Eine Schlacht auf Leben und Tod begründete die habsburgische Weltmacht
RUDOLF VON HABSBURG UND SEINE SÖHNE
Düster und wirr war die Zeit, in die der älteste Sohn von Rudolf von Habsburg Albrecht hineingeboren wurde, hoffnungslos und ohne Zukunft. Die Welt schien aus allen Fugen geraten zu sein, niemand fand etwas dabei, Recht und Ordnung mit Füßen zu treten, sodass der Schrecken der Fehde allerorts das menschliche Leben verunsicherte. Der Nachbar misstraute dem Nachbarn, der Lehensherr verlangte rücksichtslos von seinen Bauern weit mehr als den Zehent, der Ritter versuchte, so gut es ihm möglich war, seine Burg vor den Übergriffen bewaffneter Meuten, die planlos im Reich herumzogen, zu schützen. Denn nicht allzu viele waren von den Kreuzzügen ins Heilige Land nach langer Abwesenheit als reiche Leute nach Hause zurückgekehrt, die Zahl der mittellosen Ritter übertraf sie bei weitem. Sie waren ohne Hoffnung in ein Reich heimgekommen, das ihnen keine Sicherheiten mehr bieten konnte. Und so nimmt es einen nicht wunder, dass so mancher sein Glück selber in die Hand nehmen wollte und sich auf eigene Faust zu bereichern suchte. Die Raubritter, die das Land verunsicherten und den Handel an manchen Orten zum Erliegen brachten, waren erfinderisch, wenn es galt, einen Weg zu finden, um an besonders verlockende Beute heranzukommen. So sperrten sie mit Ketten die Donau ab oder überfielen ahnungslose Kaufleute auf die verwegenste Art und Weise. Um irgendwie noch Handel betreiben zu können, war man gezwungen, sich zu Handelskarawanen zusammenzuschließen, um sich so gegen die Überfälle verteidigen zu können. Denn einen Kaiser, der bis dahin einigermaßen für die Sicherheit im Lande gesorgt hatte, gab es nicht mehr, dafür hatte der Papst in all seiner Grausamkeit gesorgt. Karl von Anjou, der zu dieser Zeit auf dem Stuhle Petri saß, hatte den letzten Staufer, den romantischen Jüngling Konradin, der voller Enthusiasmus und Träumen nach Süden gezogen war, um die Krone seiner Väter zu erringen, nach der verlorenen Schlacht bei Tagliacozzo auf der Flucht gefangen nehmen und zusammen mit zwölf Getreuen in Neapel am 29. Oktober 1268 grausam hinrichten lassen. Voller Genugtuung registrierte Karl den Sieg über das den Päpsten so verhasste Geschlecht der Staufer.
Der 16-jährige Konradin hatte keine Nachkommen hinterlassen. Die »kaiserlose, die schreckliche Zeit« hatte begonnen, denn plötzlich stand man im Reich vor einem absoluten Nichts. England und Frankreich waren zunächst sofort zur Stelle und wollten einen ihrer Favoriten auf den deutschen Kaiserthron setzen; Richard von Cornwall hieß der Auserwählte des englischen Königs, während der französische König Alfons von Kastilien favorisierte. Im Reich selbst kümmerte sich niemand darum, wer wohl das Rennen um die Krone Karls des Großen machen würde oder machen sollte. Denn hier bestimmten Fehden landauf, landab das Geschehen. Jeder wollte sich auf Kosten der anderen bereichern und sich eine möglichst große Hausmacht schaffen. Nicht eine zentrale Macht wie bisher erschien nunmehr für das Land erstrebenswert zu sein, man wollte einen möglichst schwachen Herrscher küren, damit er von allen Seiten abhängig und beeinflussbar sein würde.
Da sich die Zustände im Reich immer mehr verschlechterten und man allgemein zu der Ansicht kam, dass es so nicht weitergehen konnte, ergriffen die sieben Kurfürsten die Initiative. Sie schauten sich nach einem geeigneten Mann um, der die deutsche Krone tragen sollte. Die drei Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier gehörten diesem Kur-Kollegium genauso an, wie der Pfalzgraf bei Rhein, der Markgraf von Brandenburg, der Herzog von Sachsen und der mächtige König von Böhmen. Letzterer wäre sofort gewillt gewesen, die schwere Bürde auf sich zu nehmen, die ein König in dieser Situation akzeptieren musste. Denn der neue Herrscher sah keiner leichten Zukunft entgegen, darüber waren sich alle einig.
So mancher erblickte in dem jungen Böhmenkönig Přemysl Ottokar II. tatsächlich den richtigen Mann, der mit starker Hand das Wirrwarr im Reich entflechten würde.
Und wie es schien, deutete alles auf eine Wahl dieses dynamischen, aktiven Mannes hin, der schon in den Babenberger Ländern im Osten des Reiches bewiesen hatte, dass er mit seinen politischen Konzepten zum Wohle der Bevölkerung zu handeln fähig war. Und wo er nicht auf Einsicht der Bevölkerung gestoßen war, hatte er Gewalt sprechen lassen. Schon waren die meisten Kurfürsten geneigt, Ottokar ihre Stimme zu geben, als im letzten Augenblick die Stimmung im Kurkollegium plötzlich umschlug und die Kurfürsten sich für einen anderen Kandidaten entschlossen. Wahrscheinlich war es einerseits die Macht, die der junge Ottokar schon jetzt in Händen hatte, die die Wahlmänner davon Abstand nehmen ließ, ihn auch noch zum König zu wählen, andererseits könnte auch das dubiose Privatleben des jungen Böhmen für seine Ablehnung eine Rolle gespielt haben.
Denn Ottokar war auf allen Gebieten ein Glücksritter, nicht nur, was seine politische Position betraf. Er hatte als ganz junger Mann um die Hand der alternden Babenberger-Erbin Margarete angehalten und diese allein stehende Frau, die Witwe des ehemaligen deutschen Kaisers Konrads IV., mehr oder weniger gezwungen, seine Frau zu werden. Dabei spielten weder Zuneigung noch Liebe eine Rolle – der junge Ottokar hätte gut und gerne der Sohn seiner Gemahlin sein können –, sondern einzig und allein ihre Länder übten einen Reiz auf den besitzgierigen Böhmenkönig aus. Denn Margarete war nach dem frühen Tod ihres Bruders, Friedrichs des Streitbaren, der in der Schlacht an der Leitha im Kampf gegen die Ungarn gefallen war, zu einer reichen Erbin geworden. Diese Situation war für die Babenbergerin nicht vorhersehbar gewesen. Nach dem frühen Tod ihres Mannes Konrad und ihrer Kinder hatte sie vor Jahren, entmutigt wie sie war, den Schleier genommen und ein Gelübde abgelegt, dass sie den Rest ihres Lebens in stillem Gebete hinter Klostermauern verbringen wollte. Niemals wieder, so hatte Margarete geschworen, wollte sie einem Manne angehören.
Margarete hatte für sich zwar eine Entscheidung getroffen, doch geriet sie als Erbin der weiten österreichischen Gebiete, die noch dazu unmittelbar an die böhmischen Länder angrenzten, ins Blickfeld von Přemysl Ottokar, der seine Fühler nach allen Seiten hin ausgestreckt hatte, um seinen Machtbereich zu erweitern. Deshalb warb er mit der ganzen Dynamik seiner Jugend um die vergrämte Witwe, schlug all ihre Argumente, warum sie ihn nicht erhören konnte, in den Wind und schließlich war es Margarete nicht mehr möglich, die Werbungen des Böhmen abzuschlagen, wollte sie eine gewaltsame Übernahme ihrer Länder durch Ottokar verhindern.
Dass diese Ehe nur eine Farce war, das ahnten alle. Der junge Böhmenkönig holte sich auch bei der ersten sich bietenden Gelegenheit eine ganz andere Frau ins Bett. Ottokar hatte aus seinem Herzen noch nie eine Mördergrube gemacht und so gab er auch schon bald seine eigentlichen Absichten allgemein bekannt, da er sich in seiner Position sehr sicher fühlte. Doch hatte er nicht mit den moralischen Bedenken gerechnet, die plötzlich die anderen Kurfürsten ihm gegenüber geltend machten. Wahrscheinlich hätte man Kunigunde von Halicz, eine glutvolle, rassige Ungarin, als Geliebte Ottokars sogar noch in Kauf genommen, hätte er nicht begonnen, sich in aller Öffentlichkeit abfällig über seine alte, welke Gemahlin zu äußern, die nicht mehr in der Lage war, ihm einen Erben zu schenken. Vieles verzieh man in dieser Zeit redseligen, vom Wein berauschten Männern, nur schmähliche Worte über die Damen waren tabu. Zu sehr war man noch von den ritterlichen Idealen beeinflusst und geprägt, wo die »hohe« Frau eine besondere Stellung in der Gesellschaft eingenommen hatte, ja, sie war beinahe anbetungswürdig für den »minniglichen« Sänger und Ritter.
Es erwies sich für Ottokar in seiner Spontaneität und Unachtsamkeit als gewaltiger Fehler, sich über diese Tradition hinwegzusetzen. Er war nie ein Kind von Traurigkeit gewesen und seine Gastmähler und Zechgelage waren in ganz Böhmen berühmt, aber auch berüchtigt durch die lockeren Reden, derer man sich zu vorgerückter Stunde befleißigte. Der schwere Wein, der in Strömen floss, löste Ottokar die Zunge und er begann im Kreise seiner Zechkumpanen sich über die körperlichen Schwächen seiner Gemahlin Margarete lustig zu machen. Er wähnte sich in einer Runde von Freunden, vergaß dabei ganz, dass auch die besten Zechkumpanen diese lästerlichen Geschichten mit Genuss weiterverbreiteten. So nahm es einen nicht wunder, dass die abfällige Einstellung des Böhmenkönigs Margarete gegenüber schon bald die Runde im Reich machte, wobei etwas geschah, was sich Ottokar kaum hatte vorstellen können: Plötzlich nahm man innerlich Anteil am Schicksal seiner alten Gemahlin, man bedauerte die verhärmte Frau, die vom Leben so hart geschlagen war, und so mancher nahm sich vor, ihr Schutz zu gewähren, wenn sie...