Sitzung am Computer, wo ich jetzt am liebsten wäre, dann fällt die Antwort immer gleich aus: im Wasser, schwerelos dahingleitend, eine stille Bahn durch ein blaues Fleckchen Nass schneidend, wo immer ich es finde. Fordern Sie mich auf, wie Therapeuten es manchmal tun, an etwas Angenehmes zurückzudenken: und ich sehe mich wieder in den Wogen, umfangen von einem Ozean, einem See oder einem türkisfarbenen Becken, und ziehe lange, verträumte Bahnen, die mich in heiterer Gelassenheit wiegen.

Auf einer Ebene ist das etwas gänzlich Sinnliches: das seidige Gefühl von Flüssigkeit auf der Haut; die Gelegenheit, frei dahinzugleiten, so nahe am Fliegen, wie ich nur jemals kommen kann; die Chance, wenn schon nicht zu den Sternen, so doch zu den Seesternen zu greifen. Schwimmen dehnt meinen Körper über seine irdischen Grenzen hinaus aus, lindert jedes Weh und streichelt jeden Muskel. Aber es ist auch eine innere Reise, eine Zeit der stillen Einkehr, wenn ich, umhüllt von einem zugleich feindseligen und vertrauten Element, Frieden finde, fähig – und begierig –, meinen Geist spielen zu lassen, mir neue Möglichkeiten auszumalen, Dinge zu durchdenken, ohne von den Unterbrechungen menschlicher Stimmen oder moderner Geräte aufzuschrecken. Die Stille ist überwältigend.

Habe ich...

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