Diplomarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Soziologie - Kultur, Technik und Völker, Note: 1,3, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Institut für Soziologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Seit der Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten 1990 spielen Kategorien wie Nation und Identität in öffentlichen Debatten eine zentrale Rolle. Die Eingliederung Gesamtdeutschlands in die Europäische Union und seine größer werdende Verantwortung in der Weltpolitik, aber auch das Wegbrechen des Sowjetimperiums in Ost- und Südosteuropa als Kontrastfolie westlichen Selbstverständnisses und die aktuellen staatenübergreifenden Prozesse, die Kultur, Politik und Gesellschaft beeinflussen, werfen die Frage auf, wie sich die Bewahrung kultureller Eigenart und nationaler Identität in der Entwicklung zur Weltgesellschaft gestalten kann und darf.
Die Diskussion um die Herausbildung und Konstruktion kollektiver Identitäten beschäftigt schon länger die wissenschaftlichen Disziplinen mit dem Ergebnis, dass sehr unterschiedliche Ansätze in die Debatte einfließen. Die vorliegende Arbeit kann nicht die gesamte Bandbreite dieser Diskussionen durchleuchten. Ihr Bezugspunkt beschränkt sich daher auf die Erinnerung und die daraus infolge sozialer Interaktionen entstehende Erinnerungskultur. Basierend auf den Arbeiten von Maurice Halbwachs sowie von Aleida und Jan Assmann, die trennscharf zwischen Bedingungen des Kollektiv- und Individualgedächtnisses unterscheiden, werden die theoretischen Annahmen auf eine interessante Form angewendet, Vergangenheit in ritualisierter Form gegenwärtig zu halten: die öffentlichen Gedenktage. Im Mittelpunkt stehen die Gedenktage in Deutschland, ihre Kontinuitäten und Brüche der vergangenen 130 Jahre, vom Kaiserreich über die Weimarer Republik zum Dritten Reich und den beiden deutschen Staaten bis nach deren Vereinigung 1990.
Öffentliche Gedenktage sind sowohl politische Symbole als auch Gegenstand symbolischer Politik: ein Ausdruck der Bedeutung eines bestimmten Geschichtsbewusstseins ebenso wie ein Handlungsfeld aktualisierender historischer Rückgriffe. Welche Ereignisse werden zum gesellschaftlich relevanten Gedenktag? Wie werden sie von welchen Akteuren inszeniert? Welche Inhalte und Deutungen stehen dabei im Vordergrund? Entwickelt sich daraus ein kollektives Selbstverständnis, ja gar ein kollektives Gedächtnis? Diese Fragen geben Aufschluss über die politische Kultur in einer Gemeinschaft. Gedenktage im öffentlichen Raum sind stets mehr als bloßes Erinnern. Geht es bei ihnen doch auch um die Bildung und Vermittlung der historischen Dimension kollektiver Selbstbilder im Prozess der Vergegenwärtigung von Vergangenheit.
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