II. Alfred Delp – Stationen seines Lebens
Kindheit und Jugend
Kindheit
Friedrich Alfred Delp wurde am 15. September 1907 in Mannheim als ältester Sohn des evangelischen Kaufmanns Johann Adam Friedrich Delp (1876–1958) und seiner katholischen Frau Maria, geborene Bernauer (1881–1968), geboren und zwei Tage später – auf Wunsch der Mutter – in der katholischen Oberen Pfarrei zu Mannheim getauft. Die Familie Delp wohnte zunächst in Hüttenfeld, einem kleinen Ort nördlich von Mannheim, wo der Vater in der Dienststelle der Ortskrankenkasse Bensheim tätig war. 1914 zog die Familie, die inzwischen fünf Kinder – zwei Jungen und drei Mädchen – hatte, in das nahe gelegene Lampertheim um, wo 1921 noch ein weiterer Sohn zur Welt kam. Im Kreis seiner Eltern und Geschwister verbrachte Alfred eine frohe Kindheit.
In der Volksschule in Hüttenfeld, nach 1914; Alfred Delp: in der Mitte der vordersten stehenden Reihe
Als Alfred 1914 in Lampertheim eingeschult wurde – ein Jahr zuvor hatte er in Hüttenfeld eine konfessionell gemischte Volksschule besucht –, bestand der Vater darauf, dass er die evangelische Volksschule besuchte, um eine evangelische Erziehung sicherzustellen. Doch nahe der Wohnung der Familie Delp lag die katholische Pfarrkirche, und Alfred hielt sich oft im Pfarrhaus bei Pfarrer Johannes Unger (1886–1935) auf. In ihm fanden die Delp-Kinder einen väterlichen Freund, gerade in den Jahren, in denen der Vater im Krieg oder bei der Reichswehr war. Vater Delp kehrte erst um 1920 endgültig vom Militär heim. Die Mutter, gebürtig aus dem Odenwald, die vor ihrer Ehe als Köchin in einem Offiziershaushalt gearbeitet hatte, musste so in den wirtschaftlich schweren Zeiten allein für die große Familie sorgen und arbeitete in der Verwaltung eines Gutshofes in Lampertheim, um für alle Kinder genügend Lebensmittel zu erhalten. Sie gab diese Tätigkeit erst 1921 mit der Geburt des jüngsten Sohnes auf.
Da Alfred 1921 konfirmiert werden sollte, nahm er am Konfirmandenunterricht teil und fiel durch seine bei der Konfirmation üblichen Vorstellung im Gemeindegottesdienst durch seine klugen Antworten auf. Eine kleine Auseinandersetzung mit dem evangelischen Pastor Rudolf Eckel (1875–1929) – er kam zu spät in die Religionsstunde und erhielt daraufhin eine Ohrfeige – führte jedoch dazu, dass Alfred sich zwar am 28. März 1921 konfirmieren ließ, sich dann aber, da jetzt religionsmündig, für die katholische Konfession entschied. Am 19. Juni 1921 empfing er – durch Pfarrer Unger persönlich vorbereitet – in Lampertheim die Erste Heilige Kommunion. Am 28. Juni 1921 wurde er durch Bischof Ludwig Maria Hugo (1871–1935) bei der allgemeinen Firmung in Lampertheim gefirmt. – Diese Wende, von Delp rückwirkend beschrieben mit als ich zur katholischen Kirche kam und deshalb oft fälschlicherweise als Konversion bezeichnet, brachte Delp auf einen neuen Weg seines Lebens mit vielen Chancen. Er wurde zum sozialen Aufsteiger. Gerade deshalb behielt er sein ganzes Leben lang eine große Sensibilität für die soziale Frage und für die Ökumene.
Gymnasium
Dieser Eigensinn eines gekränkten Jugendlichen zog seine Konsequenzen nach sich: Mutter Delp, die schon bisher mit dem katholischen Pfarrer zusammen für die religiöse Erziehung ihrer Kinder gesorgt hatte, legte nun gesteigerten Wert darauf, dass Alfred „richtig“ im katholischen Glauben erzogen wurde. So wurde er nach Ostern 1922 in das bischöfliche Konvikt nach Dieburg und in das dortige humanistische Gymnasium geschickt. Auch hier stand Pfarrer Unger helfend bei – sowohl Mutter Delp, für die er die nötigen Kontakte knüpfte, als auch Alfred, den er mit Nachhilfeunterricht in Latein und Griechisch so gut auf das Gymnasium vorbereitete, dass dieser nach glänzend bestandener Aufnahmeprüfung für die Untertertia sogleich in die Obertertia aufgenommen wurde. Dort brachte er so gute Leistungen, dass er 1923 auch die Untersekunda überspringen und sofort in die Obersekunda vorrücken durfte. Alfred Delp stach bereits damals durch seine Intelligenz, seine Zielstrebigkeit, Hilfsbereitschaft und Heiterkeit hervor. Er war ein eifriger Schüler und kam im Unterricht mit Leichtigkeit voran, aber er war kein Streber. Er war ein durch und durch fröhlicher Mensch, lachte gerne und war übermütig und unternehmungslustig. Und er war in der Schule alles andere als ein Musterknabe. So schrieb er später einmal: Lasst euch von meiner Mutter keine „Heiligenlegenden“ über mich erzählen. Ich war ein Strick!
Obertertia im Gymnasium in Dieburg, Ostern 1923; Alfred Delp: rechts außen in der hintersten Reihe
Jugendbund Neudeutschland
Neben Schule und Konvikt spielte der Jugendbund „Neudeutschland“ (ND) eine große Rolle im Leben des jungen Alfred Delp. Der ND war 1919 vom Erzbischof von Köln, Felix Kardinal von Hartmann (1851–1919), als katholischer Schülerverband gegründet worden und besaß in seinem Generalsekretär Pater Ludwig Esch SJ (1883–1956) einen wortgewaltigen Inspirator. Als Delp sich am 8. Dezember 1922 dem ND anschloss, hatte der Bund bereits eine Phase der inneren Klärung auf verschiedenen Verbandstagen hinter sich gebracht. Die Entscheidung zur Jugendbewegung war gefallen und damit zu Natürlichkeit, Einfachheit, Wahrhaftigkeit, Selbstverantwortung, Gemeinschaft, freie Wahl des Jugendführers und Gefolgschaft, Wandern, Heimat und Volk, frohe Feste mit Laienspiel und Liedern aus dem eigenen Liederbuch „Jungvolker“. Grundlegend für den ND war aber das sogenannte „Hirschbergprogramm“, das auf dem fünften Bundestag auf Schloss Hirschberg bei Beilngries 1923 beschlossen wurde. Aus diesem Programm prägte Delp dreierlei: Die Christuskreise führten ihn in eine enge Bindung zu Jesus Christus. Die Theologie vom Verhältnis zwischen Natur und Gnade förderte in ihm eine große Hochschätzung der Schöpfung und der modernen Welt. Der Aufbauwille in einem bedrängten und armen Deutschland vermittelte ihm eine innere Bindung an Deutschland als Reich, Vaterland und Heimat, die ihn sein ganzes Leben lang bestimmte.
Aber das Engagement im ND war nur die wichtigste Nebensache in Delps Leben, denn er wollte das Gymnasium erfolgreich abschließen. Es gelang ihm, am 16. März 1926 das Abitur mit 19 Jahren als Klassenbester zu bestehen und im Zeugnis als Noten nur sehr gut (Betragen, Aufmerksamkeit, Religionslehre, Deutsch, Staatsbürgerkunde, Griechisch, Hebräisch, Physik) und gut (Geschichte, Erdkunde, Latein, Französisch, Mathematik) vorweisen zu können. Damit war ihm die erste Stufe eines sozialen Aufstiegs geglückt. Viele fragten sich: Was wird er einmal werden? Und damit beginnt die zweite Station seines Lebens.
Jesuit
Der Vater hatte für Alfred insgeheim an eine Karriere im Staatsdienst gedacht. Und Pfarrer Unger hatte für ihn bereits über die Diözese Mainz einen Freiplatz am Germanicum in Rom für das Priesterstudium reservieren lassen. Doch wieder entschied sich Delp anders, als das Umfeld von ihm erwartete: Am 22. April 1926 trat er in den Jesuitenorden ein. Er hatte sich bereits in den Ferien 1924 für diesen Lebensweg entschieden, weil er der Meinung war, im Jesuitenorden dem Heiland am besten dienen zu können, wie er im „Fragebogen für die Kandidaten der Gesellschaft Jesu“ eintrug.
In einem Brief an seine Mutter im November 1926 verglich er seine Entscheidung mit der des zwölfjährigen Jesus im Tempel:
Welche Antwort hat der Heiland auf die schmerz-durchzitternde Frage seiner Mutter? „Wusstest du nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lukas 2,49) Und siehe, ich bin nun beim Heiland, ich tat es, wie er es mir vormachte. Nur nicht so schön, so edel wie er. Ich bin halt nur ein armer Mensch und er war Gott.
Delp vergleicht sich also mit dem jungen Jesus, der seine Entscheidung auch für sich selbst getroffen hat, von der seine Eltern nichts wissen und die sie nicht verstehen, als er sie ihnen erklären will. Den Grund für seine Entscheidung behielt Delp ein Leben lang für sich. Er hatte, wie er 1937 einmal schrieb, auch daran gedacht, seinem Taufpaten nachzueifern und Offizier zu werden. Vermutlich aber hatte der ND zu dieser Lebensentscheidung geführt, denn wie Alfred Delp entschieden sich in diesen Jahren viele aus dem ND, was der damalige Bundesmeister, Professor Johannes N. Zender (1877–1948) in seinen Erinnerungen damit begründete, dass zahlreichen Jungen die Geschlossenheit, die straffe Disziplin, die Weltweite des Ordens überhaupt und die Aussichten auf vielseitige Tätigkeit höchste Achtung einflößten, ebenso wie die Rücksichtnahme auf die einzelnen Interessen des Bewerbers. So verwundert es nicht, dass sich viele Mitglieder des ND im Noviziat der Gesellschaft Jesu wieder trafen.
Noviziat
Bereits einen Monat nach seinem Abitur, am 22. April 1926, trat Delp in das...