GEFIEDERTE WEGBEGLEITER
Foto: Digoarpi/Shutterstock.com
Weil wir Enten seit jeher überall begegnen, sind sie uns sehr vertraut. Die hübschen Vögel verschönern das Landschaftsbild und beleben Parks und Süßgewässer. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie auf zahlreichen Gemälden zu sehen sind. Kein Dorfteich, Weiher oder Bachlauf ohne Enten, könnte man fast sagen.
Der Handel bietet schmucke Porzellan- oder Keramikenten an, die die Herzen von Entenfans und Sammlern höher schlagen lassen. Ob Tassen mit Entenmotiven, Blumentöpfe mit Entenkopf, Quietscheenten und andere Plastikenten für Kinder, Gießkannen in Entenoptik oder Trachtenmode mit aufgestickten Enten – die beliebten Wasservögel sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Der wohl populärste Erpel schlüpfte am 9. Juni 1934 aus einem Ei, das sein geistiger Vater Walt Disney in Form des Zeichentrickfilms „The Wise Little Hen“ gelegt hatte. Donald Duck heißt der Bursche, der 1937 mit dem Film „Don Donald“ seinen großen Durchbruch hatte. Seit 1967 werden die Abenteuer von Donald Duck und Micky Maus erfolgreich als lustiges Taschenbuch herausgegeben. Für viele von uns waren Donald Duck, seine Angebetete Daisy Duck, sein Vetter Gustav Gans und der geizige Milliardär Dagobert Duck aus der fiktiven Stadt Entenhausen unterhaltsame Wegbegleiter in Kinder- und Jugendtagen.
Wie Enten ticken
Anders als beispielsweise Gänse, die innige soziale Bindungen innerhalb ihrer Familie pflegen und ihre Jungen als Paar gemeinsam großziehen, bilden Entenmütter mit den Küken eine vaterlose Familie, denn feste Partnerschaften gibt es unter Enten nicht. Sie praktizieren die freie Liebe mit wechselnden Partnern. So kann ein Gelege durchaus mehrere Väter haben.
Die gefiederten Erzeuger ziehen von dannen, kurz nachdem die Weibchen ihre Eier abgelegt haben. Frei lebende Erpel tun sich mit anderen Männchen zusammen und gründen eine Art Männer-WG. Während die Herren der Schöpfung in den Tag hineinleben, kümmern sich die Enten fürsorglich um die Brut und Aufzucht ihrer Nachkommen. Alleinerziehende Entenmütter haben mit ihrer Rasselbande alle Flügel voll zu tun. Ständig müssen sie auf der Hut sein, denn Entenküken sind ein beliebter Snack für allerlei Raubtiere. Gottlob sind Entenkids sehr folgsam und weichen ihrer Mutter instinktiv nicht von der Seite.
Den Grundstein für diese intensive Bindung legt die Entenmutter um den Schlupfzeitpunkt, indem sie immer mal wieder stimmlich Kontakt zu ihrem Nachwuchs sucht. Die ungeschlüpften Küken nehmen ihr zweisilbiges, tiefes „Räbräb“ durch die Eischale hindurch wahr, womit automatisch ihre Prägung auf die Mutter beginnt. Vernehmlich antworten können die Entchen aber erst, wenn sie mit ihrem Schnabel in die Luftkammer vorgedrungen sind, die sich im stumpfen Eiende befindet. Hier nehmen sie ihren ersten Atemzug, der sie in die Lage versetzt, sich stimmlich zu äußern. Bei Küken gibt es hauptsächlich zwei Rufarten: den Angst- und den Zufriedenheitsruf.
KLEINER SPRACHFÜHRER „ENTISCH“
„Mama, wo bist du?“ – Angstruf/Weinen: Das ist die erste Lautäußerung, die man von einer Ente im noch geschlossenen Ei hören kann. Wer kurz vor dem Schlupf an der Eischale lauscht, vernimmt des Öfteren ein einsilbiges, hohes, lang gezogenes „Wiii!“. Es wird meist dreimal hintereinander geäußert und ist vergleichbar mit dem Weinen eines Säuglings. Dieser hohe Piepslaut dient vor allem dazu, die Aufmerksamkeit der Entenmutter zu erregen, etwa wenn die Eier zu stark abkühlen, wenn Probleme beim Schlupf auftreten oder wenn die Entenkinder sich verlassen fühlen und Ansprache suchen. Während der ersten beiden Tage nach dem Schlupf steigert sich die Zahl der Angstrufe noch, denn mit diesem Piepsen aktivieren die Kleinen den Brutfürsorgetrieb ihrer Mutter.
„Kommt, Kinder!“ – Mütterlicher Lockruf: Während sich die Küken aus ihrer Eischale befreien, äußern sie hin und wieder den Angstruf und nehmen so wichtigen Kontakt zur brütenden Ente auf. Die Entenmutter antwortet ihnen jetzt mit ihrem Lockruf, einem „Quähggegegeg“, das sie erst leise und, je weiter der Schlupf voranschreitet, zunehmend lauter äußert. Die Reaktion auf den mütterlichen Lockruf ist laut dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz angeboren, das heißt, die Küken wollen daraufhin instinktiv zur Mutter. Der Lockruf und auch die Angstrufe der schlüpfenden oder bereits geschlüpften Geschwister führen zu einer Synchronisation des Schlupfes, weil der akustische Kontakt die noch in den Eiern steckenden Entenkinder motiviert, ganz nach dem Motto: „Da ruft wer nach mir, da will ich hin!“ Die Eischale wird daraufhin schon mal etwas flotter aufgeknackt.
Anders als bei Gänsekindern, die sich nach ihrem Schlupf rein optisch orientieren, wird bei Entenküken über die sogenannten Stimmfühlungslaute, also die jeweiligen Lautäußerungen von Mutter und Küken, ein intensives Mutter-Kind-Verhältnis aufgebaut. Konrad Lorenz bezeichnet die Entwicklung dieser Bindung als Prägung. Für die Entenkids ist eine intensive familiäre Prägung überlebensnotwendig, denn sie verfügen zwar bereits über einige angeborene Instinkte, müssen viele Dinge jedoch erst im Schutz ihres Familienverbands erlernen.
„Alles gut, ich bin ja da!“ – Kontaktlaut/Wohlfühllaut: „Räbräb, räbräb!“ Mit diesem leise geäußerten Stimmfühlungslaut geht eine Entenmutter bereits mit ihren ungeschlüpften Küken auf Tuchfühlung. Das tiefe, zweisilbige „Räbräb“-Palaver, wie Lorenz es nennt, ist die typische Form der innigen Begrüßung und steht für Zusammenhalt, Geborgenheit, Wohlbefinden und Zufriedenheit. Diesen Laut hört man sowohl von der Entenmutter als auch von ihren Küken, wenn alle beisammen und rundherum zufrieden sind. Hat beispielsweise ein Küken während eines Familienausflugs den direkten Anschluss an die Gruppe verloren, äußert es panisch und herzzerreißend den Angstlaut. Wieder bei der Familie angelangt, begrüßen sich alle innig. Ihr „Räbräb“ wird jetzt aber in einer schnelleren und etwas lauteren Tonfolge geäußert. Man spürt regelrecht die emotionale Erleichterung und Freude der Enten über die familiäre Wiedervereinigung.
Wenn Küken sich unwohl fühlen, äußern sie ihren Angstruf, der verblüffend an das Weinen eines Kleinkindes erinnert. (Foto: Paul Reeves Photography/Shutterstock.com)
„Alles in bester Ordnung!“ – Wohliges Trillern der Küken: Wer genau hinhört, vernimmt diesen „Wirrr“-Laut schon aus den noch nicht angepickten Eiern, nämlich dann, wenn diese wieder erwärmt werden, nachdem sie zuvor so ausgekühlt waren, dass die Embryonen Weinlaute äußerten. Ebenso hört man ihn bei bereits geschlüpften Küken, die gerade durch Unterkriechen unter die Mutter oder durch die Wärmelampe wieder gewärmt werden, nachdem ihnen zuvor kalt geworden war.
„Achtung, alles sammeln!“ – Aufbruchlaut: „Rääääb, räb, räb …“ Bei diesem meist siebensilbigen Kontaktlaut wird die erste Silbe unter starker Betonung des „ä“ in die Länge gezogen, während die übrigen schnell aufeinanderfolgend und laut geäußert werden. Mit ihm wird die Gruppe zusammengetrommelt, sodass alle sich gemeinsam in Bewegung setzen können. Man hört den Aufbruchlaut beispielsweise, wenn Enten von Weitem ihren Halter mit dem Futtereimer erblicken. Vereint geht es dann schnellen Schrittes, teils auch fliegend, in Richtung Futterplatz, wobei sich die Enten gegenseitig mit einem zweisilbigen, erregten „Gäg-gäg, Gäg-gäg“ auf das Futter hinweisen. Hier hört man gut den stimmlichen Unterschied zwischen Ente und Erpel. Sie klingt hell und laut, während sich seine Stimme mit einem leiseren, tiefen, heiser klingenden Krächzen beschreiben lässt.
Während der Nahrungsaufnahme äußern Enten ein zufriedenes „Räb-räb, Räb-räb“, in das ab und zu auch ein wohliges Trillern einfließt. Bei ausgewachsenen weiblichen Tieren lässt sich Letzteres am besten mit einem „Wiiiürr“ und bei den männlichen mit einem „Wrrr“ beschreiben.
Warzenenten verstehen sich ohne viel Gequake. (Foto: shutterstock.com/bddigitalimages)
„Achtung, alle aufpassen!“ – Alarmlaut: Mit einem leisen, heiseren „Räb“ warnen sich Enten vor Gefahren. In einer als bedrohlich eingestuften Situation wird das „Räb“ mit waagerecht nach vorn gestrecktem, gegen das Feindbild gerichtetem Kopf untermalt.
Abschließend sei gesagt, dass Warzenenten eine Ausnahme bilden. Ihr Sprachschatz ist begrenzt, weil ihre Stimme nur gering entwickelt ist. Das liegt daran, dass sie als einzige Hausenten nicht von der Stockente, sondern von einer Wildentenart aus Mittel- und Südamerika abstammen. Wie ihre wilde Verwandtschaft sind sie nahezu stumm. Lediglich ab und zu geben sie leise Hauchlaute...