Spürbare Effekte durch Qualifizierungsbedarfsanalysen – Vier Skizzen zum Einstieg
Von der Konkurrenz zur Zusammenarbeit. Gerade dort, wo im Krankenhaus verschiedene Berufsgruppen eng bei der Patientenversorgung zusammenarbeiten, haben sich nicht selten extrem abgegrenzte Tätigkeitsfelder der Berufsgruppen entwickelt, so auch im Bereich der Geburtshilfe und der anschließenden Wochenbettversorgung. Dass sie mit der Einführung einer integrativen Wochenbettpflege im Stadtkrankenhaus auch Widerstände und Besitzstandswahrung hervorrufen würde, war der erfahrenen Stationsleitung Maria Ast von Anfang an klar. Also war sie auf der Suche nach einer Möglichkeit, die strikte Arbeitsteilung zwischen Krankenpflegerinnen und Kinderkrankenpflegerinnen möglichst schnell nach Einführung des Konzeptes auflösen zu können. Für beide Berufsgruppen führte sie eine übergreifende Qualifizierungsbedarfsanalyse (QBA) zu allen gegenwärtigen Aufgaben durch und ergänzte diese noch durch einen zweiten Durchgang, in dem die Lern- und Entwicklungsbedarfe zu den Aufgaben herausgearbeitet wurden, die für beide Berufsgruppen neu sein würden. Dazu gehörte z. B. die Dokumentation der Versorgung in einer integrierten Mutter-Kind-Kurve oder die Durchführung eines regulären Hörscreenings für alle Neugeborenen. Der Verlauf war turbulent und alle Beteiligten diskutierten engagiert über die Aufgaben und ihre Ausführung mit. Viele Teammitglieder meldeten Frau Ast im Anschluss zurück, dass es richtig toll gewesen sei, sich so differenziert und fachlich über die Arbeit ausgetauscht zu haben. Die anfänglichen Sorgen Frau Asts, aber auch gerade der Kinderkrankenpflegerinnen, die eine schrittweise »Enteignung« ihrer Aufgaben befürchteten, sollten sich nicht bewahrheiten. Im Gegenteil, in der Diskussion darüber, welchen Zuschnitt die zu leistenden Aufgaben in Zukunft haben würden, wurde schnell deutlich, dass gerade die fachlichen Kompetenzen der Kinderkrankenpflegerinnen für eine umfangreiche Beratung der Mütter und jungen Familien unverzichtbar sein würden. Die integrative Wochenbettpflege konnte problemlos eingeführt werden. Die Teammitglieder haben aber nicht nur die Erfahrung gemacht, dass ihnen die Arbeit unter der Bedingung des neuen Konzepts mehr Spaß macht, sondern dass sie über die QBA und die mit ihr verbundenen Diskussionen auch das Gefühl entwickelten, diese Veränderung selbst gestaltet und ihre Zusammenarbeit verbessert zu haben. Von nun an fiel es den Kolleginnen viel leichter, um Hilfe zu fragen, wenn sie bei einer konkreten Aufgabe unsicher waren, aber gleichwohl auch kritisch darauf hinzuweisen, wenn bei einer Aufgabe etwas besser gemacht werden konnte.
Urlaubszeit im Kreisklinikum Berg und Tal. Die Bereichsleitung Elisabeth Walter ist mit der Erstellung der Dienstpläne beschäftigt. In den vorangegangenen Jahren war die Dienstplanung gerade für die Zeit der Sommerferien zum Haareraufen. Als besondere Herausforderung hat sie immer die Einsatzplanung der Teilzeitkräfte empfunden. Und diese stellen immerhin über 60 % des gesamten Teams. Klar, einige der Teilzeitbeschäftigten sind erfahrene Kräfte, deren Kompetenzen Frau Walter gut einschätzen kann. Andere sind gerade mit ihrer Fachweiterbildung fertig geworden und daher auf dem neuesten Stand. Aber andererseits sind die Veränderungen im Intensivbereich auch so rasant, dass es nur natürlich ist, wenn Kolleginnen und Kollegen mit deutlich reduzierter Stundenzahl nicht immer alle Entwicklungen und neuen Anforderungen mitbekommen und beherrschen. Aber wer weiß was? Wer kann was besonders gut oder ist an anderer Stelle unsicher? Sie schaut auf die Ergebnismatrix der QBA des Pflegeteams in der Intensivmedizin und wendet sich dann wieder dem Dienstplan zu. Es lässt sich schnell erkennen, wer relevante Kompetenzlücken hat und daher, bis diese geschlossen sind, mit wem in der Schicht zusammen eingeteilt werden sollte, um ggf. genug Unterstützung zu erhalten. Es zeigt sich, dass viele der Teilzeitkräfte, deren fachliches Niveau sie vor Einführung der QBA in ihrem Bereich deutlich schlechter eingeschätzt hat, doch bei vielen Aufgaben eine ausreichende Kompetenz für die Ausführung besitzen. Seitdem traut sich Elisabeth Walter, neue Schichtteams zusammenzustellen und hat dadurch viel mehr Möglichkeiten in der Dienstplangestaltung. Ursprünglich sollten ihr die Ergebnisse der QBA nur in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden, aber da aufgrund der gegenwärtig knappen Personaldecke das Team selbst ein Interesse an flexibler Einsatzplanung formuliert hatte, war auch das Einverständnis schnell erreicht, der Bereichsleitung die Ergebnisse komplett zur Verfügung zu stellen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Daten auch nur für den definierten Zweck verwendet würden.
Die Teamsitzung im Lungenzentrum des Krankenhauses von Lerndorf ist gerade beendet. Die Stationsleitung Markus Bachmann schließt die Teamsitzung, nachdem der letzte Punkt auf der Agenda besprochen worden ist und keine weiteren Fragen oder Anmerkungen mehr vorliegen. Die letzten Monate waren chaotisch und als man ihm das Instrument der QBA zur Unterstützung des Umstrukturierungsprozesses vermittelt hatte, war er sich nicht sicher, ob er diese zusätzliche Neuerung parallel auch noch einführen wolle. Aber wenn, dann jetzt, dacht er sich damals, und nicht erst dann, wenn die Einrichtung des Lungenzentrums abgeschlossen ist. Heute ist er froh, dass er damals den Mut für die Einführung der QBA aufgebracht hat. Nicht nur, dass im Rahmen des Projekts, eine konservative und eine operative Station zusammenzuführen waren und gemeinsame Versorgungsprozesse zu entwickeln, abzustimmen und vor allem einzuführen waren. Die Stationen und ihre Teams hatten natürlich aufgrund der bisher unterschiedlichen Patientenstrukturen und Versorgungsaufgaben auch sehr unterschiedliche Kompetenzen entwickelt. Mit Blick auf das neue gemeinsame Aufgabenspektrum war es also notwendig, schnell sehen zu können, wo jeder steht. Dabei stellte sich heraus, dass durch die QBA nicht nur die Lern- und Entwicklungsbedarfe des Teams sichtbar wurden. Schon die Diskussion um die zukünftig auszuführenden Aufgaben hat immer wieder auch Rückwirkungen für die Arbeitsabläufe hervorgebracht, weil schnell deutlich wurde, dass etwas so oder so nicht geht. Auch andere Organisationsnotwendigkeiten zur Verbesserung der Versorgungsabläufe wurden automatisch mit erhoben und konnten so dazu beitragen, dass kleinere Defizite des Projekts nachgesteuert wurden. Gerade die Transparenz zu den Lernbedarfen beider Teams in Verbindung mit der Tatsache, dass solche auch in beiden Teams vorhanden waren, z. B. der Umgang mit Tracheostomapatienten, umfassendere Kenntnisse zu den Krankheitsbildern der Lunge inklusive möglicher Komplikationen, hat zu einer Beschleunigung der Teamintegration geführt und verhindert, dass sich mit der Fusion zwei Lager bei den Pflegekräften verfestigten.
Gute Stimmung beim Meeting der Betriebsleitung im Krankenhaus Metropole Nord. Gerade stand die Personalentwicklung auf der Sitzungsagenda und alle sind froh, sich damals für die Einführung der QBA entschieden zu haben. Ausgangspunkt war die doch recht kritische Rückmeldung der Visitoren im Rahmen des ersten KTQ-Zertifizierungsverfahrens dazu, dass man von einer auch nur annähernd systematischen und plausiblen Personalentwicklung im Hause wirklich nicht reden könne. Bis dato herrschte die Praxis vor, die Fortbildungsinteressen der Mitarbeiterinnen über Wunschzettel zu erheben, und dort, wo die Mitarbeitergespräche bereits eingeführt waren, wurde das Thema natürlich auch in diesem Rahmen angesprochen. Auffällig war damals aber, dass sich die Ausgaben für Fort- und Weiterbildung auf wenige Bereiche bzw. Köpfe konzentrierten und unterm Strich nicht immer klar war, welches Interesse das Haus bezüglich mancher besuchter Fortbildung hatte. Es war kein angenehmer Augenblick, als die Visitoren hier auf Managementdefizite hinwiesen. Aber alle waren sich schnell einig, dass, wenn man sich dem Thema jetzt widmet, dann umfassend und mit Sinn und Verstand. Wichtig war der Verwaltungsdirektorin, der ärztlichen Direktorin und dem Pflegedirektor, dass man nicht nur eine systematische Bedarfserhebung entwickeln sollte, sondern auch noch eine Möglichkeit schafft, die Entwicklung der Kompetenzen beobachten zu können. Mit der QBA scheint aus ihrer Sicht beides erreicht worden zu sein. Der Pflegedirektor Werner Neu hatte zunächst nicht damit gerechnet, dass es so gut gelingen würde, durch die QBA eine viel breitere Beteiligung am Fortbildungsgeschehen hervorzurufen. Die ärztliche Direktorin Katharina Seeberg ist ganz begeistert von der Möglichkeit, mittels wiederholt durchgeführter QBA die Lernfortschritte der Weiterbildungsassistenten recht gut abbilden und damit als Grundlage für die jährlich durchzuführenden Mitarbeitergespräche im ärztlichen Dienst fruchtbar machen zu können. Es macht zwar auch ein wenig mehr Aufwand, wenn die Assistentinnen ihre Lernbedarfe heute selbst transparent belegen und Lerngelegenheiten einfordern,...