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E-Book

Auf acht Metern um die Welt

AutorSebastian Pieters
VerlagAequator
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783957370044
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Eine Weltumseglung ist ein großes Abenteuer. Viele träumen davon, einmal aus eigener Kraft, nur mit Hilfe des Windes um den Erdball zu wandern, fortlaufend seine Position zu finden, kurzum, einmal im Leben etwas ganz Besonderes zu verwirklichen. Leider wagen immer weniger junge Menschen dieses Abenteuer. Sebastian Pieters hat es gewagt. Als er anfing davon zu träumen hatte er weder Geld noch Boot. Und dennoch segelte er mit 22 Jahren los. Wie? Es steht in diesem Buch. Quasi ein Erfolgsrezept, wie man unmöglich scheinende Pläne, ohne lange zu zaudern, in die Tat umsetzen kann. (Bobby Schenk in seinem Vorwort zu 'Auf acht Metern um die Welt')

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Leseprobe

Auf dem Atlantik

Um mich herum ist es stockdunkel. Der Wind pfeift und ich spüre, wie sich das Heck langsam hebt und eine weitere Schaumkrone gurgelnd unter der Kiwitt hindurch läuft. Nur anhand der Bewegung, die unser kleines Schiff macht, kann ich erahnen, wie groß diese ist. Kurz darauf senkt sich das Heck wieder und der Bug zeigt Richtung Himmel. Dieser Rhythmus wiederholt sich nun schon seit Tagen. Piep piep, piep piep, piep piep, schallt es durch die Dunkelheit. Der kleine Küchenwecker, der neben mir liegt, erwacht zum Leben. Nur schwer widerstehe ich dem Reflex ihn über Bord zu werfen. Dieser kleine Quälgeist treibt mich noch in den Wahnsinn. Man genießt das Spiel der Elemente in absoluter Finsternis und er ermahnt einen unerbittlich alle zehn Minuten einen Blick in die Nacht zu werfen. Als wüsste ich nicht selbst, dass das sinnvoll ist. Aber irgendwie kommt der Alarm immer wieder überraschend schnell. Notgedrungen verlasse ich also meine geschützte Position unter der Sprayhood, richte mich auf und starre in die Dunkelheit. Die Nacht ist so rabenschwarz, dass ich nicht einmal unseren Mast, geschweige denn den Bug unserer kleinen acht Meter langen Kiwitt sehen kann. Wie erwartet sehe ich auch diesmal überhaupt nichts. Seit Tagen das gleiche Bild. Auf dieser endlosen Wasserfläche trifft man kaum ein anderes Schiff. Was habe ich mir damals eigentlich gedacht, als ich immer davon geträumt habe den Atlantik zu überqueren? Ich hatte eine Vorstellung, wie lange man für die Seemeilen brauchen würde, aber was es wirklich bedeutet, wenn nach einer ganzen Woche das Bergfest noch in weiter Ferne liegt, konnte ich nur erahnen. Unbeirrt schiebt der Passat die Kiwitt durch die Dunkelheit. Das einzige bisschen Licht in meiner kleinen Welt ist der Windanzeiger an der Mastspitze, der von der Topplaterne fahl beleuchtet wird. Die Pfeilspitze des Windanzeigers zeigt genau nach achtern; okay, genau ist vielleicht übertrieben. Genau wäre sie, wenn man das arithmetische Mittel aus ihren Ausschlägen von fast Steuerbord bis fast Backbord bilden würde. Durch das Passatsegeln geigt die Kiwitt so hin und her, dass einem beim Beobachten des Windanzeigers ganz übel wird. Mit Mühe balanciere ich daher zurück zu meinen windgeschützten Platz unter der Sprayhood und stelle meinen kleinen Quälgeist auf die nächsten zehn Minuten.

Was habe ich mir dabei gedacht? Woher kommt die Sehnsucht die Welt zu bereisen? Ich glaube, der Anfang dieser Sehnsucht liegt weit zurück. Beim Familienurlaub am Meer. Da standen wir im roten Licht und beobachteten, wie die Sonnenscheibe langsam hinter dem Horizont verschwand. Wir haben uns unzählige Sonnenuntergänge angeschaut und jedes Mal kam es in etwa zur gleichen Unterhaltung: „Papa, was ist da, wo die Sonne im Meer versinkt?“ „Da zischt und brodelt das Wasser. “Das sagte er immer wieder, obwohl ich bereits wusste, dass das gar nicht stimmt. Also bohrte ich weiter: „Aber du hast gesagt, auf der anderen Seite des Meeres ist ein anderes Land.“ „Wenn du ganz, ganz weit fährst, dann kommst du auf einen anderen Kontinent.“ Das Land, wo die Sonne immer verschwindet, hat mich unheimlich fasziniert und ich konnte ihm jedes Mal Löcher in den Bauch fragen. Ich wollte unbedingt wissen, wie es dort ist. Die Antworten blieben unbefriedigend für mich, da er immer wieder sagte, dass er selbst noch nie dort gewesen sei. Diese Unterhaltung lief in unzähligen Variationen immer wieder ab, wenn wir abends am Strand saßen und die Sehnsucht nach dem Land hinter dem Horizont wuchs.

Reisen und Entdecken – zwei Dinge, die mich schon mein ganzes Leben begleiten. Es war also nicht weiter verwunderlich, dass ich noch während meiner Schulzeit den Entschluss fasste, nach der Ausbildung eine längere Reise zu machen. Ich träumte von einer Radtour durch Afrika oder vielleicht einer Rucksackreise durch Asien oder Südamerika. Aber auf jeden Fall sollte die Reise mindestens ein Jahr dauern. Ich machte kein Geheimnis daraus und meine Eltern wussten von meinem Vorhaben.

Im ersten Jahr meiner Ausbildung saß ich dann an einem kalten Herbstabend mit meinem besten Freund Malte im Whisky Saloon und wir philosophierten über das Reisen. Unser philosophisches Talent wurde hierbei durch einige Bier und ein paar Schnäpse unterstützt. Es kam also so, wie es immer kam: Die Ziele wurden immer exotischer, die Reisen immer abenteuerlicher und, das ist fast nicht erwähnenswert, der Abend immer lustiger. Plötzlich fiel das Wort Weltumsegelung. Sofort waren wir Feuer und Flamme. Beide hatten wir schon auf Jollen und Optis gesegelt und der Gedanke, mit einem kleinen Boot überall hinzukommen, war verführerisch….

Platsch…, ich schrecke auf und sitze nicht in der Kneipe. Ein ordentlicher Spritzer Wasser trifft mich im Gesicht. Es ist immer noch stockdunkel und um mich herum rauscht und pfeift es. Ich schaue auf den Küchenwecker. Die zehn Minuten sind fast schon wieder um und ich stoppe ihn. Langsam werde ich wieder wach, der Whisky Saloon ist endlos weit entfernt. Ich stehe auf und werfe einen Blick in die Dunkelheit. Kein Licht. Alles sieht normal aus. Die Kiwitt hebt sich und rauscht gurgelnd die Welle herunter. Stärker darf der Wind nicht werden, sonst müsste ich eines der beiden ausgebaumten Vorsegel wegnehmen. Aber noch ist alles in Ordnung. Ich setze mich wieder auf meinen geschützten Platz und stelle den kleinen Quälgeist.

An jenem feuchtfröhlichen Abend im Whisky Saloon beschlossen Malte und ich jedenfalls, dass wir mal mit unserem ehemaligen Mathematiklehrer sprechen wollten, der Ende der achtziger Jahre auf eigenem Kiel nach Neuseeland gesegelt war. Gesagt, getan. So kam es, dass wir uns nur wenige Tage später mit Maltes 125er auf den Weg zu Bernhard machten. Ich muss heute noch lachen, wenn ich mir vorstelle, wie das ausgesehen haben muss. Mit meinen 2,02 Metern überragte ich den eher kleinen Chauffeur um ein ganzes Stück. Wir müssen ein tolles Bild abgegeben haben und die kleine Maschine war hoffnungslos überladen. Bei Bernhard angekommen, stiegen wir in dessen Auto um und fuhren zu seiner kleinen Yacht. Die Kiwitt dümpelte fröhlich in einem kleinen niederländischen Yachthafen vor sich hin. Wir fuhren raus, drehten eine Runde über den Baggersee und Bernhard erzählte uns von seiner Reise. Auch wenn wir an diesem Tag keinen Wind hatten, wurden wir vom Weltumseglervirus befallen. Ausgestattet mit vielen neuen Träumen und einem großen Stapel Bücher aus Bernhards Sammlung schwangen wir uns wieder auf die 125er. Jetzt war sie wirklich überladen. Am selben Abend noch begann ich eins der Bücher zu lesen. Es hatte den exotischen Namen „Taboo“ und war von Wolfgang Hausner… Ein Dollar am Tag würde reichen, schrieb der Autor und das kam mir bei meinen zu erwartenden Einkünften sehr gelegen. Ganz im Gegensatz zu den Preisen für ein taugliches Segelschiff, wie ich auf der nächsten Bootsmesse feststellen musste, obwohl wir nur bei den Schiffen zwischen 20 und 30 Fuß schauten. Ein anderer Buchtitel passte da schon besser in unser Konzept: „Mit kleinem Geld auf großer Fahrt“ von Annie Hill. Auch wenn der Preis für das Buch gar nicht so klein war. Da ein neues Schiff überhaupt nicht in Frage kam, begannen Malte und ich, Anzeigen zu studieren und nach gebrauchten Booten zu suchen. Wir schauten uns auch mal eins an, aber im Grunde blieb es erst einmal bei einem Traum, da unsere finanziellen Mittel als Auszubildende doch zu beschränkt waren. Dies hielt mich aber nicht davon ab weiter zu träumen. Ich las alle Bücher, die ich bekommen konnte und unterhielt mich lange und oft mit Bernhard. Seine Erfahrungen aus erster Hand waren viel mehr wert als alle Bücher und als er und seine Frau einen kleinen Diavortrag hielten, war ich mir ganz sicher: Ich musste meinen Traum Wirklichkeit werden lassen. Also rechnete und kalkulierte ich, um das kleinste Budget herauszufinden, für das ich ein seetaugliches Schiff bekommen konnte. Da Malte zu diesem Zeitpunkt unseren großen Plan weniger intensiv verfolgte, stellte ich mich darauf ein, das Ganze alleine stemmen zu müssen und notfalls auch einhand zu segeln.

Nach der Ausbildung kam dann wieder etwas dazwischen: Ich wollte mein Fachabitur auf dem zweiten Bildungsweg machen. Das dauerte ein Jahr und kurz vor Weihnachten fragten meine Eltern, was ich nach dem Abi vorhätte. Im Grunde wussten sie, dass ich etwas von der Welt sehen wollte, ob mit Rucksack, Fahrrad oder eben einem Segelboot. Mit meinen Reiseplänen an sich hatten sie sich wohl abgefunden, aber speziell Letzteres konnten (und wollten) sie sich nicht vorstellen. Eigentlich war die Frage keine Überraschung und ich hatte nur darauf gewartet, trotzdem erbat ich mir ein wenig Bedenkzeit. Dass ich genau wusste, was ich machen wollte, erfuhr an diesem Tag nur Bernhard. Ihn rief ich an diesem Tag sofort an und erzählte ihm, dass ich fest entschlossen sei, ein Boot zu kaufen und um die Welt zu segeln. Das nötige Geld wollte ich nach dem Abi in zwei bis drei Jahren verdienen. Wir vereinbarten einen Termin, um die Umsetzung meiner Pläne genauer zu besprechen. Auf diesen Tag X vertröstete ich meine verdutzten Eltern.

Einige Tage später saß ich dann mit einem Kopf voller Träume und einem Packen ausgedruckter Bootsangebote bei Bernhard am Küchentisch und erläuterte ihm meine Pläne. Mitten in einem Satz, in dem es darum ging, was ich mir finanziell so leisten kann, fragte Bernhard: „Willst du nicht mit der Kiwitt fahren?“ Ich erinnere mich noch sehr gut an meine prompte Reaktion auf diese Frage. „Du spinnst“, sagte ich und fuhr mit meinem Satz fort. Bernhard wiederholte die Frage und führte sie weiter aus. Er...

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