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Musterbrecher

Die Kunst, das Spiel zu drehen

AutorDirk Osmetz, Dominik Hammer, Hans A. Wüthrich, Stefan Kaduk
VerlagMurmann Publishers
Erscheinungsjahr2020
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783867742979
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Dieses Buch zeigt Ihnen, wie man mit herkömmlichen (Führungs-) Muster bricht, um Neues und Ungewöhnliches auszuprobieren - und damit erfolgreich zu sein. Die Musterbrecher und Autoren Stefan Kaduk und Dirk Osmetz kennen als Berater die Denk- und Verhaltensmuster in Organisationen, die trotz New-Work-Rhetorik immer noch den Alltag prägen: Mitarbeitende müssen entwickelt und bewertet werden, Fehler sind tabu, Pläne müssen wider besseres Wissen eingehalten werden. Spätestens hier sind Musterbrecherinnen und Musterbrecher gefragt, Mitarbeiter, die bereit und in der Lage sind, aus den gängigen Klischees auszubrechen, zu experimentieren und die scheinbar selbstverständlichen Dinge gründlich zu hinterfragen. Nicht die Perfektionierung des Vorhandenen (die sowieso nicht gelingt) ist die Devise. Was wirklich hilft, ist eine Änderung der Sichtweise. Die Autoren sind überzeugt: 'Veränderung in Organisationen hat nur dann eine Chance, wenn Menschen mit neuen Mustern experimentieren.' Jetzt als aktualisierte Neuausgabe mit neuen Beispielen.

Stefan Kaduk, Dirk Osmetz, Hans A. Wüthrich und Dominik Hammer sind promovierte Wirtschaftswissenschaftler und arbeiten an der Schnittstelle zwischen Forschung und Beratungspraxis. 2003 gründeten sie die Musterbrecher®-Initiative, treten seitdem als Keynote-Speaker, Workshop-Moderatoren und Organisationsbegleiter auf. Zudem bieten sie verschiedene Formate im Rahmen der (experimentellen) Führungskulturentwicklung an. Nach wie vor sind sie auch in Forschung und Lehre tätig, dies an der Universität der Bundeswehr München. 2006 erschien ihr Management-Bestseller Musterbrecher - Führung neu leben, über den Rolf Dobelli urteilte: 'Führungsbuch für Querdenker'.

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Leseprobe

01 Unsicherheit willkommen.
Warum sich ohne Experimente nichts verändert

Im Frühsommer 2006 werden wir vom Abteilungsleiter des sogenannten »Thinktanks« eines großen deutschen Versicherungskonzerns mit einem Forschungsprojekt beauftragt. Aufgabe ist es, eine Exzellenzstudie zu erstellen. Einerseits sollen wir »Exzellenz« als Begriff sowie ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz aus der Vogelperspektive betrachten, andererseits aber auch ganz konkrete Beispiele – Benchmarks – recherchieren. Es geht nicht nur um Begriffsarbeit. Man erwartet von uns auch konkrete Handlungsempfehlungen.

Das Thema ist interessant. Denn wir alle wissen: Seit vielen Jahren wird im Übermaß von Exzellenz gesprochen, und keineswegs ist sicher, was damit wirklich gemeint ist. Sind Exzellenzcluster mehr als die bloße Verbindung von Forschungseinrichtungen? Heißt jetzt alles exzellent, was irgendwie über dem Durchschnitt liegt – vergleichbar mit der weich spülenden Formulierung von Arbeitszeugnissen? Nach einem halben Jahr der Recherche in einem insgesamt fünfköpfigen Forscherteam und nach einer Reihe von Interviews mit Wissenschaftlern und Wirtschaftspraktikern, Medizinern, Sportlern und Geistlichen bleibt unser Bild von Exzellenz diffus. Organisationen können sowohl trotz als auch aufgrund hervorragender Strukturen und Prozesse exzellent (oder das Gegenteil) sein. Manche sind exzellente Nachahmer, andere exzellente Vorreiter. Einige zeichnen sich durch die Exzellenz der Teams aus, andere durch die von einzelnen Mitarbeitenden. Für uns wird klar, dass es kein einheitliches Exzellenzverständnis gibt. Und es ist keine Karte in Sicht, die den Weg zur Exzellenz beschreiben könnte. Das Problem ist nur: Wir können am Ende des Forschungsprojektes kein Rezept präsentieren, was – wie man sich vorstellen kann – beim Auftraggeber keine Begeisterungsstürme auslöst.

Unser schlechtes Gewissen beruhigt sich etwas, als uns Franz Josef Radermacher, Professor für Informatik, Vorstand des Kuratoriums der Global-Marshall-Plan-Initiative und Mitglied des Club of Rome, in einem Interview seine Sicht auf die Dinge schildert: »Meine Wahrnehmung des in der Wirtschaft dominanten Exzellenzverständnisses? Es ist oft lediglich dummes Gerede, Marketing. Für mich beginnt es beim Menschen als sozialem Wesen. Ein richtiger Exzellenzbegriff hat nur als soziales Konstrukt Sinn.«

Es ist nicht verwunderlich, dass es uns nicht gelang, eine Landkarte der Exzellenz zu zeichnen. Schließlich muss jedes System seine eigene Exzellenz (er)finden. Und dieses Finden und Erfinden geschieht naturgemäß nicht in einem bereits abgesteckten Gelände. Vielmehr muss man sich in einen unsicheren Suchprozess begeben, den wir als »Experiment« bezeichnen wollen. Wir meinen damit einen mehr oder weniger gewagten Versuch, von dem man noch nicht weiß, ob er gut oder schlecht ausgehen wird. Später werden wir sehen, dass er in keinem Fall scheitern kann.

In der Technik und in der wissenschaftlichen Forschung ist das Experiment ein Standardverfahren zum Erkenntnisgewinn.

Experimente sind dazu da, deduktiv gewonnene Erkenntnisse zu verwerfen oder zu bestätigen, andererseits stellen sie eine Basis für die Abstraktion von Beobachtungen dar. In beiden Varianten ist der Kern das Infragestellen der Wirklichkeit. Es ist in unserem Sinne unerheblich, ob man eine Hypothese zugrunde legt, die dann überprüft wird, ober ob man eine bis dahin nicht beobachtete Situation erzeugt. Es geht in beiden Fällen darum, sich vom Ergebnis »überraschen zu lassen«.3 Ziel ist das Entdecken von etwas brauchbarem Neuem oder von etwas nicht mehr brauchbarem Altem.

Beau Lotto, Künstler, Neurowissenschaftler und Gründer des Lottolab, eines Instituts, in dem Kunst und Wahrnehmungsforschung vereint werden, beschreibt es in einem TED-Vortrag4 wie folgt: »Wahrnehmung (Denken, Fühlen, Erleben, Handeln, Träumen …) ist in unserer Erfahrung begründet und verankert. Diese Perzeptionen sind primär unbewusste Prozesse individueller Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung. Wir sehen nicht, was da ist, sondern wir sehen zuallererst einmal das, was in der Vergangenheit sinnvoll war. Unser Sehen entspricht Erfahrungen, die wir im Vorfeld machten.«5 Folglich werden unsere Wahrnehmungen von Mustern geprägt, die uns einmal halfen, ein Problem zu bewältigen, oder die uns für ähnliche Situationen nützlich erscheinen. Stets suchen wir, bewusst und unbewusst, nach Sicherheit. Denn stets wurde in unserer Entwicklungsgeschichte unsere Existenz bedroht: Ist das eine Schmusekatze oder ein Säbelzahntiger? Wer hier unsicher war, wurde gefressen.

Unsicherheit ist ein Zustand, in dem wir uns unwohl fühlen.

Unsicherheit erzeugt Unbehagen, oft auch Angst. Zu jeder Zeit war menschliches Zusammenleben von dem Bestreben geprägt, Unsicherheit durch Schaffung einer bestimmten Ordnung zu vermeiden. Zu diesem Zweck gab und gibt es Regeln, früher aufgestellt von Pharaonen, Königen oder Ständen, heute manchmal das Ergebnis demokratischer Willensbildung, manchmal sogar das Produkt despotischen Willens. Nach wie vor gibt es gesellschaftliche Hierarchien, die für Ordnung sorgen. In früheren Jahrhunderten wurde diese Ordnung mitunter radikal und menschenverachtend herbeigeführt. In der Antike etwa wurden Sklaven nur bedingt als Menschen angesehen. Durch diese Ausgrenzung erhielten jene, die als Freie den Status vollwertiger Menschen hatten, Sicherheit im Umgang mit den Sklaven. Im Mittelalter zeigte sich die gesellschaftliche Stellung durch die Art der Kleidung. Das Handwerk organisierte sich in Zünften und legte fest, was »unzünftiges« Verhalten war. Heute suchen wir Sicherheit in der oft gescholtenen und dann doch immer wieder in Anspruch genommenen bürokratischen Ordnung. Im Grunde lieben wir den Zustand höchster Sicherheit, Beständigkeit und Kontinuität.

Trotz ihres Dauerbekenntnisses zum permanenten Wandel produziert die moderne Gesellschaft westlicher Prägung unablässig Institutionen, die der Sicherheit dienen sollen – im Gesundheitswesen, in der Justiz, in der Bildung und in Unternehmen.

Wir beklagen die selbst in großen Organisationen abnehmende Arbeitsplatzsicherheit und erfreuen uns eher halbherzig an den neuen Chancen fluider und virtueller Beschäftigungsformen. Nach Dirk Baecker bestimmen Entscheidungsabläufe den Bauplan von Organisation. Zu jeder Entscheidung bedarf es vorhandener Kompetenzen, Ressourcen und Fähigkeiten. Getroffene Entscheidungen vermitteln Klarheit und beseitigen Ungewissheit und Unsicherheit in der Kommunikation. Andere Stellen der Organisation bis hin zum Kunden werden damit nicht mehr belastet. Sie können mit der getroffenen Entscheidung weiterarbeiten.6

Es stellt sich sofort die Frage, wie wir trotz allen Sicherheitsstrebens jemals etwas Neues erkennen konnten? Wie kommt es dennoch zu Veränderung und Innovation? Warum »riskieren« es manche Unternehmer, Mitarbeitenden am Band oder im Callcenter tatsächliche Freiräume zu geben? Wie kommt es, dass Firmen die Sicherheit eines geordneten Gehaltssystems bewusst zerstören, indem die Mitarbeitenden die Höhe ihres Gehalts selbst bestimmen dürfen?

Weil wir – oder zumindest einige von uns – damit begonnen haben, Fragen zu stellen. Es geht um bislang unbeantwortete, ja sogar um prinzipiell unbeantwortbare Fragen. Letztere sind nach Heinz von Foerster Fragen, für die noch kein Bezugssystem existiert, in dem sie eindeutig zu beantworten wären. Es sind genau diese Fragen, die uns auf die höchste Stufe der Unsicherheit führen. Wer dennoch auf etwas Unbeantwortbares antwortet, exponiert sich. Er kann auf kein Sicherheit gebendes Faktum aus der Vergangenheit verweisen. Daraus entsteht wiederum eine sehr große Freiheit, so Heinz von Foerster. Denn wir können nahezu beliebig antworten, sofern wir den Preis der Verantwortung zu zahlen bereit sind.

Wenn wir also etwas Neues wollen, müssen wir uns ganz bewusst in die Unsicherheit begeben.

Darum sind im Sinne der Veränderung jene Fragen die besten, welche die größte Unsicherheit erzeugen. Es handelt sich um Fragen, bei deren Lösung weder irgendein Algorithmus noch die Erfahrung eines bereits erfolgreich beschrittenen Weges helfen können. Jedes Mal, wenn man sich mit diesen unangenehmen Fragen beschäftigt, erforscht und offenbart man seine individuellen Wertvorstellungen und Haltungen: »Liebe ich meinen Partner wirklich?«, »Kann ich meinem Nachbarn vertrauen?«, »Braucht Schule Noten?« oder: »Müssen unsere Krankenhäuser nach Managementstandards geführt werden?«

Nach Beau Lotto haben wir ein »Verfahren« entwickelt, das es uns erlaubt, gefahrlos diese Fragen zu stellen: das Spielen.

Das Spiel ist eines der wenigen Dinge, in dem wir Unsicherheit zelebrieren. Es eröffnet Möglichkeiten.

Es erlaubt, dass wir uns ausprobieren. Es basiert auf intrinsischer Motivation und Kooperation. Letztlich spricht Lotto damit die Vorstellung vom Homo ludens an. Damit ist jene Figur gemeint, die der Niederländer Johan Huizinga Ende der 1930er-Jahre beschrieb. Der spielende Mensch wächst in seinen individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten – vorausgesetzt, er bewegt sich in einem Feld, das ihm Handlungsfreiheit zugesteht.

Wenn wir uns diese Charakteristika des Spielens näher anschauen, wird deutlich, dass sie gleichzeitig die Voraussetzungen sind, die ein guter Wissenschaftler dafür braucht, um zu neuer Erkenntnis zu gelangen. Was uns jedoch beim Spielen (Englisch: play) noch fehlt, sind Regeln. Wenn wir dem Spielen Regeln geben, wird daraus das Spiel (Englisch: game). Es entsteht so...

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