„zumindest bei höher gradiger geistiger Behinderung ... hirnorganische Faktoren und in Ätiologie und Pathogenese psychischer Störungen“ (Meins 1994, 50 zit. n. Theunissen 2005; S. 55)
„gesonderten psychiatrischen Einrichtungen für geistig behinderte Menschen“ (Day 1993, 80 zit. n. Theunissen 2005; S. 55) fordert.
„Zugleich erkennen wir aber auch, daß die Lebensumstände vieler Menschen mit einer geistigen Behinderung das Erkrankungsrisiko ebenso erhöhen wie seelische Belastungen durch die geistige Behinderung selbst und mögliche zusätzliche körperliche, neurologische oder Sinnesschädigungen. Eine oft wenig bedürfnisgerechte Umgebung, eine häufig ausgeprägte Selbstwertproblematik, eine beeinträchtigte Fähigkeit zur Kontaktaufnahme und Kommunikation, eingeschränkte oder inadäquate Möglichkeiten der Artikulation und Durchsetzung eigener Wünsche sowie häufig frustrierende Unter- und Überforderungserlebnisse können dabei, ebenso früh erlittene psychische Verletzungen und eine gestörte emotionale Entwicklung, zu einer erhöhten Vulnerabilität beitragen. Diesen großen psychosozialen Belastungen stehen jedoch nur beschränkte Selbsthilfemöglichkeiten und ein meist geringes Ausmaß an sozialer Unterstützung gegenüber“ (Lotz u. Koch in Lotz (Hrsg.) 1994; S. 13)
Laut STARK und MENOLASCINO ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit geistiger Behinderung eine psychische Erkrankung entwickelt, wesentlich höher als in der Normalbevölkerung (vgl. Stark u. Menolascino 1988; S. xi).
Nach UCHTENHAGEN wird die Häufigkeit sogar
„drei- bis viermal so hoch angenommen wie in der Allgemeinbevölkerung (WHO: ICD-10, 238)“ (Uchtenhagen 1991, 36 zit. n. Lingg1994, S. 19).
KREBS hingegen bezieht sich auf Quellen, die von einer 10-14% Häufigkeit psychischer Störungen bei Menschen mit geistiger Behinderung ausgehen (vgl. Krebs 2000, 90 zit. n. Theunissen in Wüllenweber 2006; S. 190).
In Anbetracht dieser unterschiedlichen Angaben, macht es wenig Sinn überhaupt mit Zahlen zu arbeiten.
Grundsätzlich geht es zunächst einmal um eine Anerkennung der Tatsache, dass bei Menschen mit einer geistigen Behinderung die selben psychischen Erkrankungen auftreten können, wie bei Menschen ohne eine geistige Behinderung.
Was die Prävalenz betrifft, so bezieht sich THEUNISSEN auf verschiedene Quellen und kommt mit Blick auf die Ausprägung der geistigen Behinderung zu folgenden Ergebnissen:
Selbstverletzende und fremdaggressive Verhaltensweisen, Hyperaktivität, Stereotypien, zwanghaftes Verhalten, depressive Verstimmungszustände, starke Rückzugstendenzen, Mutismus, Essstörungen, Kot schmieren und Kontaktprobleme sind seiner Auffassung nach vor allem bei hospitalisierten Menschen mit schwerer geistiger Behinderung zu beobachten.
Persönlichkeitsstörungen (dissoziale, emotional instabile vom impulsiven Borderline Typus, paranoide, schizoide, zwanghafte, ängstlich vermeidende, abhängige, narzisstische, histonische), affektive Störungen, schizophrene Psychosen oder auch andere psychische Störungsbilder, die in den Kategorien des ICD-10 oder DSM-IV zu finden sind, scheinen seiner Meinung nach bei leichter geistiger Behinderung im Vordergrund zu stehen.
Bezüglich organischer Psychosen, die auf eine toxische Schädigung zurück zu führen sind, gibt es laut THEUNISSEN scheinbar, ebenso wie bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch, keinen Unterschied im Vorkommen verglichen mit Menschen ohne geistige Behinderung.
Hingegen beurteilt er das Aufkommen von Demenzerkrankungen, vor allem bei einem Down-Syndrom-Befund, sowie Anfallsleiden und Persönlichkeitsstörungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung als messbar erhöht.
Bezüglich der Verbreitung von Psychosen oder schizophrenen Erkrankungen, erweist sich das Bild nach den Beurteilungen von THEUNISSEN als nicht so klar. Allerdings bemerkt er hierbei scheinbare Besonderheiten im Erscheinungsbild. So beurteilt er die Wahnvorstellungen, in Abhängigkeit zur kognitiven Einschränkung, als vergleichsweise einfach strukturiert.
Mit Blick auf depressive Störungen kommen seiner Meinung nach immer mehr Wissenschaftler und Fachleute zu dem Ergebnis, dass diese infolge ihres atypischen Erscheinungsbildes bei Menschen mit geistiger Behinderung über Jahre hinweg verkannt worden sind, ebenso wie posttraumatische Belastungsstörungen und Dissoziationen. Dabei hängt die Rate des Vorkommens, seiner Kenntnis nach, wesentlich von der Diagnostik ab. So stellt er fest, dass z. B. Untersuchungen mittels standatisierter Depressionsskalen ein geringes Vorkommen dokumentieren, als Diagnostiken, die biographisch, entwicklungsorientiert und verstehend angelegt sind.
(vgl. Theunissen in Wüllenweber 2006; S. 191-192).
Derartige Beobachtungen und Ergebnisse bezüglich Menschen mit geistiger Behinderung sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da weder einheitliche und erprobte Verfahren bei der Diagnostizierung, noch genügend repräsentative und vergleichbare Stichproben vorliegen.
„geistige Behinderung sowohl das psychiatrische Erkrankungsbild verfremden, genauso wie eine psychiatrische Erkrankung die geistige Behinderung schwerer erscheinen lassen kann, als sie in Wirklichkeit ist“ (Wüllenweber u. Theunissen 2001; S. 241).
sprachliche Einschränkungen
eingeschränkte Verhaltens- und Reaktionsrepertoire
intellektuelle Defizite
„Wir können nichts Unlogisches denken, weil wir sonst unlogisch denken müssten“ (Tractatus Logico-Philosophicus 2006).
„Aggressive Verhaltensauffälligkeiten in deprivierenden Lebensbedingungen können z.B. auch als Beweis psychischer Gesundheit angesehen werden, weil sie als eine Rebellion gegen die Deprivation verstanden werden können. Sie sind nicht ohne weiteres ein zusätzliches Symptom in der langen Liste bestehender Auffälligkeiten“ (Stahl in Lotz (Hrsg.) 1994; S. 58).
„positive affektive Erleben und ein Gefühl von „Urvertrauen“, eine für die Ich- und Autonomieentwicklung grundlegende Differenzierung zwischen Selbst und Umwelt sowie eine intrinsische Motivation zum aktiven, neugierigen Erkunden der Welt“ (Lingg 1994, S. 79).
„dass die Qualität der Bindung langfristig Bedeutung für die Entwicklung der sozialen Kompetenz, des Selbstbildes, der psychosozialen Anpassung sowie für die Autonomie hat“ (Grossmann et al. 1989 zit. n. Hesse in Wüllenweber (Hrsg.) 2006; S. 174).
„Der Prozess der Identitätsfindung wird durch eine unterstützende familiäre Umwelt erleichtert, in der die Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder nach wachsender Unabhängigkeit und fortgesetzter Verbundenheit respektieren“ (Zimbardo 1992; S. 91).
- Formale Faktoren
wie z. B. zu große Wohngruppen, stationäres Wohnmilieu; klinisch organisierte Regelung des Alltags; Personalmangel; hierarchisch-autoritäre Einrichtungsstruktur und restriktive Arbeitsbedingungen; häufiger Personal- und Klientenwechsel in der Gruppe; ungünstige Lage und...