»Lobet den Herrn mit Pauken.«
Ps. 150, V. 4.
In dem Treibhause der römisch-katholischen Kirche wachsen Prügel von allen Sorten. Neben rechtschaffen fanatischen Selbsthieben mit Ketten, Geißeln und Stricken zur Ehre Christi und zum Heile der Seele finden wir hier wollüstig-jesuitisches Kitzeln mit Ruthen, welches sich zu den mörderischen Hieben der alten Geißelhelden verhält wie der Ringkragen eines jetzigen Lieutenants zu der Rüstung Karls des Großen. Ohne eine heillose Verwirrung anzurichten, kann ich diese verschiedenartigen Kinder eines Stammes nicht in einem Kapitel zusammenbringen, und beschränke mich daher hier in diesem auf die unter den römischen Katholiken gebräuchliche Selbstgeißelung mit ihren theils schrecklichen, theils lächerlichen nächsten Folgen. Das Furchtbare und Lächerliche liegt näher beisammen, als man gewöhnlich denkt. Man stelle sich nur einmal vor den Spiegel und mache ein so furchtbares Gesicht, als man kann, und dann lasse man fast unmerklich die Mundwinkel fallen oder ziehe sie in die Höhe, so hat man die lächerlichste Fratze.
Im dritten Kapitel werde ich von den »ordentlichen und außerordentlichen Kirchen- und Klosterhieben« reden; im vierten von den »beichtväterlich-jesuitischen Disciplinen« und endlich im fünften von den »Erziehungsprügeln«, welche als das mißgestaltete Kind aller früheren Arten zu betrachten sind.
Ich habe schon früher bemerkt, daß die Menschen eine ganz besondere Neigung zu allen recht mühsamen Arten der Gottesverehrung haben, und wie auch unter den Christen der ersten Jahrhunderte die seltsame Idee Raum gewann, daß es verdienstlich und zur Erlangung der Seligkeit nothwendig sei, sich Entbehrungen und körperliche Qualen freiwillig aufzuerlegen. Das bequemste Mittel, sich Schmerzen zuzufügen, hat aber jeder sogleich bei der Hand, indem n sich nur mit der eigenen Faust oder mit einem Instrumente Schläge zu versetzen braucht. Es ist daher zu verwundern, daß die Gewohnheit der Selbstgeißelung nicht schon früher allgemein wurde, als es in der That der Fall ist. Vielleicht war aber grade die Bequemlichkeit des Mittels das Hinderniß, denn aus dem, was ich darüber in dem Kapitel »von den lieben, guten Heiligen« sagte, geht hervor, daß die selbstquälerischen Christen eine Ehre darein setzten, recht mühsame und absonderliche Qualen zu erfinden und an sich auszuüben. Erst als dieser Eifer nachließ, griff man daher zu der Geißelung, die allgemeiner anwendbar war und sich je nach dem verschiedenen Bedürfniß einrichten ließ.
Wir finden indessen schon in den ersten Jahrhunderten bei den Christen Beispiele der Selbstgeißelung, wenn auch den darüber vorhandenen Nachrichten nicht unbedingt zu trauen ist. Der Mönch des 12. oder 14. Jahrhunderts, welcher das Leben seines Lieblingsheiligen beschrieb und der gewohnt war, sich täglich zur Ehre Gottes braun und blau zu schlagen, konnte sich seinen Helden gar nicht anders denken als mit der Geißel in der Hand und erzählte frischweg von dessen entsetzlichen Heldenthaten mit dem größten Aufwände von Phantasie, unbekümmert um die Wahrheit oder die historische Wahrscheinlichkeit, denn erstere glaubte er zu Ehren eines Heiligen verletzen zu dürfen, und daß er gegen die letztere sündigte, wußte er wahrscheinlich selbst nicht.
Es giebt aber in manchen Schriften einige ganz absichtslos eingestreute Stellen, welche als glaubwürdigere Beweise dienen können. In dem Werke Gabriels, Erzbischofs von Philadelphia, Sammlung der Thaten und Handlungen der heiligen Väter, ist von einem Heiligen erzählt, der den Entschluß gefaßt hatte, der Welt zu entsagen, und der sich zu diesem Zwecke in die Nitrianischen Gebirge in Thebais zurückzog. Der gute Heilige hatte den besten Willen, seine Sünden recht ernstlich zu bereuen, und seine Reue schien ihm lange Zeit sehr aufrichtig. Da hörte er aber eines Tages einen benachbarten Bruder Einsiedler laut über seine Sünden weinen und dieses tagtäglich wiederholen. Dies frappirte den Heiligen sehr, denn bis zu Thränen hatten ihn seine Sünden noch nicht gerührt, und er kam sich als ein sehr verstocktes Ungeheuer vor. »Und Du elender Kerl,« sprach er zu sich, »der Du so viel mehr als jener gesündigt hast, Du jammerst und heulst nicht einmal? Aber warte nur, ich will Dich schon kriegen, Du sollst schon mit Gewalt zum Weinen gebracht werden, wenn Du es nicht freiwillig thust; ich will schon machen, daß Du Dich über Deine Sünden betrübst, wie es Dir zukommt.« Darauf machte er eine mächtige Geißel und prügelte sich damit so unbarmherzig, daß ihm bald die Thränen über die Wangen liefen und er in den glückseligen Zustand versetzt wurde, um welchen er seinen Nachbar beneidet hatte.
Climax erzählt Aehnliches von einem morgenländischen Kloster. »Einige unter den Mönchen,« sagt er, »tränkten den Boden mit ihren Thränen, während andere, die keine Thränen vergießen konnten, sich selbst geißelten.« – Thränen über seine Sünden zu vergießen galt bei den morgenländischen Christen als der höchste Grad der Zerknirschung und Reue und zugleich als hinlängliche Buße, denn der den Thränen vorhergehende Zustand war gewiß kein beneidenswerther. Die Geißelung wurde also nur als Thränenerzeugungsmittel gebraucht, wie Schneeberger Pulver zur Beförderung des Niesens.
Indessen wurden die Christen auch noch durch andere Ursachen auf die Selbstgeißelung geführt, und es sind dies dieselben, welche die andere Selbstmarter veranlaßten. Christus war gegeißelt worden und es schien seinen Anhängern ein Beweis der Liebe gegen ihren Meister, wenn sie sich dieselben Qualen auferlegten, die er zu ertragen gehabt hatte; deßbalb geißelten sie sich auch, wie aus den Statuten mehrerer Mönchsklöster hervorgeht. »Wenn die Mönche,« heißt es darin, »die Geißelung an sich selbst ausüben, so sollen sie sich an Christum, ihren liebenswürdigsten Herrn, erinnern, wie er an die Säule gebunden und gegeißelt ward, und sollen sich bemühen, wenigstens einige geringe von den unaussprechlichen Schmerzen und Leiden selbst zu erfahren, welche er erdulden mußte.«
Ein anderer Grund, weshalb man sich geißelte, ist der, daß man dadurch sein Gewissen beruhigte, wenn man eine Sünde begangen hatte. Jeder hatte das Gefühl, daß er dafür Strafe verdient habe. Um nun zu zeigen, daß er das vollkommen anerkenne und durch einen thätlichen Beweis der Reue den Zorn Gottes zu versöhnen, geißelte er sich und suchte nach seinem eigenen Ermessen die Größe der Sünde mit der Anzahl und Stärke der Schläge in ein Verhältniß zu bringen. Als nun später durch die Pfaffen der Glaube aufkam, daß man durch diese oder jene von ihnen auferlegte Pönitenz entsündigt sei, lag der Irrthum sehr nahe, daß dies auch durch eine angemessene Anzahl Schläge geschehen könne, und Gewissenhafte verdoppelten die Portion, um in jedem Falle sicher zu sein. Ein weiterer Grund der Selbstgeißelung war auch der, daß man dadurch die »Anfechtungen des Fleisches« zu überwinden hoffte. Dieser Grund läßt sich hören, denn die tägliche Erfahrung lehrt, daß schon Mancher durch eine tüchtige Tracht Prügel für lange Zeit von aller Verliebtheit geheilt wurde. Daß aber auch unter besonderen Umständen durch Schläge das Gegentheil erzeugt wird, werden wir weiter unten sehen.
Theodoret, Bischof von Cyrus, welcher ungefähr um das Jahr 400 lebte, erzählt uns von dem heiligen Petrus, einem Einsiedler, der am Schwarzen Meere sein Standquartier hatte. Dieser würdige Mann hatte das Glück. ein junges schönes Mädchen aus den Händen eines Offiziers zu befreien, der sie verführen wollte. Der heilige Peter hatte diese Befreiung in der besten Absicht unternommen; aber leider sind, wie ich schon früher bemerkte, diese Heiligen entzündbar wie Streichhölzchen, und auch dieser fromme Mann hatte viel von den Anfechtungen des Fleisches zu leiden. Da ihm nun die Tochter so viel Qual machte, so tröstete er sich mit der Mutter, schloß sich mit derselben ein, und hier geißelte er sich entweder selbst oder ließ sich von dem Weibe geißeln.
Ein anderer uralter Geißler war der heilige Pardulph, der ums Jahr 737, zur Zeit Karl Martels lebte und dessen Leben zuerst von einem gleichzeitigen Schriftsteller, dann aber, zweihundert Jahre später, von Yvus, dem Prior der Benedictiner zu Clugny, auf Verlangen der Mönche des heiligen Martials in der Stadt Limoges in eleganterer Sprache beschrieben wurde. »Der heilige Pardulph,« heißt es an der bezüglichen Stelle, kam selten aus seiner Zelle, bloß, wenn ihn irgend eine Krankheit nöthigte, sich zu baden, wobei er sich allemal vorher die Haut aufritzte. Während der Fastenzeit aber zog er sich ganz nackend aus und befahl einem seiner Schüler, ihn mit Ruthen zu hauen.«
Von dem heiligen Wilhelm, Herzog von Aquitanien, der zur Zeit Karls des Großen lebte, erzählt sein gleichzeitiger Biograph Harduin, »es sei eine allbekannte Sache gewesen, daß sich der Herzog sehr häufig aus Liebe zu Christum hätte geißeln lassen, und daß er dann allemal mit der Person, welche ihn geißelte, allein gewesen wäre.« Ob diese Person nun ein Mann oder ein weibliches Wesen war, kann ich nicht finden; aber die Sache selbst wird auch noch bestätigt durch Häftenus, den Superior des Klosters von Afflingen, der erzählt: »daß der Herzog von Aquitanien ein großes Vergnügen darin gefunden hätte, auf einem harten Bette zu schlafen, und daß er sich überdies selbst mit einer Geißel...