1. Wo bin ich? Inventur
Sie wissen schon, wohin Sie wollen? Wunderbar. Nein, noch nicht? Großartig. Das Schöne am Selbstcoaching ist, dass Sie es in jeder Lebenslage anwenden können. Selbstcoaching ist eine Methode, die eigene Entwicklung aktiv voranzubringen. Wenn Sie schon wissen, wohin Sie wollen, können Sie Selbstcoaching-Techniken anwenden, um herauszufinden, wie Sie da hinkommen. Wenn Sie noch gar keine klare Vorstellung haben, sondern nur das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, können Sie durch Selbstcoaching herausfinden, was Sie wirklich wollen.
Selbstcoacher befinden sich in einem Entwicklungsprozess. Das heißt, die Reise geht von A nach B. Bei B angekommen, sind Sie nicht mehr der, der Sie bei A waren. Sie haben sich entwickelt, Sie haben etwas geändert, Sie haben sich verändert. Manchen Menschen ist das zunächst nicht bewusst. Für einige ist es vielleicht ein Grund zur Besorgnis, weil man nicht vorhersagen kann, wie man sein wird. Für Selbstcoacher jedoch ist es eine gute Nachricht.
Sie können sich nicht weiterentwickeln und gleichzeitig so bleiben, wie Sie sind.
Das Gute an dieser Nachricht ist, dass Sie Ihre Entwicklung in der Hand haben. Sie überlassen Ihr Leben, Ihr Auftreten, Ihre Persönlichkeit, Ihre Wirkung, Ihre Möglichkeiten, Wünsche und Ziele nicht mehr anderen. Sie entscheiden selbst.
Bestandsaufnahme
Am Beginn steht immer die Frage: „Wo bin ich?“ Wieso diese Frage wichtig ist, zeigt Ihnen folgendes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie sind gerade in Nürnberg und wollen nach München. Mit dem ICE können Sie in einer Stunde am Münchner Hauptbahnhof sein. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind nicht in Nürnberg, sondern in Emden. Ihr Ziel ist München. Sie sehen: Auch wenn Ihr Ziel dasselbe geblieben ist, können Sie nicht damit rechnen, in einer Stunde dort zu sein. Ihr Standort ist ein anderer und damit hat sich auch die Entfernung völlig verändert. Um Ihr Ziel, München, zu erreichen, benötigen Sie von Emden mehr Zeit und andere Ressourcen als von Nürnberg. Wenn Sie sich erst bewusst machen, wo Sie stehen, und dann beginnen, Ihr Ziel anzusteuern, bewahren Sie sich vor Enttäuschungen. Eine realistische Sichtweise auf Ihren Standort (Kapitel 1), die Ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen (Kapitel 3), die vor Ihnen liegende Strecke (Kapitel 4) und Ihr Ziel (Kapitel 3.8) sind Voraussetzungen für gelungenes Selbstcoaching.
1.1 Das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen
„Moment mal! Jetzt reicht’s! So kann es nicht weitergehen!“ So oder ähnlich beginnt in der Regel ein Coachingprozess. Ganz undramatisch ausgedrückt: Jemand ist nicht da, wo er gerne wäre. Die allgemeine Zufriedenheit ist ins Wanken geraten, Unzufriedenheit macht sich breit. Gründe, unzufrieden zu sein, gibt es viele:
zu wenig Verantwortung im Job,
keine oder wenig Anerkennung,
mangelnde Kontakte,
alle möglichen Formen von Druck,
Sinnkrisen,
lieblose Partnerschaft,
Sackgassen-Gefühl,
Perspektivlosigkeit.
Vielleicht trifft einer dieser Gründe auf Sie zu. Vielleicht fällt Ihnen auch noch etwas anderes ein, das Sie unzufrieden macht. Womit sind Sie unzufrieden?
Stimmt das große Ganze?
Das Gefühl, „etwas unternehmen zu müssen“, haben wir immer dann, wenn das, was wir tun, nicht dem entspricht, was wir gern tun würden. Nun sind wir oft gezwungen, Dinge zu tun, die wir lieber bleiben lassen würden: Vorhänge bügeln, die Schwiegermutter besuchen, nett zum Chef sein, Telefonakquise, Bewerbungen schreiben.
Vieles können wir kompensieren, wenn wir grundsätzlich zufrieden sind. Liebe ich meinen Job in der Bank, dann nervt es mich vielleicht, Anzug und Krawatten tragen zu müssen. Aber es macht mich nicht unzufrieden. Stimmt also „das große Ganze“, haben wir für die ungeliebten Dinge nicht mehr als ein Achselzucken übrig. „Das gehört halt dazu.“ Oder besser noch: „Das ist es mir wert.“ Kommt jedoch zu viel zusammen, dann werden wir unzufrieden und beginnen, nach der Ursache zu suchen.
Um zu ermessen, ob wir etwas unternehmen müssen, brauchen wir kein Gerät und auch keine Messeinheit. Beobachten Sie sich einfach eine Weile selbst, zum Beispiel morgens:
Sind Sie ausgeruht, wenn der Wecker klingelt?
Stehen Sie gern auf?
Welches Gesicht begegnet Ihnen im Spiegel?
Welche Gedanken haben Sie, wenn Sie sich für die Arbeit fertig machen?
Freuen Sie sich auf den Tag?
Welche Dinge, die Sie nicht gern tun, fallen Ihnen immer wieder auf?
Können Sie bereits Schlüsse für sich daraus ziehen? Wenn nicht, macht das gar nichts. Sie erhalten in den nächsten Minuten noch viele weitere Anregungen.
Oft ist das Erkennen der eigenen Unzufriedenheit der Startschuss für den persönlichen Entwicklungsprozess. | |
1.2 Was bin ich mir selbst wert?
Man sollte von Zeit zu Zeit von sich zurücktreten wie ein Maler von seinem Bilde.
Christian Morgenstern, dt. Lyriker (1871-1914)
Von sich zurücktreten und in Ruhe erkennen, was man vor sich hat: Genau das tun Sie gerade und haben damit den meisten anderen Menschen etwas voraus. Um die Frage „Wo bin ich?“ beantworten zu können, lädt Sie dieses Buch zu einer Art Inventur ein. Im vorangegangenen Kapitel haben Sie bereits Anregungen bekommen, darüber nachzudenken, ob Sie gegenwärtig für oder gegen Ihre Wünsche und Bedürfnisse leben. In diesem Kapitel geht es darum, wie wichtig der Wert ist, den Sie sich selbst geben.
Nehmen Sie sich wichtig genug? Als Selbstcoacher kommen Sie an den Punkt, an dem Sie sich wichtig nehmen - und andere als genauso wichtig erachten. Sich wichtig nehmen heißt nämlich nicht, dass man es auf Kosten anderer Menschen tut. Es hat etwas mit Stolz auf sich zu tun. Während arrogante Menschen sich bloß wichtigmachen - und andere klein.
Lernen, stolz zu sein
Wo stehen Sie? Können Sie stolz sein auf sich und auf das, was Sie bisher geleistet haben? Oder gehören Sie zu den Menschen, die nie mit sich zufrieden sind? Sagen Sie auch gern: „Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, dann hätte ich es noch viel besser hingekriegt“?
Es ist schwer, sich über die eigenen Erfolge zu freuen, stolz auf sich zu sein und Lob anzunehmen. Aber es lohnt sich, es zu lernen. Gerade das Lob, das wir bekommen, kann uns dabei helfen, und doch wehren wir es oft automatisch ab. „Ach was, nicht der Rede wert.“ „Das war doch nichts.“ „Das hätte ich normalerweise viel besser hingekriegt.“
Was passiert, wenn Sie Lob abwehren?
Sie machen sich klein.
Sie berauben sich der Möglichkeit, stolz auf sich zu sein.
Sie beleidigen denjenigen, der das Lob ausspricht.
Machen Sie sich Ihre Leistungen klar
Es gibt keine wissenschaftliche Maßeinheit, mit der Sie Ihren Selbstwert messen können. Aber uns allen ist klar, dass es ohne Selbstachtung und Selbstbewusstsein nicht geht und man mit wenig nicht erfolgreich sein kann. Es gibt viele Gründe, warum Sie ein starkes Selbstbewusstsein verdienen. Ja, Sie haben ein Recht darauf! Untermauern Sie es mit konkreten Taten aus Ihrem Leben. Zum Beispiel so:
Ich bin Mutter dreier Kinder und berufstätig.
Ich bin schon in der Probezeit befördert worden.
Ich bin allein ins Ausland gegangen.
Ich habe ein Buch geschrieben.
Ich habe viele Freunde, die meine Art schätzen.
Indem Sie sich Ihre Leistungen klarmachen, geben Sie Ihrem Selbstwert eine begründete Basis. Oftmals ist jemandem gar nicht klar, dass er etwas Besonderes geleistet hat, dass er etwas weiß, das nicht jeder weiß, etwas kann, das nicht jeder kann. Sich das bewusst zu machen, bringt ungeheuer viel: einen gesunden Stolz auf sich und das Geleistete.
Selbstcoacher haben ein gutes Selbstwertgefühl. Machen Sie sich Ihre Leistungen bewusst – und seien Sie stolz darauf. | |
1.3 Energieaufwand und Leistungsbereitschaft
Für alle Menschen hat der Tag 24 Stunden, aber trotzdem gibt es Menschen, die an einem Tag so viel erledigen wie andere in einer Woche. Und die am Abend immer noch taufrisch wirken. Woher nehmen die bloß die Energie?
Beim Sport lässt sich beobachten, dass die Anstrengung nicht etwa Kräfte raubt, sondern, richtig dosiert, dem Sportler nur immer mehr Energie zu...