Dieses Kapitel betrachtet das Thema Outsourcing in der Automobilindustrie. Zu diesem Zweck wird eine Einführung des Outsourcings im Allgemeinen dargestellt, in dem zusammenfassend die Historie des Outsourcings sowie allgemeine Definitionen und Ziele bzw. Gründe für das Outsourcing gegeben werden. Abschluss dieses Kapitels bildet die Einbindung des Themas Outsourcing in die Automobilindustrie. Dabei wird ein Überblick über die vorherrschenden Praktiken gegeben, sowie der Trend in der Automobilindustrie aufgezeigt.
Der Begriff Outsourcing[29] beschreibt die Verlagerung betrieblicher Aktivitäten eines Unternehmens an Zulieferer oder Dienstleister.[30] Outsourcing kann als das vertragliche Auslagern von Arbeit gesehen werden. Im englischen spricht man von „contracting out“[31]. Dabei ist das Outsourcing im eigentlichen Sinne der Akt des Übertragens von sich wiederholenden, internen Aktivitäten, sowie der dazugehörigen Produktionsfaktoren und Entscheidungsrechte zu außenstehenden Anbietern.[32] Da es sich bei diesen ausgelagerten Vorgängen um wiederkehrende bzw. periodische Aktivitäten handelt, geht das Outsourcing weiter als die Unterstützung durch Berater.
Outsourcing kann in seinen verschiedenen Formen unterschiedlichen Aktivitätslevels zugeordnet werden. Greaver[33] trennt dabei Komponentenfertigung, sowie individuelles, funktionales und prozessuales Outsourcing. Die Komponentenfertigung (oder auch die Fertigung von Modulen bzw. Systemen) bildet dabei ein eigenes Feld des Outsourcings, während die anderen drei Levels in einer Hierarchie stehen. Individuelles Outsourcing beschreibt das Auslagern bzw. Ausgliedern bestimmter Positionen aus der Organisation. Funktionales Outsourcing betrifft Bereiche einer Organisation, die bestimmte Fähigkeiten bzw. die Verantwortung einer festgelegten Aufgabe innehaben. Diese sind meist als „cost center“[34] organisiert. Betroffene Funktionen sind vor allem Gehaltsabrechnung und IT Support. Das Outsourcing von gesamten Geschäftsprozessen (zur Erläuterung siehe 4.2.2) ist die dritte Stufe der Aktivitätslevels. Dies betrifft z.B. Bereiche wie das Rechnungswesen oder die IT eines Unternehmens.
Der Umfang des Outsourcings kann sich zwischen vollständigem und selektivem Auslagern befinden.[35] Beim vollständigen Outsourcing werden alle betroffenen Aktivitäten an Serviceanbieter vergeben. Dies verspricht eine klarere Verantwortungsverteilung als beim selektiven Outsourcing, bei dem nur bestimmte Teile einer Funktion bzw. eines Prozesses ausgegliedert werden. Dabei ist es notwendig, die Umfänge, Kosten und Ziele der selektiv ausgelagerten Aktivitäten genau festzulegen.
Das vertragliche Auslagern der Herstellung von Produkten und dem Anbieten eines Services ist nicht neu. Ein Rückblick in die Geschichte zeigt, dass sowohl auf dem privaten als auch auf dem öffentlichen Sektor eine Vielzahl von Aktivitäten ausgelagert wurde. Im 18. und 19. Jahrhundert leistete der private Sektor den Regierungen von England, Frankreich und Australien Dienstleistungen bzgl. Gefängnismanagement, Infrastrukturinstandhaltung, Müllsammlung, das Betreiben von Schiffsflotten, den Betrieb der Eisenbahn und den Postservice.[36] Der private Sektor war vor der „Industriellen“ Revolution ebenfalls von vertraglichen Beziehungen zu Dienstleistern geprägt. Dieser Trend wurde jedoch von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis vor 20 Jahren durch die zunehmende Internationalisierung von Transaktionen innerhalb der Unternehmen, sowie der Entwicklung von Massenproduktionsmethoden und der damit verbundenen vertikalen Integration unterbrochen. Dies führte zu der Entstehung von Industrie-Konglomeraten, die unter dem Dach einer einheitlichen Organisation standen (z.B. Daimler-Benz). Mit Beginn der 1980er führten der Rückgang von Marktgrenzen wie z.B. der Abbau von Zollbarrieren, und technologische wie auch wissenschaftliche Erkenntnisse zu der Tatsache, dass große integrierte Unternehmen weder reaktionsfähig genug, noch notwendig effizienter sind als vermehrt fragmentierte Netzwerke von Firmen. Diese neue Entwicklung brachte hybride Organisationen zutage, die zwar auf der einen Seite durch eine Vielzahl von Kooperationen mit Zulieferern eine hohen vertikalen Integrationsgrad aufweisen, auf der anderen Seite aber den Markt der Zulieferer als Produktionsfaktor nutzen. Diese Organisationsform kombiniert das Element von leicht zugänglichen Märkten mit der Eigenschaft der engen Arbeitsbeziehungen von integrierten Unternehmen. Daher wird diese Unternehmensform oft als Partnerschaft oder strategische Allianz bezeichnet.[37]
Das Ziel beim Outsourcing liegt in dem Bestreben nach maximaler Spezialisierung auf Aktivitäten mit hohem Mehrwert bei geringem Risiko und möglichst niedrigen Kosten. Dabei spielen die Verringerung von Gemeinkosten und die Konzentration auf das Kerngeschäft die entscheidende Rolle. Die zunehmenden Wettbewerbskräfte in den 1990ern veranlassten Organisationen zu noch mehr Kostendisziplin und zu einer erhöhten Aufmerksamkeit über die „product to market time cycles“[38] Dies führte sowohl zu einer Reduzierung der Produkt- respektive Serviceportfolios, als auch zu einer Verringerung der vertikalen Verbindungen im Produktionsprozess.[39] Diese Entwicklung zog zugleich eine Neukonfiguration der Organisationsformen und eine Neuausrichtung der Unternehmensgrenzen mit sich. Der Fokus der Unternehmen richtete sich auf die Frage, welche Faktoren für die Entscheidung zwischen externen Markttransaktionen und interner Produktion berücksichtigt werden sollten.[40] Bezieht man sich zu dieser Frage auf die Kostenfunktion, bei der durch erhöhten Output die Kosten pro Einheit rückgängig sind, so gibt es nach Coase[41] einen Punkt, an dem diese Funktion sich umkehrt und pro weitere Einheit höhere Kosten entstehen. Zurückzuführen sei dies auf ineffiziente Prozesse durch Größe (z.B. Lethargie in der Bürokratie). Die Kernaussage ist, dass die optimale Größe einer Organisation erreicht ist, wenn eine Erweiterung der internen Produktion oder die Bereitstellung eines Services die gleichen Kosten wie ein externer Bezug der Waren oder Dienstleistungen verursacht. Diese Aussage ist als generelles Entscheidungskriterium für das Auslagern von Prozessen aber nicht haltbar. Es berücksichtigt nicht die speziellen Umstände eines Marktes, in dem das Unternehmen operiert. Hierzu kann die Transaktionskostentheorie, die ebenfalls von Coase erstmals in die ökonomische Diskussion eingebracht wurde, bei der Entscheidung zwischen interner und externer Produktion zu Rate gezogen werden. Die Transaktionskostentheorie geht davon aus, dass die reinen Produktionskosten in einer Industrie bei allen unterschiedlichen Organisationsformen identisch sind. Die Ursache von Kostendifferenzen ist dabei auf unterschiedliche Kosten der Koordination der Produktionstätigkeit, die Transaktionskosten, zurückzuführen.[42] Diese Aussage ist konsistent mit der Beobachtung, dass Firmen unterschiedlicher Größe erfolgreich im gleichen Markt operieren. Die theoretischen Kriterien für die Outsourcing-Entscheidung sollen an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden, da diese in der Bewertung der Entscheidungsmodelle (siehe 4.3) wieder aufgegriffen werden.
Die Gründe für Outsourcing auf Unternehmensebene sind sowohl in der Literatur auf theoretischer Basis debattiert als auch in Form von Umfragen in der Geschäftswelt erforscht worden. Zur Darstellung eines aktuellen Trends soll hier die Cranfield-Studie von Kakabadse und Kakabadse[43] vorgestellt werden. Dabei wurden im Jahre 2001 über 700 Manager aus den USA und Europa zu der bisherigen und zukünftigen Entwicklung des Outsourcings befragt. Die nachfolgende Darstellung zeigt die vollständige Auflistung der praxisrelevanten Outsourcing-Gründe.
Darstellung 11: Gründe für Outsourcing[44]
Die Umfrage (siehe Darstellung 11) identifiziert 14 Gründe für das Outsourcing, wobei diese nach der Häufigkeit ihrer Nennungen in drei Cluster unterteilt werden können. Das erste Cluster bilden dabei die Kostendisziplin und –Kontrolle, als auch das Ziel „best practice“ Standards zu erreichen. Im nächsten Cluster befinden sich die Verbesserung von Servicequalität und die Konzentration auf die Kernkompetenzen. Der Zugriff auf neue Technologien, die Reduzierung von Personal, die Steigerung der Möglichkeiten zur Produkt- und Serviceentwicklung und das Verringern der Kapitalkosten bilden das dritte Cluster. Diese Gründe sollen die Grundlage für die im Kapitel 4.3 vorgestellten Entscheidungsmodelle bilden.
Das Outsourcing in der Automobilindustrie bedarf zunächst eines kurzen historischen Rückblicks. Mitte der 70er Jahre waren die Produktivitätszuwächse – vereinfacht ausgedrückt – hauptsächlich auf die Auslastung der Kapazitäten durch einen permanenten...