Himalaya-Gebirge sind unberrechenbar
Kapitel 1
Hamburg erste Vorkehrungen
Es ist Dezember, in Hamburg liegt Schnee, und ich meine richtigen Schnee, nicht diesen Schmuddelschnee. Wir beschließen daher einen Spaziergang im Alten Land zu machen. Auf der Elbe treiben riesige Eisschollen entlang, und die Vögel gehen vorsichtig von Eisscholle zu Eisscholle um sich einen Weg zum Ufer zu bahnen, damit sie etwas Futter finden. Wir genießen die Stille um uns herum und sehen zu, wie die Sonne langsam untergeht. Dabei hinterlässt sie auf den Eisschollen kleine Glitzersterne. Wir werden morgen an die Ostsee zu fahren, um uns die Eisschollen dort anzusehen. Wenn hier an der Elbe schon große Eisschollen zu sehen sind, wie groß mögen diese dann an der Ostsee sein?! Durchgefroren und mit viel frischer Luft in der Lunge, fahren wir am Abend nach Hause.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen geht es auf die Autobahn Richtung Ostsee. An einem Streckenabschnitt der Autobahn steht ein kleiner grauer Kasten, welchen wir nicht wirklich gesehen haben. Es macht Blink und schon wurde ein Bild von uns geschossen, als ob es nicht schon genug Bilder von uns gibt. Wir schauen schnell auf den Tacho und sehen noch gute 120km/h. Wie schnell darf man auf diesem Streckenabschnitt eigentlich fahren? Wir sind uns nicht sicher und doch der festen Überzeugung, dass dort 120km/h erlaubt waren, oder waren es doch nur 80km/h?
Wir reden noch eine Weile darüber und beschließen einfach auf die Post von der Behörde zu warten. Ändern können wir in diesem Moment eh nichts, und warum sollten wir uns den schönen Tag vermiesen lassen.
Ein paar Wochen später wurden wir nicht enttäuscht, und erhielten tatsächlich Post wegen zu schnellen Fahrens. Auf dem vermeidlichen Streckenabschnitt waren 80km/h erlaubt. Und in der Tat, wir fuhren 120km/h, was u. a. einen Monat Führerscheinentzug einbrachte. Manche mögen jetzt sagen, einfach mal mit der Bahn fahren, andere nehmen Urlaub um die Zeit zu überbrücken. Wir entscheiden uns für die zweite Variante, den Urlaub.
Jetzt stellte sich natürlich die Frage, was und wohin sollte es gehen. Wir verbrachten ein Wochenende mit Internetrecherche um den idealen Ort zu finden. Da Enar bereits schon weit in der Welt hergekommen ist, sollte es ein Ort sein, an dem er noch keinen Urlaub gemacht hat. Wir stellten schnell fest, dass der ideale Urlaubsort eine Herausforderung darstellen sollte.
Als erstes entschieden wir uns für den Zeitraum Mai bis Juni. Drei Wochen sollten es werden, so hätten wir schon mal drei Wochen des Führerscheinentzuges hinter uns gebracht. Da in vielen Ländern unserer geplanten Reisezeit gerade Monsumzeit oder die Flüge unbezahlbar sind, fielen Venezuela und Mexiko schon mal aus. Ein neues Ziel musste her, und so machen wir ein Spiel. Abwechselnd suchen wir auf einer einschlägigen Internetseite einen Ort aus und schauen uns anschließend die Rahmenbedinungen dazu an. Es war wie verhext, finden wir einen günstigen Flug, so ist das Wetter zu der Reisezeit schlecht. Ist das Wetter gut, so finden wir nur teure Flüge. Wir machen eine Pause und gehen erst mal Pizza Essen.
Vor ein paar Monaten haben wir bereits darüber gesprochen, dass es doch auch interessant sein könnte zum Kailash zu gehen. Der Kailash gilt unter den Tibetern als heiliger Berg, welcher im westlichen Teil des Transhimalaya Gebirges in der Volksrepublik China steht. Seine Umrundung über eine Strecke von ca. 53 km wird von vielen Pilgern gerne begangen. Die Spitze des Berges ist pyramidenförmig und das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt. Es wäre doch wirklich schön, wenn wir auch diese Reise machen können. Leider sind die Flüge nach China in unserem Reisezeitraum, wie sollte es auch anders sein, unbezahlbar. Aber das macht nichts, irgendwann werden wir zum Kailash gehen.
Mit einer Pizza im Bauch und ein wenig Abstand zum Internet sind wir auf New Delhi gekommen. Von New Delhi aus sollte ein Inlandsflug gut nach Kathmandu zu erhalten sein, so dass wir eine Trekking-Tour in das Himalaya Gebirge machen können. Wobei, wenn wir schon mal in New Delhi sind, können wir via Inlandsflug auch weiter in Richtung Kailash fliegen. Wer mag es glauben, kaum verworfen, so ist der Kailash wieder in unseren Gedanken.
Ein Trekking-Urlaub sollte es also werden. Ich machte mir zu diesem Zeitpunkt keine Gedanken darüber, ob und wie anstrengend es werden könnte, das sollte ich erst später erfahren. Wir machten uns eine Liste mit den Dingen, welche wir noch für mich besorgen müssen, und gingen zum renomierten Outdoor-Geschäft in Hamburg, um uns über die Materialien und Möglichkeiten zu informieren. Da Enar bereits seit seinem 14. Lebensjahr Bergsteigen geht, hat er die langjährige Erfahrung, was man in den Bergen benötigt. Als erstes musste für mich ein Schlafsack her, welcher aus Daunenfedern besteht. Dieser hat den Vorteil, dass er ein geeignetes Packmaß, hohe Wärmewerte besitzt und leichter als ein Kunstfaser-Schlafsack ist. Der Vorteil widerrum eines Kunstfaser- Schlafsack ist, wird er einmal nass, trocknet er viel schneller als ein Daunenfederschlafsack.
Als nächstes benötigt man Funktionsunterwäsche für die kalten Nächte. In meinen Gedanken fragte ich mich, wie es sein kann, im Mai kalte Nächte zu haben, aber ich war mir sicher, das Rätsel wird gelöst werden. Wir brauchen auch noch einen Camping-Kochtopf, Handschuhe, eine Headlight, Wanderschuhe und so weiter. Irgendwie wirkt das ganze gerade wie eine Liste mit Klamotten, welche man in einen mehrwöchigen Urlaub mitnehmen möchte, nur dass es hier um Dinge geht, die unter Umständen lebensrettend sein können.
Wir bestellten die ausgesuchten Sachen im Internet, da diese hier um einiges günstiger sind, als im Geschäft. Teilweise bestellten wir die Sachen nach Hause und teilweise in die Packstation. Nachdem eine Woche vor Urlaubsantritt weder meine bestellten Wanderschuhe noch die Handschuhe eintrafen, wurde ich langsam nervös. Nicht desto Trotz, mussten wir uns erst mal um die Visa kümmern.
Da wir planten von Nepal nach Tipet zum Kailash zu gehen, benötigen wir ein Visum für Indien, Nepal und China. Wir gingen als erstes zu dem Konsulat von Indien, in der Hoffnung das Visum gleich in die Hand zu bekommen.
Wenn man ein Visum für Indien haben möchte, so gehören da zwei Passbilder à 5x5 biometrisch sowie den vorab via Internet 5-seitig ausgefüllten Antrag dazu. Wir haben gleiches getan und man sagte uns eine Bearbeitungszeit von 3-4 Tagen zu. Uns war nun bewusst, dass es eine knappe Kiste mit allen drei Visa geben wird, aber wir sind optimistisch und schauen, wie weit wir kommen.
Ursprünglich dachten wir, da alle drei Konsulate hier in Hamburg vertreten sind, dass wir die Visa innerhalb von 2 Tagen erhalten werden. Pustekuchen! Nachdem wir nach 3 Werktagen das Indien-Visum in den Händen hielten, ging es zum Konsulat der Volksrepublik China. Ich war bereits um 08:30 Uhr vor den Toren und wartete mit ca. 14 anderen Leuten auf die Eröffnung um 09:00 Uhr. Ich erfuhr, dass das Konsulat noch am gleichen Tag das Visum austeilt, ich freute mich bereits, um kurz darauf enttäuscht zu werden.
Aufgrund von mehreren Selbstmorden von einigen Mönchen auf öffentlichen Strassen, ist ein Visum für China, um nach Tipet zu kommen, nicht zu erhalten. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, hätten wir eine Einladung aus China vorweisen können, dann hätten wir das Visum erhalten. Da wir diese nicht vorweisen konnten, erhielten wir kein Visum für China. Es hat nicht sollen sein, und so konzentrieren wir uns weiterhin auf die Trekking-Tour in die andere Richtung, zum Himalaya Gebirge. Wir hatten nun die Wahl, ob wir zur Annapurna oder zum Mount Everest gehen.
Aus dem Internet wissen wir, dass wir das Visum für Nepal direkt am Flughafen von Kathmandu/ Nepal erhalten werden. Schauen wir mal, ob das klappt.
Meine Wanderschuhe, die Funktionsunterwäsche sowie die Handschuhe waren immer noch nicht angeliefert worden. Ich fragte bezüglich der Wanderschuhe beim Lieferanten nach, keine Reaktion. Bei Nachfrage beim Lieferanten der Handschuhe stellte sich heraus, dass das Paket bei der Post verschwunden war. Da noch drei Tage Zeit bis zum Urlaubsantritt waren, schickte der Lieferant die Handschuhe neu an mich raus. Zwei Tage vor Reiseantritt ging ich in das Outdoor-Geschäft und besorgte mir dort die immner noch nicht gelieferten Wanderschuhe direkt, da sich der Lieferant bis dato immer noch nicht gemeldet hatte. Wollte ich doch die Schuhe noch bis zur Abfahrt einlaufen.
Im Laden sagte man mir, dass es keinen Sinn macht die Wanderschuhe einzulaufen, da sich der Schuh nicht großartig verändern wird. Wie sich im Laufe der kompletten Tour rausstellte, hatte der Verkäufer Recht. Bis auf ein paar kleine, nicht erwähnenswerte Blasen, waren die Schuhe ideal für meine Füsse.
Unser letzter Arbeitstag ist angebrochen. Wir haben soweit alles für die Trekking-Tour zusammen, bis auf die Funktionsunterwäsche und die Handschuhe. Beides liegt noch bei der Post und wir holen es nach Feierabend ab. Wir packen unsere Rucksäcke, und ich frage mich, wie man mit so wenig Klamotten...