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Alternativen zum Lohnarbeitssystem. Führungsverhalten und innovatives Management für eine sinnstiftende Arbeitswelt

Der autotelische Mitarbeiter

AutorHelmut Pürstinger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl191 Seiten
ISBN9783656423102
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Soziologie - Arbeit, Beruf, Ausbildung, Organisation, Note: Sehr gut, Universität Salzburg (Kultur- und Gesellschaftliche Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Unser gegenwärtiges Lohnarbeitssystem ist in einer prekären Situation. Manche Wissenschaftler postulieren, dass uns die Arbeit ausgeht. Alles wird aus Sicht der Politik der Vermeidung von Arbeitslosigkeit unterworfen. Arbeit ist zum Omni-Wert stilisiert worden. Dieser Zustand ist jedoch künstlich erzeugt um Macht auszuüben. Alles, jedes Produkt und jede Dienstleistung kann unentwegt verbessert werden. Im allgegenwärtigen Taylorismus zeigt sich ein Menschenbild in dem der Mensch faul, arbeitsscheu und ideenlos ist. Durch die fortschreitende Automatisierung aber auch durch die Finanzkrise werden immer mehr Arbeitskräfte abgebaut. Es besteht die realistische Gefahr, dass sowohl das Lohnarbeitssystem, als auch das Wirtschafssystem zusammenbricht, mit noch völlig unabsehbaren Folgen. Dabei kann Arbeit hochgradig sinnstiftend sein. Der Mensch hat verlernt nach der Arbeit Ausschau zu halten, die er wirklich, wirklich tun will. Frithjof Bergmann nennt dies Armut der Begierde. Das gegenwärtige Lohnarbeitssystem könnte transformiert werden in ein System, dass dem Menschen dazu verhilft, auch im betrieblichen Kontext seine Originalität wieder zu finden. In dieser Arbeit werden sowohl Wege aufgezeigt, wie sinnstiftende Arbeit definiert werden könnte, aber auch wie sie gefördert und entwickelt werden könnte anhand konkreten Beispielen. Aber auch in den Unternehmen müssen Alternativen zum Tayloristischen Paradigma entwickelt werden. Die darin arbeitenden Menschen müssen Möglichkeiten vorfinden, in denen sie ihre Potentiale ausschöpfen können. Hierzu braucht es ein neues, humanistisches Menschenbild. Einige Unternehmer haben dies erkannt und die abgetretenen Pfade der Managementpraktiken radikal verändert. Ein Auszug dieser Unternehmen wird vorgestellt und analysiert. Einen idealen Nährboden für den autotelischen Mitarbeiter bietet die Gemeinwohlökonomie von Christian Felber. Wir stehen kurz vor einem notwendigen Paradigmenwechsel...

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Leseprobe

3. Das gegenwärtige Lohnarbeitssystem


 

Der Ausgangspunkt dieser Arbeit sind die Brennpunkte des gegenwärtigen Lohnarbeitssystems. Es gibt eine Reihe empirisch belegbarer Probleme in dem gegenwärtigen System. Wir wollen aber auch die dahinter liegenden, philosophischen Probleme erläutern, bevor wir darauf aufbauend Alternativen zeigen können. Ein Vorreiter bei der Analyse der Probleme des gegenwärtigen Lohnarbeitssystems ist Frithjof Bergmann[43]. Daher wird hier verstärkt auf sein Werk zurückgegriffen.

 

Die meisten Menschen leben nicht wirklich. Samuel Beckett[44] nannte es „dead enough to be bury“ und meinte damit, dass wir zwar leben, aber nicht richtig. Viele sind bereits im Alter von 8 bis 11 Jahren „tot“ und erholen sich auch nicht mehr von diesem Zustand.[45] Bergmann meint damit, dass viele Menschen keinen ureigenen Antrieb verspüren. Es gibt tief in ihrem Inneren ergiebige Reserven an Lebenspotential, welches sie aber nicht anzapfen können. Es ist eine Armut der Begierde[46], wie Bergmann hier Hegel zitiert. Eine Begierde nach dem, was unsere ureigenste Aufgabe ist oder anders formuliert, was unsere Berufung[47] ist. Wie kommt Bergmann zu diesem harten Urteil? Es ist ein Konglomerat aus 20 Jahren Erfahrung mit Menschen im Zusammenhang mit der neuen Arbeit und aus der Erkenntnis der Geschichte der Arbeit.

 

Betrachtet man primitive Gesellschaften bzw. nimmt man die Berichte von den Urvölkern Europas zur Hand, wird ein Bild entstehen, das aufzeigt, dass Leben von einer unbarmherzigen Härte und Mangel gekennzeichnet war. Das begann bei der Mangelernährung und endete bei einer sehr kurzen Lebenserwartung. Diesem Bild kann in Bezug auf die Arbeit nur bedingt gefolgt werden. Betrachtet man Urvölker von heute (z.B. die Yanomami[48]) wird schnell klar, dass diese Menschen nicht in diesem Mangel und gleichzeitig unbarmherzigen Arbeitsaufkommen leben, wie die Theorien uns glauben machen wollen. Die Urvölker von Hawaii oder Australien leben viel mehr im Überfluss als im Mangel.

 

Nun stellt sich die Frage, warum sich das geändert hat. Tatsächlich war die Arbeitsbelastung bei den Naturvölkern sehr gering. Bei der westlichen Zivilisation wurde sie nachweislich ab der „neolithischen Revolution“, dem Übergang zum Ackerbau wesentlich höher. Ab ca. dem 18. Jhdt. schnellte die Arbeitszeit auf täglich 12 Stunden und mehr in die Höhe. Es verschwanden auch die Erwerbsphasen der Bauern, die im Sommer eine intensive Zeit vorsah bzw. im Winter eine eher ruhige Zeit. Es hat sich ein allgemeiner Wert für lange Arbeit gebildet, der jede Erwerbsschicht durchzieht.

 

Max Weber[49] hat diesen Übergang in seinem Werk Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus[50] sehr anschaulich beschrieben. Weber attestiert dem Kapitalismus eine Prägung durch Zweckrationalität und Traditionslosigkeit. Dafür ist die Zeit gekennzeichnet durch Rationalität, Rastlosigkeit und Gewinnstreben. Die Religion spielt bei dem Prozess der Rationalisierung eine bedeutende Rolle. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Kapitalismus ist nach Weber die kalvinistische Ethik[51]. Durch die Prädestinationslehre[52] ist die Souveränität Gottes absolut. Dennoch bestand die Frage, ob der Glaube auch (praktische) Früchte trägt. Es bestand im Kalvinismus das Ideal von einem Menschen, der arbeitet, ohne zu rasten und auch ohne sich dem Konsum zu verschreiben. Der Mensch war der Verwalter von Gottes Gaben. Diese religiös-ethische Haltung mündete im Laufe der Zeit in eine Berufsethik. Die Arbeit diente einerseits als Schutz gegen die Anfechtung der Sünde und war andererseits für das Überleben nützlich. Daraus entstand, dass die Arbeit ein Gebot Gottes wurde und damit dem Gläubigen mehr Gewinnchancen einbrachte. Die Motive der rastlosen Arbeit und die Askese sind die Grundsteine zur Entwicklung des kapitalistischen Geistes bzw. der wirtschaftlichen Gesinnung. Die Arbeit und damit verbunden das Erwerbsstreben wurde zu einem Lebenszweck und religiös legitimiert. Die asketische Haltung führte aber gleichzeitig zu einem Verzicht von Konsum und somit zur Bildung von Kapital.

 

Die Folgen daraus sind bekannt in Form der Entfesselung des Erwerbsstrebens und der Entwicklung der Eigendynamik des Kapitalismus. Langsam verschwinden die Wurzeln der Religion und ein wertrationaler Geist bleibt bestehen. Weil die gesamtgesellschaftliche Komponente bei dieser Definition von Arbeit fehlt, driften Wert- und Zweckrationalität auseinander. Der Einzelne wird mit seinen eigenen Wertvorstellungen sich selbst überlassen.[53]

 

Dieses Denken ist so verinnerlicht, dass man kaum in der Lage ist, in Alternativen zu denken. Das zeigen auch Floskeln, wie: Zum „Erwachsen-Werden“ gehöre harte Arbeit dazu. Dahinter verborgen steht eine Sichtweise unserer Vorfahren, die Arbeit als entgegengesetzt der Freude und Lebendigkeit sieht. Nur mit harter und „ernster“ Arbeit kann man schließlich Geld verdienen. In diese Falle tappen fast alle Menschen unserer westlichen Zivilisation. Sie mündet in eine 45 Jahre dauernde Mühsal an Erwerbsarbeit. Im Grunde ist das nichts anderes als Unterwerfung, wie Bergmann diagnostiziert.

 

„Wenn ich kein Ich besitze und darüber hinaus in Selbstunkenntnis lebe und noch viel weniger als um mich selbst um meine Wünsche weiß, und wenn die Gefahr extrem groß ist, dass ich zu eingeschüchtert und zu ängstlich bin, mich überhaupt auf das Abenteuer des Lebens einzulassen, dann ist ganz offensichtlich das Letzte, was ich gebrauchen kann, dass mich jemand mit erhobenem Zeigefinger niedermacht und an den „Ernst des Lebens“ erinnert. Wenn schon meine bloße Existenz in Frage gestellt ist und meine Wünsche sowieso wie zarte Triebe unter dem Schnee begraben liegen, dann ist die Ermahnung, dass ich mich aufgeben, dass ich ein Opfer bringen und bezahlen soll, destruktiv, bösartig und gemein.“ (Vgl. Bergmann, 2008, S. 381f.)

 

Ein weiterer wesentlicher Punkt für die gegenwärtige prekäre Situation ist der plötzliche Zusammenbruch des Sozialismus. Dieser war für Bergmann ein nötiges Gegengewicht zum Kapitalismus. Genauer gesagt stand der Sozialismus im krassen Gegensatz dazu. Es ist erstaunlich, dass dieser so unerwartet und abrupt zusammenbrach. Verstörend wirkt für Bergmann, dass es niemanden gibt, der diesen Untergang bedauert hätte. Das Resultat ist ein immer extremer werdendes System, das in eine Schieflage geraten ist. Der Kapitalismus als alleiniges Wirtschaftssystem wurde zu einem krankhaften Organ, das keinen Widerpart mehr hat, an dem es die eigenen Positionen prüfen könnte.

 

„Der Tod führte auch zu enormen Veränderungen in unserer politischen, intellektuellen und sogar spirituellen Welt.“ (Vgl. Bergmann, 2008, S. 37)

 

Auch die linke Bewegung an sich verlor enorm an Bedeutung. Das ist auch ein Grund, warum es zurzeit linke Parteien sehr schwer haben, Sympathisanten zu finden. Es erscheint, als sei ihre politische Grundlage verloren gegangen.

 

3.1. Offizielle Kultur und andere Kultur


 

Ohne die Alternative des Kommunismus driftet unsere Kultur auseinander. Es haben sich zwei gegensätzliche Kulturen innerhalb des Kapitalismus gebildet. Bergmann nennt diese die offizielle Kultur und die andere Kultur.[54]

 

Die offizielle Kultur findet sich durch den Philosophen Thomas Hobbes[55] begründet. Der Mensch ist ein Homo homini lupus. Er ist von Natur aus schlecht. Dadurch, dass er nur seinen Willen durchsetzen möchte, findet ein Krieg aller gegen alle statt. Deshalb benötigt er einen Souverän, der für Ordnung steht und Kompromisse erzwingt. Hobbes nennt dies den Leviathian. [56][57] Hier ist Freiheit mit größter Verantwortung und vielen Einschränkungen verbunden. Auf diesem Menschenbild aufbauend gründen sich internationale Konzerne, deren Gewinnstreben und Wachstum über allen anderen Werten steht. Die offizielle Kultur verlangt billige Arbeiter und keine Reglementierungen seitens des Staates, der Gewerkschaften oder dgl.

 

Bush verkörpert diesen Typ mit solcher Perfektion, dass man ihm dafür beinahe dankbar sein müsste.“ (Vgl. Bergmann, 2008, S. 39)

 

Dem gegenüber gibt es nach Bergmann eine andere Kultur. Sie hat ihre Anfänge in der 1968er-Bewegung. Das Menschenbild ist von Denkern wie Rousseau, Goethe oder auch Hegel geprägt. Für Rousseau ist der Mensch frei von Geburt an.[58] Er muss gestärkt und gefördert werden, um seine Individualität hervorzubringen. Aber es gibt nicht nur Vordenker der westlichen Kultur, sondern auch – und vielleicht sogar noch viel deutlicher – bei östlichen Denkern, wie zum Beispiel Jiddu Krishnamurti[59] oder Ramana Maharishi[60].

 

Die andere Kultur hat völlig gegensätzliche Einstellungen, etwa zu...

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