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E-Book

Der 'Gemeinsame Wirtschaftsraum' zwischen EU und Russland

AutorMarina Moser
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl80 Seiten
ISBN9783638378024
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich VWL - Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Note: 1,7, Freie Universität Berlin (Fachbereich Wirtschaftswissenschaft - Osteuropa Institut - Arbeitsbereich Recht und Wirtschaft), 71 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: [...] In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob die geplante Harmonisierung von Regeln, Strukturen und Prozeduren aus ökonomischer Perspektive sinnvoll ist. Dabei wird von einem gemeinsamen Ziel Russlands und der EU ausgegangen, nämlich der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands. Für eine intensive Kooperation gibt es gute Gründe: Die gemeinsame Grenze hat sich durch die unlängst erfolgte Erweiterung der EU verlängert und von einer Integration der Märkte könnten beide Seiten profitieren. Die EU hat Interesse an einem prosperierenden Russland, mit dem ein reger Handel stattfindet, der beiden Parteien zugute kommt. Russlands wirtschaftliche Situation hat sich in den letzten Jahren zwar erheblich gebessert, dennoch ist eine weitere Entwicklung in Richtung Wohlstand keineswegs als selbstverständlich anzusehen, und die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU werden aller Voraussicht nach einen wesentlichen Beitrag zum russischen Wirtschaftswachstum leisten. Die vorgesehene regulatory convergence soll die Handelsintegration begleiten und fördern, und sich somit positiv auf Wohlstand und Wachstum auswirken. Dieser Gedanke entsteht offensichtlich in Anlehnung an die Erweiterungspolitik der EU, und man erhofft sich dadurch einen ähnlichen Erfolg wie in den neuen Mitgliedsstaaten. Den theoretischen Hintergrund der Analyse, der in Kapitel 2 vorgestellt wird, bildet die Literatur, die sich mit der Entstehung und dem Wandel von Regeln und Normen auseinandersetzt (welche in der Ökonomie allgemein als Institutionen bezeichnet werden). Im Zentrum von Kapitel 3 steht das Konzept des CES. Es wird auf die bisherige politische Beziehung zwischen Russland und der EU eingegangen, das offizielle Konzeptpapier zusammengefasst und dessen Interpretation in der Literatur wiedergegeben. Der Beschluss von Russland und der EU, ihre Regeln und Gesetze zu harmonisieren, impliziert im Extremfall eine Übertragung des gesamten acquis communautaire nach Russland, also des Gesamtbestandes an Rechten und Pflichten, der für die Mitgliedsstaaten der EU verbindlich ist. Diese Gesetze und Regeln sind, insofern sie den Handlungsspielraum der Individuen einschränken und steuern und dadurch die Anreizstrukturen der Gesellschaft definieren, Institutionen. Die optimale institutionelle Gestaltung aber, und dies ist der zentrale Gedanke, der in dieser Arbeit aufgenommen wird, ist landesspezifisch. [...]

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Leseprobe

3.1 Zum politischen Verh¨ altnis Russlands und der EU


Die bisherigen Beziehungen zwischen Russland und der EU weisen eine offen- Divergenz zwischen der Rhetorik der Gipfeltreffen und den tats¨ achlich umgesetzten Beschl¨ ussen auf. Auf dem Gipfel in Rom haben beide Seiten erneut bekr¨ aftigt, dass sie ihre strategische Partnerschaft auf der Basis gemeinsamer Werte weiter ausbauen wollen (Joint Statement of the 12th EU-Russia Summit, 2003, S. 2). Aus den Schlussfolgerungen des Europ¨ aischen Rates vom 12. Dezember 2003 geht hervor, dass es der EU in diesem Zusammenhang vornehmlich um die Werte der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, die Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die freie Marktwirtschaft geht (Europ¨ aischer Rat, 2003, S. 18, Absatz V. A., Nr. 66). Die Umsetzung dieser gemeinsamen Werte stellt aber eines der gr¨ oßten Hindernisse bei der angestrebten Integration dar. Die Missachtung der Menschenrechte, insbesondere im Kontext des andauernden Tschetschenienkonflikts (Baranovsky, 2000, S. 456), die Einflussnahme auf die Medien w¨ ahrend des letzten Wahlkampfes und die Ratifizierung des Kyoto Protokolls (Meier, 2003) sind hierf¨ ur einige Beispiele. Dort, wo das grunds¨ atz-

liche Interesse beider Parteien an wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand die Grundlage f¨ ur einen Konsens bilden k¨ onnte, sind immer wieder gerade diese gemeinsamen Werte“ die Ursache f¨ ur R¨ uckschl¨ age in den EU-russischen Be”

ziehungen. 9 Durch die EU-Erweiterung im Mai 2004 und den n¨ aherr¨ uckenden Beitritt Russlands zur World Trade Organisation (WTO) erhalten jedoch die Argumente f¨ ur eine Vertiefung der Beziehungen wieder h¨ ohere Priorit¨ at, und die strategische Partnerschaft soll weiter konkretisiert werden. Auf wirtschaftlicher Ebene geschieht dies in der Planung des CES. Um die Hintergr¨ unde und die Bedeutung dieser Initiative zu beleuchten, werden im Folgenden die wichtigsten Etappen der Zusammenarbeit in chronologischer Reihenfolge dargestellt und deren Hauptkritikpunkte zusammengefasst.

1997 - Das Partnership and Cooperation Agreement (PCA). Das 1994 abgeschlossene Abkommen (welches aber aufgrund von Auseinandersetzungen bez¨ uglich der russischen Politik im Tschetschenienkonflikt erst 1997 in Kraft trat) 10 sieht eine graduelle Integration Russlands und der Europ¨ aischen Ge-

meinschaft und eine verst¨ arkte Kooperation in Europa 11 vor. Als Ziel wird an-

to create the necessary conditions for the future establishment of

a free trade area between the Community and Russia covering sub- all trade in goods between them, as well as conditions for bringing about freedom of establishment of companies, of crossborder trade in services and of capital movements.“ (PCA, Art. 1)

Nach Clement (2002, S. 40) hat das PCA folgende Schwerpunkte: (i) eine Han- nach dem Meistbeg¨ unstigungsprinzip und die Abschaffung von quantitativen Handelsbeschr¨ ankungen, (ii) eine wirtschaftliche und rechtliche Kooperation u. a. in den Bereichen Transportwesen, Energie und Umweltschutz, (iii) eine Kooperation auf den Gebieten Justiz und Inneres mit Schwerpunkt auf der Verhinderung von illegalen Aktivit¨ aten wie Drogenhandel, Geldw¨ asche und organisierter Kriminalit¨ at. Die Kritik an dem PCA richtet sich vor allem gegen die unzureichende Durchf¨ uhrung der beschlossenen Maßnahmen. Clement (2002, S. 47-48) spricht von einer schwierigen Umsetzung des PCA, die auch von russischer Seite bedauert werde. Kritisiert werde von russischen Wissenschaftlern weniger der Inhalt als vielmehr die zu langsame Implementierung, die beide Seiten zu verantworten h¨ atten, sowie die offensichtlichen Kompromisse und die zweideutigen Formulierungen. Viele Vereinbarungen w¨ urden bisher nur auf dem Papier existieren. Insbesondere sei das PCA bei den Bestimmungen zur Schaffung einer Freihandelszone in Bezug auf den Beginn der Verhandlungen vage. Die EU dagegen, so Clement (2002, S. 47-48), kritisiere die Nichterf¨ ullung der Verpflichtungen von russischer Seite, insbesondere hinsichtlich der Anpassung des Handels- und Zollregimes, der Schaffung der Grundlagen f¨ ur die Gr¨ undung und T¨ atigkeit von Unternehmen, des Kapitalverkehrs und der laufenden Zahlungen.

rop¨ aischem Rat beschlossen. Durch diese sollte die Politik der EU gegen¨ uber Russland genauer definiert werden. Das Dokument beginnt mit der Feststellung: ” A stable, democratic and prosperous Russia, firmly anchored in a united Europe free of new dividing lines, is essential to lasting peace on the continent“ (Europ¨ aischer Rat, 1999, Part I, ” Vision of the EU for its partnership with Russia”, S. 1). Es steht, st¨ arker noch als im PCA, die Entwicklung einer stabilen, offenen und pluralistischen russischen Demokratie im Vordergrund, die von rechtsstaatlichen Prinzipien geleitet ist. Diese soll die Grundlage f¨ ur eine dynamische Marktwirtschaft bilden, von der die Menschen in Russland und der EU gleichermaßen profitieren. Weiterhin erhalten die Stabilit¨ at in Europa und die F¨ orderung der weltweiten Sicherheit einen hohen Stellenwert. Es soll ein gemeinsamer Wirtschafts- und Sozialraum geschaffen werden, 13 hierf¨ ur wird allerdings der WTO-Beitritt Russlands als zentrale Voraussetzung angesehen. 14 Dabei findet der f¨ ur 1998 vereinbarte 15 Termin zum Beginn der Verhandlungen uber ein Freihandelsabkommen jedoch keine Erw¨ ahnung. Erst Ende 2001 wurde ¨ der Dialog ¨ uber eine Freihandelszone als Bestandteil eines gemeinsamen europ¨ aischen Wirtschaftsraumes auf dem EU-Russland Gipfel wieder aufgenommen (Clement, 2002, S. 40-45). Kritik wurde haupts¨ achlich von russischer Seite ge¨ außert. Insbesondere wurde die Tatsache als Herausforderung empfunden, dass Russland zum Objekt einer unilateralen Strategie wurde. Noch im selben Jahr entwarf Russland deshalb eine Antwort. Die Gegenstrategie wurde unter dem Namen Medium-term Strategy for Development of Relations between the Russian Federation and the European Union (2000-2010)“ (im Folgenden: Mediumterm Strategy) verfasst und von dem russischen Staatspr¨ asidenten Putin auf dem Oktober-Gipfel vorgestellt.

sche Initiative. Ein Auszug aus dem Strategiepapier verdeutlicht den allgemei- Tenor des Dokuments:

The Strategy is primarily aimed at insuring national interests and

enhancing the role and image of Russia in Europe and in the world [. . . ] and at mobilizing the economic potential and managerial experience of the European Union to promote the development of a socially oriented market economy of Russia [. . . ]. During the period under review, partnership between Russia and the European Union will be [. . . ] without an officially stated objective of Russia’s accession to or ,association‘ with the EU. As a world power situated on two continents, Russia should retain its freedom to determine and implement its domestic and foreign policies, its status and advantages of an Euro-Asian state and the largest country of the CIS [Commonwealth of Indipendent States, Anm. d. Verf.], independence of its position and activities at international organizations.“ (Medium-term Strategy, 1999).

Bordachev spricht außerdem von ungenauen und extrem vagen Formulierun- die die Widerspr¨ uche der Innen- und Außenpolitik Russlands Anfang des 21. Jh. widerspiegeln (Bordachev, 2003, S. 33). Diese vagen Formulierungen, so Bordachev (2003, S. 41-42), fallen insbesondere dann auf, wenn man die Aussagen im Lichte der Verhandlungen ¨ uber den WTO Beitritt bzw. der Debatte uber die PCA-Implementierung betrachtet. So legt die Strategie z.B. dar, dass ¨

in bestimmten Sektoren protektionistische Maßnahmen gerechtfertigt seien und Versuchen von Seiten der EU privilegierte Beziehungen zu bestimmten L¨ andern des CIS zu unterhalten entgegengewirkt w¨ urde; Gelegenheiten, den Anteil der EU am Gesamtkapital der russischen Banken zu erh¨ ohen, sollen lediglich ermittelt und die M¨ oglichkeit von Handels- oder steuerlichen Beg¨ unstigungen im Gegenzug zu Investitionen aus der EU nur untersucht werden. Bordachev (2003, S. 37) konstatiert aber auch den Wert des Strategiepapiers als ersten Versuch, eine konsolidierte Außenpolitik zu formulieren, die sich auf die Europ¨ aische Union als Ganzes bezieht. Zwar sei die allgemeine Pr¨ aferenz Russlands f¨ ur bilaterale Beziehungen erhalten geblieben, formell gesehen sei jedoch mit der

Medium-term Strategy dieses Vakuum gef¨ ullt. 16 Clement zitiert eine kritische unver¨ offentlichte Stellungnahme von russischer wissenschaftlicher Seite:

[Die russische Strategie, Anm. d. Verf.] was even less special in its

wording (im Vergleich zu der gemeinsamen Strategie der EU [. . . ]). Russia didn’t even mention that the EU was to be considered as its major strategic partner, as [sic!] least on paper. The reason for this was clear: Russia wanted to play in between its Eastern and Western...

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