Vor dem Hintergrund einer sich weltweit zuspitzenden Abfallproblematik, gigantischen Müllinseln in unseren Ozeanen[38] und sich häufenden Berichten über grauenhafte Produktionsbedingungen auf Kosten von Natur und Menschen[39], bildete sich bei der Gesamtheit westlicher Konsumenten ein zunehmendes Interesse an moralischen Aspekten ihres Konsums.
Das Bedürfnis nach Konsum ist zunächst eine Notwendigkeit, die grundsätzlich als weder per se positiv noch negativ zu determinieren ist. Vielmehr kann festgestellt werden, dass alles was lebt konsumieren muss. Elementare Dinge, wie Sauerstoff, Wasser, Licht und Wämie werden von uns ebenso konsumiert wie beispielsweise Nahrung, Kleidung oder Wohnraum.[40]
Der Konsum und vor allem die Versuche verschiedenster Unternehmen den Konsumenten in Form von Werbemaßnahmen anzusprechen, sind im Alltag vieler Menschen omnipräsent. In den führenden westlichen Staatengemeinschaften ist diese allgegenwärtige Möglichkeit des ständigen und ungezügelten Konsums im Überfluss besonders deutlich wahrnehmbar. So ist es zur Normalität geworden an 24 Stunden am Tag und unabhängig von Jahreszeiten beinahe alle vorstellbaren Güter und Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können.[41]
Der moderne Konsum geht also weit über die Befriedigung von Grundbedürfnissen nach Nahrung, Bekleidung oder Unterkunft hinaus. Vielmehr sind es Kulturbedürfnisse, die in unserer Konsumgesellschaft den überwiegenden Anteil des Gesamtkonsums einnehmen· Diese können Zugehörigkeitsgefühle oder die freie Persönlichkeitsentfaltung zum Ausdruck bringen. [42]
Zu problematisieren ist dies vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen an dieser neuen Form des Konsums teilhaben werden. Beispielhaft wird dies im Kontext der zunehmenden Motorisierung in den bevölkerungsreichen Schwellenländem.[43] Wenn der Einzelne ein Auto mit hohen Schadstoffemissionen und hohem Benzinverbrauch fahrt, ist dies nicht weiter schädlich. Wird es allerdings für große Bevölkerungsgruppen möglich an den Errungenschaften der Modeme teilzuhaben und sich zu motorisieren, sind die negativen Folgen für Natur und Umwelt nicht abzusehen.
Der Einzelne handelt in diesem Beispiel zwar im Rahmen seiner Möglichkeiten und individuell rational, aber im Kollektiv entstehen schwerwiegende Folgen für Mensch und Umweh. Damit wird aus dem rationalen Handeln Einzelner ein irrationales Handeln Vieler. Diese Dynamik lässt sich im Markt verschiedentlich beobachten und wird von Unternehmen und anderen Einflussfaktoren noch verstärkt. Eine Lösung aus diesen Stmkturen ist für den einzelnen Konsumenten zunächst kaum möglich.[44]
Wenn jedoch alle Menschen auf dieser Weh nach einem gleich hohen Lebensstandard streben und von ihm profitieren wollen, ist es zwingend erforderlich neue Wege der Produktgestahung und dem Umgang mit Menschen und Natur zu gehen. Aufgrund der Unfähigkeit des aktuellen Systems die Bedürfnisse Aller aufzufangen, ist sein Zusammenbruch im Grunde vorprogrammiert.
Seit entwickelte menschliche Gesellschaften existieren, war das Bedürfnis nach Konsum der Motor für Handel, Produktion, Landwirtschaft, Arbeitsmärkte und letztlich der gesamten Wirtschaft.[45] Zu Zeiten einer globalisierten Welt mit undurchschaubaren Märkten und komplexen weltweiten Her- stellungs- und Handelswegen, ist für den Konsumenten kaum noch erkennbar, welche Geschichte die Produkte in den Regalen erzählen könnten.
Feststeht, dass die Menschen dieser Erde derzeit zu viel der gegebenen Ressourcen verbrauchen um ihre Konsumgier zu befriedigen. Im Schnitt wird in einem Jahr so viel produziert, verbraucht und entsorgt, wie die Erde allenfalls in 1,4 Jahren verarbeiten, beziehungsweise bereitstellen könnte.[46] Es wird also leichtsinniger weise das Kapital verbraucht anstatt von den Zinsen zu leben.
Von all dem nimmt die breite Öffentlichkeit zunehmend Notiz. In empirischen Untersuchungen zu dem Thema, zeigt sich regelmäßig über die Hälfte der Befragten besorgt über die Produktionsbedingungen der von ihnen gekauften Produkte. Sie geben an, durchaus an hohen ökologischen und sozialen Standards interessiert zu sein. Allerdings konnte im Gegenzug gezeigt werden, dass dennoch lediglich zehn Prozent diese Aussage auch in die Tat Umsetzen, indem sie vornehmlich Produkte konsumieren, die dem entsprechen.[47]
Mit der Erkenntnis, dass das derzeitige Konsumverhalten der Mehrheit der Konsumenten direkt oder indirekt erhebliche ökologische und soziale Schäden hervorruft, rücken zunehmend konsumethische Bedenken in den Fokus der gesellschaftlichen Wahrnehmung.[48] Neben der in der Fachliteratur vielfach behandelten gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen, rückt aktuell auch die gesellschaftliche Verantwortung des einzelnen Konsumenten in den Mittelpunkt.[49]
Verantwortliches Konsumverhalten kann verschiedentlich motiviert sein. In der Fachliteratur ist von nachhaltigem, politischem und moralischem Konsum die Rede.
Moralisch motivierter Konsum orientiert sich in erster Linie an gesellschaftlichen Normvorstellungen. Hier stehen spezifische Ideale sowie Wert- und NormvorsteHungen hinter den Konsumentscheidungen des einzelnen Verbrauchers. Diese sind kulturell geprägt und variieren zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen, Altersgruppen sowie der sozialen Schicht. Als entscheidende Rinflussfaktoren können hier neben der nationalen Identität auch religiöse und familiale Kontexte sowie soziale Zugehörigkeiten identifiziert werden. Moralisch wird immer dann konsumiert, wenn sich die Konsumentscheidungen an Prinzipien und Werten dieser Prägungen orientieren.[50]
Diese Art des Konsumverhahens zieh also darauf ab, in Abstimmung mit den gegebenen Regeln und Prinzipien zu stehen. Beispiele hierfür lassen sich aus religiösen Emährungsgeboten ableiten. So verbieten beispielsweise verschiedene Religionen den Verzehr von Fleisch oder Alkohol zu besonderen Anlässen. Oder sie streichen gar eine ganze Tiergattung vom Speiseplan. Man orientiert sich an den Werten und Normen einer Religion oder denen einer sonstigen sozialen Konstellation. Bei kritischer Betrachtung scheinen auf dieser Grundlage gefällte Konsumentscheidungen aufgrund ihres Ge- und Verbotscharakters eher extrinsisch motiviert zu sein und dabei wenig reflektiert.
Der politisch motivierte Konsument ist daran interessiert, durch sein individuelles Konsumverhalten und aktiver Teilhabe am gesellschaftlichen Leben Einfluss auf den globalen Markt zu nehmen. Besonders kritisch wird vom politischen Konsumenten das Machtverhahen internationaler Konzerne und einzelner Regierungen beäugt. Er setzt sich außerdem mit seinem individuellen Verbraucherverhalten und den Auswirkungen seines Handelns in kritischer Forni auseinander. Diese Form des bewussten Konsumenten setzt sich vor allem mit der sozio-ökologischen Verträglichkeit der Produkte auseinander und entscheidet sich bewusst für verträgliche und gegen unverträgliche Erzeugnisse und Dienstleistangen. Diese Verbraucher nutzen neben bewussten Kaufentscheidungen auch ihren Einfluss als mündige Bürger, um den Markt in ihrem Sinne mitzugestahen.[51]
Als Druckmittel dem Markt gegenüber stehen diesem Konsumenten verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Denkbar wäre beispielsweise der Boykott verschiedener Fimien, die durch schlechtes sozio-ökologisches Handeln aufgefallen sind.
Ein Beispiel für das Auftreten politisch motivierten Konsums war im Kontext des Skandals um die geplante Versenkung der ölplattform Brent-Spar des Shell-Konzems im Nordatlantik im Jahre 1995 zu beobachten. Hier wurde seitens der Umwehschutzorganisation Greenpeace auf den Skandal aufmerksam gemacht und eine weitreichende mediale und politische Reaktion ausgelöst. Mit erheblicher Resonanz der Bevölkemng und Politik wurde zum Boykott von Shell-Tankstellen aufgemfen. Das Ergebnis war ein ruiniertes Firmenimage und die Verhindemng der Versenkung der Ölbohrinsel. Sie wurde auf Kosten der verantwortlichen an Land entsorgt statt auf Kosten der Natur in der See.[52]
Durch ziviles Eingreifen in den Markt und die Politik, wird auf die Verletzungen von Rechten oder der Schädigung des Allgemeinwohls durch Firmen und deren Politik reagiert.
Wie bereits im ersten Teil dieser Arbeit dargestellt, steht im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung die Erhaltung oder Ermöglichung von intergenerationaler Gerechtigkeit. Diese ergibt sich aus dem bewussten Umgang mit Ressourcen, Natur und Umwelt sowie sozialer Gerechtigkeit. Außerdem ist ein stabiles ökonomisches System Bestandteil dieses Ansatzes. Nachhaltiger Konsum misst sich demnach an sozialen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen an die Güter und Dienstleistungen.
Unterschieden werden kann zwischen zwei Formen des nachhaltigen Konsums. Zum Einen ist nachhaltiger Konsum im...