Die hygienische Händedesinfektion ist die Abtötung von potenziellen Krankheitserregern auf der Haut der Hände durch Desinfektionsmittel. Dabei wird vor allem die sogenannte transiente Hautflora abgetötet, also die zeitweilig auf der Hand befindlichen Erreger, die nicht zur normalen Hautflora gehören. Im Gegensatz dazu soll bei der chirurgischen Händedesinfektion zusätzlich die residente Hautflora, also die normal auf der Haut befindlichen Erreger, auf ein Minimum reduziert werden.
Ignaz Semmelweis (1818–1865), später Retter der Mütter genannt, war Assistenzarzt in der Klinik für Geburtshilfe in Wien. Es war bekannt, dass in der Abteilung, in der Ärzte und Medizinstudenten arbeiteten, die Sterblichkeitsrate durch Kindbettfieber wesentlich höher war als in der Abteilung, in der Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden. Semmelweis wollte den Grund dafür finden und untersuchte die Mütter noch gründlicher. Doch gerade dadurch stiegen die Todesfälle in seiner Abteilung noch weiter an. Nach seinen Tagebuchaufzeichnungen starben im Jahr 1847 in der gesamten Klinik 36 von 208 Müttern an Kindbettfieber. Es war demnach genauso gefährlich, ein Kind auf die Welt zu bringen wie an Lungenentzündung zu erkranken.
Erst als der mit ihm befreundete Gerichtsmediziner Jakob Kolletschka (1803–1847) während einer Leichensektion von einem Studenten mit dem Skalpell verletzt wurde und wenige Tage später an einer Blutvergiftung verstarb, einer Krankheit mit ähnlichem Verlauf wie der des Kindbettfiebers, glaubte Semmelweis die Ursache der Erkrankung benennen zu können: Die Medizinstudenten führten täglich klinische Sektionen an Leichen der Patientinnen durch, die zuvor an Kindbettfieber verstorben waren. Mit ungewaschenen und nicht desinfizierten Händen untersuchten sie zwischendurch Frauen während der Entbindung und übertrugen dabei Spuren von infektiösem Material.
Die eigentliche Ursache der Infektionen, die auf den Händen vorhandenen Bakterien, war damals noch nicht bekannt. Die Hebammenschülerinnen aus der zweiten Abteilung hingegen kamen nicht mit Leichen in Kontakt und führten auch keine vaginalen Untersuchungen durch. Semmelweis wies seine Studenten daher an, sich nach Leichensektionen die Hände mit Chlorkalk zu desinfizieren, was die Sterblichkeitsrate von 12,3 % auf 2–3 % senkte. Als trotzdem noch einmal 12 Wöchnerinnen auf einen Schlag am Kindbettfieber erkrankten und als dessen Ursache das infizierte, jauchige Uteruskarzinom einer Mitpatientin vermutet wurde, erkannte er, dass die Ansteckung nicht nur von Leichen sondern auch von lebenden Personen ausgehen kann. So verschärfte er die Vorschriften dahingehend, dass die Hände vor jeder Untersuchung desinfiziert werden mussten. Dadurch gelang es ihm, im Jahr 1848 die Sterblichkeitsrate auf 1,3 % zu senken.
Trotz dieses Erfolgs wurden seine Arbeiten lange Zeit nicht anerkannt. Seine Studenten hielten Sauberkeit schlicht für unnötig und viele Ärzte wollten immer noch nicht wahrhaben, dass sie selbst jene Krankheit verursachten, die sie heilen wollten.1
Die auf der Haut befindlichen Erreger werden durch Händedesinfektionsmittel abgetötet oder inaktiviert. Dabei zerstören die Wirkstoffe (z. B. Alkohole) die Zellmembranen oder die DNA-Struktur der Erreger und führen so zu einer Abtötung bzw. Inaktivierung.
Es ist deshalb wichtig, die für die jeweilige Anwendung angegebenen Zeiten einzuhalten und das Händedesinfektionsmittel immer in ausreichender Menge und auf die trockene Haut zu geben.
Für die hygienische Händedesinfektion beträgt die übliche erforderliche Einwirkzeit 30 Sekunden.
Die meisten modernen Händedesinfektionsmittel basieren auf Alkoholen, welche zum Teil mit anderen Wirkstoffen kombiniert sind. Folgende Wirkstoffe werden als Einzelsubstanz oder in Kombination eingesetzt:
•Ethanol (60–96 %)
•1-Propanol (60–80 %)
•2-Propanol (60–85 %)
•Chlorhexidin (bis zu 4 %)
•Iod (1–1,3 %)
•Mecetronium Etilsulfat (0,2 %)
Damit sind nur die Häufigsten genannt. Zur Wirkung gegenüber den unterschiedlichen Erregern siehe Tabelle 1.
Tabelle 1: Bewertung der Wirksamkeit verschiedener Wirkstoffe aus Präparaten zur Händehygiene gegenüber verschiedenen Gruppen von Mikroorganismen (außer Viren)2
+++ umfassend und sehr schnell wirksam (15–30 Sekunden)
++ umfassend und sehr schnell wirksam (bis 2 Minuten)
+ umfassend und langsam wirksam(>2 Minuten)
(+) nicht umfassend wirksam
- nicht wirksam
n. b. nicht bekannt
Händedesinfektionsmittel zählen in Deutschland zu den Arzneimitteln. Sie werden vor Ihrer Zulassung zur breiten Anwendung in der klinischen Praxis nach einem festgelegten Prüfverfahren auf verschiedene Eigenschaften hin geprüft: das Spektrum der antimikrobiellen Wirksamkeit in Suspensionsversuchen (z. B. gegen Bakterien, Mykobakterien, Bakteriensporen, Pilze oder Viren) sowie die Wirksamkeit für die jeweilige Indikation in praxisnahen Untersuchungen.
Für die hygienische Händedesinfektion werden die Hände von Probanden mit dem Bakterium Escherichia coli künstlich kontaminiert und anschließend entweder mit dem Händedesinfektionsmittel oder mit einem Referenzalkohol behandelt. Neben der Wirksamkeit werden sie auch auf ihre Verträglichkeit hin geprüft.
Die Wirksamkeitsprüfungen erfolgen standardisiert nach europäischen und nationalen Richtlinien und sind vom Hersteller im Rahmen eines Zulassungsverfahrens beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nachzuweisen. Die Prüfungen erfolgen dabei in zwei Stufen:
1. Suspensionstest, der eine grundlegende abtötende Wirkung gegenüber den Bakterien, Viren und Pilzen bestimmt.
2. Tests unter Bedingungen, die den praktischen Anforderungen entsprechen (z. B. Abtöten von Testerregern auf der Haut nach Verreiben des Präparats in einer bestimmten Zeit und Reduktion der Erregerzahl um eine definierte Menge).
Die Industrie hat viele Jahre die alkoholischen Händedesinfektionsmittel mit Parfüm und Farbstoffen versetzt, um die Akzeptanz der Produkte bei den Verbrauchern zu erhöhen. Allerdings setzen sich in den letzten Jahren immer mehr parfüm- und farbstofffreie Produkte durch, um das ohnehin schon sehr geringe sensibilisierende Potenzial von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln noch weiter zu senken.
Bei den Viren unterscheiden wir sogenannte behüllte Viren (z. B. Hepatitis-B-Virus, HIV, Herpes simplex-Virus) und unbehüllte Viren (z. B. Norovirus, Adenoviren, Hepatitis-A-Virus, Rotavirus). Die meisten Wirkstoffe, die in Händedesinfektionsmitteln zum Einsatz kommen, sind gegenüber allen in der Medizin relevanten behüllten Viren wirksam, nicht jedoch gegen unbehüllte Viren. Deshalb muss im Falle des Ausbruchs mit etwa Noroviren das Händedesinfektionsmittel durch ein gegenüber unbehüllten Viren getestetes und wirksames (z. B. auf Basis von Ethanol 95 %) ersetzt werden (siehe Tabelle 2). Geeignete viruswirksame Händedesinfektionsmittel sind der Liste des Robert Koch-Instituts, Wirkungsbereich AB, zu entnehmen.
Tabelle 2: Bewertung der viruziden Wirksamkeit verschiedener Wirkstoffe aus Präparaten der Händehygiene3
* Surrogatvirus für HCV
** Antigentest
*** Prüfviren nach dem europäischen Normentwurf Viruzidie (prEN 14467) 14476!
+++ umfassend und sehr schnell wirksam (15–30 Sekunden)
++ umfassend und sehr schnell wirksam (bis 2 Minuten)
+ umfassend und langsam wirksam(>2 Minuten)
(+) nicht umfassend wirksam
- nicht wirksam
n.b. nicht bekannt
Ziel der chirurgischen Händedesinfektion ist es, die transiente – die zeitweilig auf der Haut befindliche – Hautflora...