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Am Ende ist nicht Schluss mit lustig

Humor angesichts von Sterben und Tod. Mit Karikaturen von Karl-Horst Möhl

AutorHarald-Alexander Korp
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641148041
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
»Der Tod lächelt uns alle an. Das einzige, was man machen kann: zurücklächeln.«
Krankheit, Sterben und Tod - da gibt es nichts zu lachen, oder?
Harald-Alexander Korp sieht das ganz anders. Lachen wirkt entspannend, hilft Sprachlosigkeit zu durchbrechen und schafft Erleichterung. In diesem Buch schildert er, wie der Humor dabei hilft, Sterben und Tod besser zu bewältigen. Menschen am Lebensende, Angehörige und vor allem Pflegende erfahren hier, wie der Humor als Widersacher der Angst auf spielerische Weise Distanz schafft und die Kraft für das Loslassen stärkt.
  • Kann ich den Tod abbestellen? - Mit Humor der Endlichkeit begegnen
  • Freude, Lachen und Humor - existenziell wichtig für Sterbende, Angehörige und Pflegepersonal
  • Ein unterhaltsames und praktisches Ermutigungs-Buch gegen die Unsicherheit und die Angst vor der Heiterkeit im Angesicht des Endes
  • Mit zahlreichen Karikaturen, Erlebnisberichten und vielen praktischen Übungen


Harald-Alexander Korp, geboren 1961, Studium der Religionswissenschaft, Philosophie und Physik, Lehrbeauftragter am Fachbereich Religionswissenschaft der LMU-München und der Georg-August-Universität Göttingen, Lach-Yoga-Trainer, zertifizierter Humor-Coach, Achtsamkeitstrainer, Sterbebegleiter im Ricam-Hospiz in Berlin, Autor und Regisseur von Filmen und Theaterstücken zum interreligiösen Dialog und zum Buddhismus, Vortrags- und Seminartätigkeit zum Thema 'Humor in der Sterbebegleitung'.

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Leseprobe

1. EINLEITUNG

»Das Leben hört nicht auf, lustig zu sein,

wenn Menschen sterben.

Ebenso bleibt es ernst,

wenn Menschen lachen.«

George Bernhard Shaw

Arzt und Krankenschwester stehen mit ernstem Gesicht am Bett meiner Mutter, die nur noch flach atmet. Ich befürchte das Schlimmste. Plötzlich schlägt meine Mutter die Augen auf, blickt uns verdutzt an und fragt: »Kann man den Tod auch abbestellen?« Sie schmunzelt und wir können nicht anders, als berührt zu lachen. Im Heim für betreutes Wohnen muss man, was man haben will, bestellen – und wenn man es nicht will, eben abbestellen. Warum also nicht auch den Tod abbestellen? Sie lächelt mich an und gibt Anweisung, ich solle ihr erst mal einen starken Kaffee holen. Ich lache – und sie lacht mit. Sie ist von den (fast) Toten auferstanden. Natürlich war dies nur ein heiterer Moment unter vielen traurigen und schmerzvollen Augenblicken. Eine kleine und doch hilfreiche Insel des Aufatmens im Meer des Leidens. Und deshalb so wertvoll.

Oft fühlte ich mich bei der Pflege meiner Mutter überfordert. Da erfuhr ich, dass Hospize nicht nur Sterbebegleitung anbieten, sondern auch Beratung für die Begleitung zu Hause. So kam ich in das Ricam-Hospiz in Berlin, erfuhr, wie man sich als Angehöriger Hilfe organisieren kann. Die Atmosphäre war so berührend, dass in mir der Wunsch aufkam, als ehrenamtlicher Hospizhelfer und Sterbebegleiter mitzuarbeiten. Die Koordinatorin war skeptisch, schließlich war ich ja mit der Pflege meiner Mutter beschäftigt. Doch ich wollte es wenigstens versuchen, begann die Einarbeitungszeit, absolvierte die Ausbildung und machte eine einschneidende Erfahrung: Die Begleitung »fremder« Menschen am Lebensende half mir, mit dem Sterbeprozess meiner Mutter besser klarzukommen. Schlicht und einfach, weil ich erlebte: Auch andere Menschen sterben, nicht nur die eigenen Eltern. Ich konnte beobachten, wie Pflege gelingt, wie andere Menschen mit dem Sterben leben, wie sie sich freuen und trauern, wie Sterben geschieht – mal leicht, mal schwer, wie alles im Leben. Meine Angst und Trauer waren leichter zu ertragen. Und ich erlebte noch einen Aha-Effekt: Im Hospiz wird ja gelacht – und das sogar ziemlich oft!

Mittlerweile begleite ich als Hospizhelfer Menschen am Lebensende und unterstütze als Humor-Coach Patienten, Angehörige und Pflegemitarbeiter darin, den Humor nicht zu verlieren und ihn als Quelle von Kraft in schwierigen Lebenssituationen zu entdecken und zu bewahren. Dabei wurden im Laufe der Jahre folgende Fragen für mich immer wichtiger: »Worüber können Sie sich freuen? Und worüber lachen Sie gerne?« Für viele überraschende, ja, provokante Fragen in der Nähe des Todes.

Sterben ist natürlich nicht lustig, sondern macht Angst vor dem Abschied, vor Schmerzen, vor körperlichem und geistigem Verfall, verbunden mit Hilflosigkeit, mit Blut, Schleim und Exkrementen. Und diese Angst ist berechtigt. Manche Menschen sterben trotz modernster Palliativtherapie verbittert und mit starken Schmerzen. Ich staune manchmal, wie jemand das aushalten kann. Andere gehen den letzten Weg mit Gelassenheit, ja, sogar heiter und schlafen friedlich ein. In den meisten Fällen ist es eine Kombination von beidem. Leben bis zum Schluss bedeutet, den Wechsel von Freude und Trauer anzunehmen. Wer mit einer schweren Krankheit umgehen muss oder Menschen im Sterben begleitet, wird die Erfahrung machen: Es ist hilfreich, nicht nur die belastenden Umstände zu sehen, sondern die positiven, kraftspendenden Ressourcen zu nutzen. Humor bedeutet mehr und ist etwas anderes, als lustig zu sein. Humor heißt, sich immer wieder an die unterstützende Kraft von Lachen und Freude zu erinnern, sie wertzuschätzen und einzusetzen. Daraus kann auch in schwierigen Momenten eine entspannende Leichtigkeit erwachsen. Humor wirkt dem Zwang nach Perfektion entgegen und hilft, die eigene Hilflosigkeit und das Scheitern besser annehmen zu können. Wissenschaftliche Studien sprechen eine klare Sprache: Eine humorvolle Atmosphäre bei der Begleitung von Menschen am Lebensende ist äußerst hilfreich. Für das Pflegepersonal ist Humor sogar die zweitwichtigste Ressource im Pflegealltag, direkt nach dem Rückhalt im Team. Lachen und Humor können das Sterben nicht verhindern, aber sie können zu psychischer und physischer Entspannung und Stärkung beitragen. Manchmal durchaus mit schwarzem Humor.

Herr Kluge liegt im Krankenhaus. Neben ihm liegt ein Mann, der stöhnt und stöhnt.

Als die Schwester kommt, sagt Herr Kluge zu ihr: »Können Sie den denn nicht ins Sterbezimmer legen?«

Darauf die Schwester: »Was meinen Sie denn, wo Sie hier liegen?«

In einem Hospiz ist jedes Bewohner-Zimmer ein Sterbezimmer. Als ich das von Frau Thomas betrete, warten sie und ihr Ehemann auf mich. Frau Thomas*, Ende siebzig, hat erst am Tag zuvor ihr Zimmer bezogen. Sie liegt jetzt im Bett und er steht hilflos daneben. Da wir uns noch nicht kennen, begrüßen wir uns mit einem freundlichen, aber förmlichen Gruß. Die Mienen der beiden drücken Besorgnis aus: Frau Thomas braucht eine neue Hygienehose. Da ich die Vorlage als ehrenamtlicher Mitarbeiter nicht alleine wechseln kann und auch nicht alleine wechseln darf, verständige ich eine Pflegerin. Vorsichtig drehen wir die Patientin auf die Seite. Eine angespannte, peinliche Situation. Plötzlich schmunzelt die Dame: »Na prima, so kann man sich auch kennenlernen!« Wir lachen alle vier ein befreites und befreiendes Lachen. Die Pflegerin verschließt die Hygienehose und fügt hinzu: »So, Laden dicht!« Von diesem Moment an geht alles freudvoller und leichter.

Ein Beispiel dafür, wie sich der eingangs zitierte Satz von George Bernhard Shaw bewahrheitet. Das Leben hört auch im Sterben nicht auf, lustig zu sein. Und es behält trotzdem seinen Ernst. Dieses kleine Erlebnis macht deutlich, wie in einer schwierigen Situation Komik und Witz entstehen. Das geschieht nicht zufällig. Die Patientin hatte den Mut, das Unangenehme der Situation mit ihrem Sinn für Humor zu durchbrechen. Der Ehemann nahm dies dankbar auf. Die Palliativschwester freute sich darüber und wehrte den Witz nicht ab. Und zuletzt war auch ich froh, lachen zu können und die Erfahrung bestätigt zu bekommen: Humor hilft! Wo auch immer ein Mensch stirbt, ob zu Hause oder in einer Einrichtung, Humor, Lachen und Freude sind Kraftquellen, die uns auf spielerische Art und Weise zwei Formen der Unterstützung schenken: Distanz und Nähe, je nach dem, was gerade nötig ist. Sinn für Humor zu entwickeln, bedeutet, mehr Gelassenheit zu haben, um das anzunehmen, was geschieht. Eine angespannte Situation kann sich durch eine humorvolle Bemerkung in eine entspannte Situation verwandeln. Entspannung für was? So seltsam es klingen mag: für das Sterben und für die Begleitung anderer in deren Sterben.

Von dieser verwandelnden Kraft des Humors profitieren alle Beteiligten:

  • Menschen in der letzten Lebensphase, die mit Schmerzen und Ängsten umgehen müssen, entlastet es, wenn sie Situationskomik zulassen. Humor erleichtert die Kommunikation, gemeinsames Lachen mit den Begleitenden tröstet und balanciert die Trauer. Aus der Situation des nahenden eigenen Todes heraus fällt es Sterbenden oftmals leichter, Witze über Krankheit und Sterben zu machen als beispielsweise den ihnen Nahestehenden. Dabei hilft Galgenhumor, Aggressionen abzulachen.
  • Angehörige, die einen Menschen begleiten und pflegen, erfahren durch das Lachen Entlastung. Oft fällt es ihnen aber besonders schwer, angesichts des Leides auch nur zu lächeln. Es wird als pietätslos empfunden. Schnell entstehen Scham- und Schuldgefühle aus der Angst heraus, den Angehörigen zu verletzen oder als gefühllos zu erscheinen. Auch hier zeigt sich: gemeinsames Lachen verbindet und Aggressionen, die durch Überforderung entstehen, dürfen auf spielerische Weise abgelacht werden. Und was besonders wichtig ist: Humor und Lachen helfen Angehörigen, für sich selbst zu sorgen.
  • Für Profis und Helfer, wie Pflegekräfte, Ärzte, Therapeuten, Seelsorger, Verwaltungsangestellte, Ehrenamtliche u.a. ermöglicht Humor eine entspanntere Kommunikation. Lachen hilft, Kraft in einem anstrengenden Arbeitsalltag zu schöpfen. Im geschützten Raum des Mitarbeiterzimmers dürfen Witze und Geschichten zum Besten gegeben werden.

Dieses Buch wendet sich also zum einen an Leser, die sich mit ihrer eigenen Endlichkeit auseinandersetzen wollen, vielleicht, weil sie mit der Wahrscheinlichkeit ihres eigenen Todes konfrontiert sind. Zum anderen an diejenigen, die Menschen am Ende des Lebens begleiten. Dabei orientiert sich die Gliederung des Buches an den verschiedenen Phasen, die die allermeisten Menschen durchlaufen, wenn es um eine Krankheit zum Tode geht:

  • Die Diagnose einer unheilbaren Krankheit als ein Wendepunkt, der eine nachhaltige Lebensveränderung bewirkt.
  • Das Sterben als Prozess des Lebens.
  • Der Tod als das große Unbekannte.
  • Die Trauer als Zeit, um sich selbst neu zu finden.
  • Das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit als Ratgeber, das Leben wertzuschätzen.

Diese Schritte bilden einen Zyklus ab, den wir im Leben mehrfach durchlaufen. Zunächst als Angehörige beim Sterben unserer Großeltern, unseren Eltern, Partner und Freunde. Manchmal wird diese Abfolge unterbrochen, wenn Kinder sterben. Irgendwann werden die Gesunden, mitten im Leben Stehenden dann selbst zu...

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