■ Sri Lanka: The Wild Elephant Trail, 210 km
Negombo klingt nach Schwarzafrika, liegt aber in Sri Lanka. Seit über 2000 Jahren breiten die Fischer von Negombo ihren Fang zum Trocknen am Strand aus, die Krähen freut es. Zwei Stunden dauert der abendliche Abflug über die Touristen, die auf den Dachterrassen stehen und versuchen ihren Sundowner zu trinken, bevor verdauter Fisch in das Glas fällt.
Im Norden Sri Lankas bildete bis 1457 die „Adamsbrücke“ eine 30 km lange Verbindung nach Indien. Über diese Brücke seien seine Vorfahren, die Tamilen, vor 2000 Jahren eingewandert, erklärt mir Martin. Martin ist Christ, seine Vorfahren Hindus, die Portugiesen haben erfolgreich missioniert. 20 Kirchen gibt es in Negombo, das man „das Rom Sri Lankas“ nennt.
Das Läuferhotel soll 80 Euro kosten, Martin vermittelt mir eins für 15. Zum Glück erster Stock, denn die Reisetasche ist schwer, Outdoornahrung für die nächsten Tage und Markierungsband für 210 km.
Im moskitoverseuchten Hinterzimmer ist der Spülkasten des Klos offen, darin schwimmen Mückenlarven.
Adams Peak
Alte Sanskrittexte sagen, dass über Sri Lanka das Paradies gewesen sei. Nach der Vertreibung hätte Adam den ersten Fußabdruck auf der Erde dort oben auf dem 2250 Meter hohen Berg gesetzt. Auch für Muslime ist es Adams Abdruck, für Hindus jedoch der von Shiva, für Buddisten der von Budda, für indische Christen vom Apostel Thomas, der Fußabdruck (Sri Prada) soll 1,8 Meter lang sein, dafür finde ich später eine Erklärung.
Traditionell wird der Berg nachts bestiegen.Noch besser in der Vollmondnacht. Wer das macht, ist näher dem Nirvana, dem Austritt aus dem irdischen Leiden. Für mich einleuchtend, denn wenn man die brutalen 6000-11.000 Stufen auf 7 km hinter sich hat, spürt man eh nichts mehr.
Ich verpenne den Tag. Als ich abends wach werde, treffe ich Pat und Stan. Stan ist Chinese aus Victoria/Vancouver und Pat ist, naja, seine Eltern waren wohl Sklaven gewesen, er kommt von den Turks and Caicos Islands, seine Mutter sei aus Syrien, er lebt jetzt in Guyana. Mya ist aus Schweden und singt „It must have been love …“ Die Idee, auf den Adams Peak zu steigen, finden sie gut.
Auf der Uferstrasse treffe ich Stefan, den Organisator des Wild Elephant Trails. Der Russe an seiner Seite hat schon die ersten Markierungsarbeiten erledigt, freut sich auf die Bänder, die ich ihm mitgebracht habe. Ich nenne ihn Antonow, das gefällt ihm. Stefan und Antonow quatschen vom bevorstehenden Lauf. Die Bordzeitung hat darüber berichtet, weil Sanath, der Marathonmeister (2:30 h) von Sri Lanka, mitläuft. Doch der andere Stephan, der aus Frankreich, hat Erfahrungen bei Etappenläufen gesammelt, und das macht den Lauf spannend.
Andrews Frau will mich einstellen. Sie leben irgendwo bei Katherine, im Northern Territory. Wir streiten uns darum, wo die Kimberleys liegen, dabei kenne ich jeden Stein auf der Gipp River Road. Hauptsache Andrew zahlt die Zeche.
Ratsch! Ich habe den Zimmerschlüssel abgebrochen, es ist 3 Uhr morgens! Im Hostel gegenüber macht mir Ambika auf, die sieht zum Anbeißen aus, ich bin gleich eingeschlafen.
Edda (71) kommt früh morgens direkt vom Flughafen, sie hat einfach in der Straße nach mir gefragt, denn sie will mit auf den Adams Peak. Zu Edda, Stan und Pat gesellt sich Marilena aus Venezuela, die mit prallen, operativen Ergebnissen beeindruckt.
Aufstieg zum Adams Peak (Samanala Kanda)
Einmal im Monat gibt es in Sri Lanka keinen Alkohol, das ist heute. Mist.
170 km, 4,5 Stunden ruckelnde und holpernde Autofahrt. In meinen Hintern drehen sich die Drähte des Sitzes. Der Fahrer überfährt im Dunkeln eine Rotte Wildschweine. Es ist 1 Uhr morgens, wir sind in Dalhousie. Oberhalb ist eine erleuchtete Bergschlange, die sich auf den Adams Peak windet. Die Lichter, die Müdigkeit, die Glöckchen, das Gemurmel der Pilger, diese Geräusche, die durch die Luftfeuchtigkeit gedämpft werden, die Räucherstäbchen und das viele Gold erst, der Berg strahlt eine heilige Stimmung aus.
Ganesha ist ein begnadeter Tänzer und dank seines Rüssels ein toller Liebhaber, rechts daneben ich
Zieleinlauf auf dem Sigiriya-Felsen
Ich könnte jetzt Bäume ausreißen
Nach uns entern die Touristenmassen über die steile Treppe den heiligen Berg
„Sadhu, Sadhu!“, rufen uns die Mönche zu, als wir durch die Budenlandschaft mit den nackten Babypuppen an ihnen vorbeihechten. Die Puppen kauft man wohl wegen Kinderwunsch. Mönche murmeln Gebete, binden mir einen weißen Baumwollfaden ums Handgelenk. Der Faden bietet Schutz und bringt Glück. Buddhisten legen den Faden, wenn er ausgefranst ist, auf einen erhöhten Platz in ihrer Wohnung, aber da liegen schon meine Medaillen. Ich nehme den Faden und übergebe ihn wieder der Natur, das ist auch erlaubt, sofern man ihn so hoch wie möglich hängt.
Viele Baumwollfäden hüllen den Berg wie Spinnweben ein. In den Netzen hängen Plastiktütchen mit Spielzeug, Gewürzen oder Nüssen. Ich lege einen Fahrschein des RMV hinein.
Vier Stunden Aufstieg, Pilger schlafen auf den Stufen, verstopfen den Weg, sind völlig am Arsch. Man schläft, wo man steht. Wir Westler werden wohlwollend betrachtet und ehrfurchsvoll gegrüßt.
Kleine Tempelchen sind mit symbolischen Unterhosen aus Papier geschmückt, wohl auch wegen Babywunsch, dazwischen riecht es streng nach Urin, wie zu Hause.
Zahllose hell erleuchtete Teehäuschen unterstreichen das Kommerzielle, man bekommt Cola, Essen, nur kein Bier. Die Verkäufer tragen Jacken mit Hakenkreuzen. Swastika ist Sanskrit, also schon 5000 Jahre alt und bedeutet „Heil“. Wie beim Ying-Yang-Prinzip sind beide Drehrichtungen möglich. Ich bin nicht der erste Deutsche hier oben: „Deutschland, good!“
Viele Betende, Erschöpfte, Frierende. Es gibt grelle Weihnachtsmützen, Handschuhe, lange Hosen und Decken zu kaufen. Das Geschäft mit den Kunstfasern brummt. Als Europäer braucht man Shorts und langarmiges Shirt. Fünf Uhr: Wir beobachten die fertigen Pilger, die vor Kälte zittern, sich im Dämmerzustand an die Wände der Buden legen und versuchen die Müdigkeit zu bekämpfen. Die letzten Meter gehen über eine extrem steile Treppe, die von einem hohen Handlauf getrennt ist, rechts hoch, links runter, so sollte es eigentlich sein, doch dann wird es hektisch, jeder will nur noch schnell hoch, es wird schon hell. Es wird unangenehm und unkontrolliert.
Es gibt zwei, drei Polizeistationen auf dem Berg, doch die Beamten verdrücken sich an den Rand. Zum Sonnenaufgang wird der Tempel mit dem Fußabdruck geschlossen, mir gelingt der Aufstieg von der Rückseite, wo ich meinen Reisepass hochhalte und etwas von „Press, Press“ murmele. Der hochdekorierte Soldat kontrolliert meinen Rucksack. Ein 100 Rupienschein wandert ins Körbchen.
Das Allerheiligste mit dem Fußabdruck ist mit sehr vielen bunten Deckchen ausgelegt, ich leg mich auf den Bauch, küsse den Rand eines Deckchens, hebe meinen Blick und versuche einen Abdruck in dieser Glitzerwelt zu entdecken. Der Abdruck ist etwa 1,8 Meter lang. Er ist so groß, weil Adam 1000 Tage auf einem Bein stehend Busse tat, oder weil sich das gesamte Gewicht der 500 Jünger von Budda auf seinen Fuß vereinte, bevor sie ins Nirvana abhoben.
Tatsächlich ist der Sri Prada, der „edle Fuß“, schon vor mindestens 3000 Jahren mit Einlegearbeiten aus Saphiren und anderen Edelsteinen verziert worden. Je bedeutender er wurde, desto mehr Edelsteine kamen hinzu, dazu wurde der Abdruck vergrößert. Dieser Berg ist der Kern des Urkontinentes Pangea, es ist Gneis, eine uralte Gesteinsart.
Ein lautes Tröten reißt mich aus meinem Traum. Zwischen den goldenen Zaunpfosten leuchtet der Himmel. Auf der anderen Seite der Vollmond über nebelbehangenem Dschungel, unter uns der erleuchtete Weg der Pilger. Die ständigen Berührungen der drängelden Leute erzeugt starkes Unbehagen. Dann diese laute Glocke, jeder läutet die Anzahl seiner Aufstiege an. Wir Kameraden trennen uns, es ist zu voll hier oben, jeder will so schnell wie möglich wieder runter.
Der Weg hinab ist steil und von Bewegungsunfähigen verstopft. Alte, Krumme und Kinder klammern sich gegeneinander, hinauf kommen Halbtote auf Bahren, deren unterernährte Träger sichtlich mit dem Gewicht der übergewichtigen Patienten zu kämpfen haben. Dazu gesellen sich unzählige Träger von Getränken, Lebensmitteln und Steinen. Immer mehr Bettler, die Hässlichkeit der runtergekommenen Gestalten wird von deren monotonem „Gesang“ getoppt. Weder das Entfernen des Baumwollbändchens noch das Ignorieren der Bettler hat mir Schaden zugefügt. Ich bin wieder in Dalhousie.
Läufer aus 23 Nationen
Am späten Nachmittag sind wir wieder in Negombo, wir treffen uns mit den restlichen 47 Läufern. Bei Ultraläufen wird die Ausrüstung gecheckt: Signalspiegel, Trillerpfeife, Giftvakuumspritze,...