Nachdem die verschiedenen Methoden der Prozessoptimierung und -visualisierung im letzten Kapitel vorgestellt und die geeigneten Methoden ausgewählt wurden, folgt die Betrachtung und Analyse der Unternehmenssituation des Unternehmens.
Zunächst wird das Unternehmen in Kürze vorgestellt, um einen ersten Eindruck des Unternehmens zu vermitteln. Eine Vorstellung der Auftragsabwicklung in der Theorie gewährt im Anschluss daran einen Einblick, wie der gesamte Abwicklungsprozess vollzogen werden sollte. Anschließend werden die in der Literatur zentral genannten Ziele einer Geschäftsprozessoptimierung dargestellt, bevor diese auf die spezielle Unternehmenssituation hin konkretisiert werden. Vor dem Hintergrund der durch die Geschäftsführung definierten Ziele, erfolgt abschließend eine problemorientierte Ausgrenzung betrieblicher Geschäftsprozesse, die einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen. Dabei wird der Auftragsabwicklungsprozess vorab in drei Hauptbereiche gegliedert und die einzelnen Teilprozesse angesichts einer Ausgrenzung durch Zielbildung betrachtet.
Das Unternehmen ist ein weltweit bekannter und akzeptierter Hersteller von Textilmaschinen, wobei die Betriebsgröße im unteren branchenüblichen Bereich der mittelständischen Unternehmen[61] mit einem Pro-Kopf-Umsatz von ca. € 100.000 im Jahr 2001[62] liegt.
Mit dem gegenwärtigen Produktionsprogramm konzentriert sich das Unternehmen hauptsächlich auf den Bereich der kontinuierlichen Wasch- und Bleichmaschinen[63]. Größtenteils werden dabei die kundenspezifischen Sondermaschinen hausintern gefertigt und montiert, wobei der Anteil der bereits vorgefertigten Zukaufteile über die letzten Jahre stetig gestiegen ist.[64]
Die wichtigsten Vertriebsmärkte für das Unternehmen sind die Textil- und Bekleidungsindustrie in China, Indien, im Mittleren Osten und Südamerika. Der Vertrieb und Service der Produkte wird dabei über ein weltweit aufgebautes Netzwerk von Repräsentanzen gewährleitstet, welche als Kontraktpartner in den jeweiligen Ländern auftreten.
Gegründet wurde das Unternehmen als ein Tochterunternehmen zum Zweck eines Konstruktions- und Entwicklungszentrums. Im Jahr 2002 löste sich das ehemalige Tochterunternehmen aus der Holding heraus und wurde eigenständig.
Zu diesem Zeitpunkt übernahm die neue Geschäftsleitung des bereits finanziell und strukturell angeschlagenen Unternehmens. Seit dem führt das Unternehmen die Produktlinie des ehemaligen Unternehmens kontinuierlich weiter, mit dem Unterschied, dass sich die Geschäftsleitung gegenwärtig insbesondere auf Marketing- und Vertriebsaufgaben fokussiert. Hierunter fallen insbesondere die Erschließung neuer Märkte, die Gewinnung neuer Kunden und ein Erhöhung der Zufriedenheit der bestehenden und neuen Kunden.
„Der Geschäftsprozess der Auftragsabwicklung umfasst alle Aktivitäten, die auf die Gewinnung und Befriedigung von Kundenaufträgen – vom Angebot bis zum Zahlungseingang – hinwirken.“ [65]
Der Kundenauftrag stellt beim Auftragsabwicklungsprozess das zentrale Informationsobjekt dar. Neben Informationen über den Auftraggeber, den Bestellumfang sowie den Leistungsort, können weitere Informationen auftragsspezifisch festgelegt werden. Abhängig davon, ob der Auftrag von einem Kunden oder aus anderen Funktionsbereichen des eigenen Unternehmens erteilt wird, unterscheidet man dabei den externen vom internen Kundenauftrag.
Nach dem Eintreffen des Auftrags erfolgt in der Auftragsprüfung und -aufbereitung zunächst die Entscheidung, ob das Unternehmen den Auftrag annimmt, ablehnt oder ein Alternativangebot erstellt. In der Auftragsprüfung wird der Auftrag um möglicherweise fehlende Informationen ergänzt. Weiterhin wird der Auftrag in Hinblick auf Preiskonditionen, Produktverfügbarkeit zum gewünschten Termin, Liefermodalitäten und Bonität des Kunden überprüft. Die Prüfung der Lieferfähigkeit kann teilweise durch Kontrolle des Lagerbestandes erfolgen.
Im Anschluss an die Prüfung und Aufbereitung erfolgt eine Umsetzung des Kundenauftrags in einer Auftragsbestätigung und in interne Bearbeitungspapiere, wie Konstruktionszeichnungen, Stücklisten, Stammblätter etc.[66]
Die Stammblätter[67] werden in der Arbeitsvorbereitung (AV) erstellt, ausgehend von den in der Konstruktion entworfenen Zeichnungen und Stücklisten. Sie enthalten die nach optimalen technischen und wirtschaftlichen Kriterien ermittelten Anweisungen zur Durchführung der Fertigungs- und Montageprozesse. Weiterhin werden von der AV die, für eine geplante Produktion notwendigen, neuen Fertigungsmittel bestimmt sowie neue Fertigungsmethoden und -verfahren entwickelt und ausgewählt.[68]
Auf Basis der erstellten Stammblätter werden in der Arbeitssteuerung Termine und Reihenfolge der Auftragsabwicklung in Fertigung und Montage (F&M) festgelegt und die Einhaltung dieser Vorgaben überwacht.
Nach der F&M werden die Versandpapiere erstellt, die gegebenenfalls mit Fracht-, Transport- und Zeitdaten ergänzt werden müssen. Abhängig von der Art der Güter, dem Zielort und gesetzlichen Bestimmungen gehören neben dem Lieferschein auch Frachtbriefe, Ausfuhrpapiere, Ladelisten, Ursprungszeugnisse, Versandaufträge, Zollpapiere etc. zu den Versandpapieren.
Die Fakturierung (Rechnungslegung) ist das abschließende Element im Auftragsabwicklungsprozess. Die Rechnung bildet dabei die Grundlage, auf der die Kunden ihre offenen Posten begleichen.[69]
„Ziele beschreiben angestrebte Zustände beziehungsweise erwünschte Wirkungen des zu gestaltenden Bereiches.“ [70]
Das Ziel der Prozessoptimierung ist es, ganze Prozessketten einfacher und schneller abzuwickeln, indem unnötige Zwischenschritte weggelassen werden, die einzelnen Aufgaben fließend ineinander übergehen, aber gleichzeitig auch alle für den Ablauf wichtigen Funktionen im Prozess berücksichtigt werden. Hierdurch kann sich das Unternehmen von Konkurrenten differenzieren und Kosten, die durch umständliche Bearbeitung und Fehler anfallen, reduzieren.[71] Während in der Vergangenheit zunächst Prozesse in der Produktion optimiert wurden, wird nunmehr der indirekte Bereich[72] verstärkt einer Prozessoptimierung unterzogen.
Eine Schlüsselrolle nimmt dabei zweifellos der Prozess vom Auftrag des Kunden bis zur Auslieferung der Ware ein.[73]
Im Folgenden werden nun einige der in der Literatur zentral genannten Ziele einer Geschäftsprozessoptimierung dargestellt, bevor diese auf die spezielle Unternehmenssituation hin konkretisiert werden.
Der Faktor Zeit ist in Fertigungsprozessen sowie in den vorgelagerten indirekten Bereichen ein vielfach untersuchtes Leistungskriterium, das bei jeder Prozessanalyse genauestens untersucht wird. Erst die Kenntnis der genauen Durchlaufzeiten ermöglicht die Angabe von verbindlichen Lieferterminen, wohingegen eine erhöhte Prozessdauer immer mit monetären Nachteilen und meist mit einer geringeren Kundenzufriedenheit verbunden ist. Aus diesen Gründen ist das Messen bzw. die Kenntnis der Durchlaufzeit für Fertigungs- und indirekte Prozesse eine elementare Forderung.[74]
Nach Fischermanns und Liebelt versteht man dabei unter der Durchlaufzeit eines Objektes „die Zeitdauer des entsprechenden Aufgabenerfüllungsprozesses von einem definierten Anfangs- bis zu einem definierten Endzeitpunkt“ [75]. Ein Prozess endet folglich erst mit der Übergabe der Leistung an den Kunden oder an den nachgelagerten Prozess und nicht mit der Fertigstellung des Produktes bzw. der Leistung. Der Vorteil dieser Definition ist, dass die Durchlaufzeit lückenlos erfasst wird, und die erhobenen Zeiten mit der Kundenwahrnehmung in Einklang stehen.[76]
Für die Quantifizierung des Prozesskettenplanes bezüglich der Durchlaufzeiten stehen verschiedene Methoden zur Auswahl, wobei sich die klassische Interviewmethode bewährt hat. Der Vorteil dieser Methode liegt in der schnellen Akquisition von Daten, wobei die Qualität der Datenaufnahme von der Erfahrung und dem Abstraktionsvermögen der Mitarbeiter abhängig ist.[77] Eine weitere Erhebungsmethode ist die Kopplung des Projektplanes an die Auftragspapiere und diesen mit einem eingehenden Auftrag durch das gesamte Unternehmen laufen zu lassen. Hierbei trägt jeder Mitarbeiter die zu erfassenden Daten der von ihm durchgeführten Aktivitäten in den Prozesskettenplan ein. Diese Vorgehensweise ist jedoch im Verhältnis zur...