Prozent- Sharing
Effizienzsteigerung und Identifikationsstärkung durch Personalrotation
Eine sozialwissenschaftliche Fakultät hat zu einer Tagesveranstaltung mit dem Thema „Zeitgerechtes Personalmanagement“ eingeladen. Aus vielen Organisationen sind die Fortbilder und Personalmanager erschienen, um den Einzelvorträgen und Diskussionen zu folgen. Nach der Begrüßung gibt der Veranstalter einige Hinweise zum Programm und zeigt die ersten Ergebnisse des Teilnehmerfragebogens: „Neunzehn Prozent der Anwesenden haben angegeben, dass in ihrem Unternehmen eine Personalrotation durchgeführt wird, 42% denken über eine Einführung nach, 11% haben sie wieder abgeschafft und 28% haben eine ablehnende Haltung“. Das ist eine gute Einleitung für den ersten Referenten. Ein Personalentwickler eines großen Konzerns berichtet über seine Erfahrungen mit der Personalrotation. Nachdem er die guten Leistungen seiner Abteilung und seines Unternehmens kurz dargestellt hat, berichtet er über ein Fünf- und über ein Drei-Jahres-Rotationsmodell für alle neuen Führungskräfte. Auf verschiedenen Folien werden die subjektiven Erfahrungen der Neuen, die Meinungen und Bewertungen der Leitung und allgemeine Einschätzungen der „neuen Führungskompetenz“ dargestellt. An Balkendiagrammen und Verteilungskuchen wird gezeigt, dass eine Rotation von drei Jahren Vorteile hat. Es entsteht der Eindruck bei den Zuhörern, dass das ein Erfolgskonzept ist. Das war wohl auch so beabsichtigt. Für die vorgesehene Anschlussdiskussion gibt es keine Wortmeldung. Bewusst humorvoll, aber doch verärgert, versucht der Veranstalter Diskussionsbeiträge zu locken. Schließlich fragt jemand aus der ersten Reihe: „War das eigentlich Ihr Konzept?“ Erfreut, danach gefragt worden zu sein, berichtet der Redner über die Umsetzungsprobleme seines Konzeptes. Das veranlasst den Fragesteller und seine Nebenleute gut hörbar zu lachen und deutlich vernehmlich zu sagen: „Dann ist ja auch klar, warum da Positives rausgekommen ist!“ Beifälliges Gemurmel ist zu hören. In einer der hinteren Reihen sagt ein älterer Mann zu seinem Nachbarn: „Das ist sowieso alles völliger Quatsch. Ich war von Anfang an dagegen. Sie müssten sich mal in unserem Unternehmen die neuen Führungskräfte ansehen. Da finden Sie von den tollen Ergebnissen nichts wieder. Alle wissen, dass sie nur für eine begrenzte Zeit eingeplant sind. Sie riskieren nichts. Konzepte, die eine lange Entwicklungszeit haben, werden nicht angenommen. Sie wollen schnellen Erfolg und gute Beurteilungen. Einige sind so opportunistisch, dass Ihnen schlecht werden würde. So kann nichts wachsen“.
„Das ist bei uns ähnlich“, war die Antwort, „wenn die Leute einigermaßen zu gebrauchen sind, dann gehen sie meistens schon wieder“. Zwischenzeitlich war nach kurzem Applaus der nächste Redner dabei, seine Erfahrungen mit „Jobrotation“ zu beschreiben. Diese waren ähnlich wie beim ersten Redner. Sie gingen aber ein gutes Stück weiter. Es wurde addiert, wie viele Stationen Führungskräfte in seinem Unternehmen durchlaufen müssten, wie viel Zeit und wie viel Kosten das auslöst. Das wurde einer Nutzenschätzung und einer Wirtschaftlichkeitsrechnung unterzogen. Ein Raunen geht durch die Menge. Das Verfahren ist offensichtlich sehr teuer. Das nun folgende ablehnende Resümee wird mit verhaltenem Beifall begrüßt. Ein gut gekleideter älterer Mann tritt an das Raummikro und sagt ziemlich aufgebracht: „Ich finde die Richtung dieser Veranstaltung deutlich einseitig und ärgerlich. In meinem Unternehmen wird das schon seit der Gründung 1902 grundsätzlich mit großem Erfolg durchgeführt. Ich selbst wurde von meinem Vater so ausgebildet, meine beiden Söhne haben ebenfalls erst alle Abteilungen durchlaufen - von der Pike aus gelernt - jede neue Führungskraft wird nach dem gleichen System auf die Aufgabe vorbereitet. Sonst können die doch gar nicht mitreden, werden nicht akzeptiert und sachgerechte Entscheidungen werden ebenfalls fragwürdig“. „Wie haben Sie denn den angeblich großen Erfolg gemessen?“ ruft mit etwas Hohn in der Stimme ein junger Mann dazwischen. Weitere Diskussionsbeiträge sind nicht zu bekommen. Es folgt ein emotionsloser Kurzvortrag über ein völlig anderes Personalentwicklungsmodell ohne Rotation, das besser sein soll. Die Stimmung ist eher schlecht. Dann folgt eine Pause mit einer verhaltenen Diskussion oder besser mit einer Vielzahl von Einzelstatements. Es besteht offensichtlich wenig Neigung, aufeinander einzugehen oder andere Erfahrungen zuzulassen. Ein Fortbilder einer größeren Polizeiorganisation sagt: „Rotation ist für viele Spezialgebiete völlig unbrauchbar. Stellen Sie sich einen Sachbearbeiter vor, der sich mit Spurenauswertung beschäftigt. Der ist erst nach ein paar Jahren gut - und dann soll er wechseln? Oder denken Sie an einen Kontaktbeamten eines Bezirks. Wenn der seinen Bezirk begriffen hat, tragfähige Kontakte entstanden sind, sind auch Jahre vergangen. Dann soll ein Neuer ihn ablösen und von vorn anfangen? Selbst Trainer in der Fortbildung haben nach 3-5 Jahren erst eine solide Kompetenz. Dann erst könnten alle profitieren, aber dann soll er ja etwas Neues machen. So ein Blödsinn!“ „Das ist aber ziemlich speziell, “ entgegnet ein Personalchef, „wir haben viel mehr Probleme mit nachlassenden Leistungen und sich verschlechternden Motivation über die Jahre. Es lässt irgendwie nach. Bedingungslose Kundenzuwendung und Kundenzufriedenheit bekommen Sie mit langjährig Etablierten nicht hin, die werden zu Altlasten.“
Glücklicherweise folgt nach der Pause ein gekonnter und selbstsicherer Vortrag eines Professors der Organisationspsychologie. Er berichtet von verschiedenen Modetrends auf diesem Gebiet und zeigt dabei jeweils die Unabhängigkeit von Forschungsergebnissen. Die Effekte von Teamförderung, von Zeitmanagement, von grundsätzlicher Rotation usw. scheinen schlecht messbar oder wenig erfolgversprechend zu sein. Erstaunlich sei allerdings die Beharrlichkeit solcher Modeströmungen. Negative Forschungsergebnisse haben danach offensichtlich keinen Einfluss auf die Lebenszeit und Motivation für die Umsetzung solcher Konzepte. Irgendwann schlafen diese Trends von ganz allein wieder ein. Manchmal kommen sie aus unerfindlichen Gründen nach mehreren Jahren wieder. Es folgt ein Plädoyer möglicher und sinnvoller Messmethoden und der deutliche Appell mit der Subjektivität Schluss zu machen, zu messen und abzusichern. Als Minimaldatensatz wird empfohlen (Damit ist auch Kundenzufriedenheit abgegriffen):
Arbeitszufriedenheit
Kosten
Qualität.
Beifall folgt und viele Fragen nach konkreten Messmethoden. Der zweite Teil des Vortrags beschäftigt sich mit Hintergründen von Rotationswünschen. Drei Thesen mit entsprechender Begründung sollen endlich eine Diskussion auslösen und mehr Tiefgang erzeugen.
- Vorgesetzte müssen umso mehr Kenntnisse über andere Abläufe haben, je weniger sie die Mitarbeiter beteiligen wollen.
Werden Mitarbeiter bei der Zielfindung und bei Veränderungen ausreichend und partnerschaftlich einbezogen, sind genaue Kennnisse über Einzelheiten entbehrlich, weil sie sowieso durch den Stil und durch die Qualität der Beteiligung berücksichtigt werden. Es fehlt nichts. Dann ist eine Rotation wenig sinnvoll und viel zu teuer und ineffizient.
- Vorgesetzte müssen umso mehr Kenntnisse über andere Abläufe haben, je weniger sie vertrauen können.
Um dem Misstrauen zu entgehen, um nicht hintergangen oder an der Nase herumgeführt zu werden, um gut von schlecht sicher unterscheiden zu können, sind viele und möglichst bessere Kenntnisse erforderlich. Es entsteht zuzusagen eine Art Zwang. Dieser verursacht nebenbei auch noch ein sehr starkes Bedürfnis nach Informationen. Der Vorgesetzte muss über alles und jeden informiert werden, sonst fühlt er sich unwohl. Delegation ist nur mit ständigen Kontrollen und Diskussionen möglich. Von diesen Personen wird eine Rotation sehr positiv gesehen und erfüllt einen Teil nicht eingestandener Bedürfnisse. Sie tragen natürlich bei Diskussionen andere (rationalisierte) Begründungen vor, nicht ihre Schwierigkeiten zu vertrauen.
- Das dahinter liegende Menschenbild ist das des unvollkommenen und unselbstständigen Mitarbeiters, der zur Arbeit angehalten werden muss und der ohne Vorgesetzte wenig leistet und eine schlechte Qualität herstellt.
Damit wird gleichzeitig impliziert, dass das für Vorgesetzte nicht gilt, dass es zwei verschiedene Gruppen gibt. Dieses Menschenbild widerspricht den Erkenntnissen. Es spricht sehr viel für das Gegenteil. In den modernen Unternehmen lösen die amtierenden Führungskräfte erheblich mehr Probleme, Unwirtschaftlichkeit und unnötige Kosten aus als Mitarbeiter. Mit einer rotierenden Ausbildung oder ähnlichen Beschäftigungswechseln wird dieses Phänomen nur verstärkt. Das ist ein schlechter...