1 Einleitung
Vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte, dem Wegfall der wirtschaftlichen Grenzen zwischen den Staaten gewinnt die grenzüberschreitende Betätigung und internationale Ausrichtung der Unternehmensstrukturen immer mehr an Bedeutung.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU), insbesondere der Rat der EU richten ihre Aktivitäten zielgerichtet an der Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes aus.
Diesen existenten Gegebenheiten müssen sich sowohl die Betriebswirtschaften als auch die Gesetzgebungen der Domizilstaaten anpassen, aktiv wirken, positive Tendenzen fördern und maßvoll (!) lenkende Restriktionen schaffen.
Das internationale Steuerrecht hat sich dadurch verändert, Regelungsbereiche wurden entweder geschaffen oder erweitert. Der internationalen betriebswirtschaftlichen Steuerlehre stellen sich neue Aufgaben[1] bezüglich der Steuerplanung und der Lösung unternehmensrelevanter Probleme.
Zur Durchführung der Auslandsaktivitäten steht den Betriebswirtschaften eine Vielzahl von Formen (beispielsweise Direktgeschäfte, Betriebsstättenerrichtung oder Beteiligungen an rechtlich selbständigen Organisationseinheiten) zur Verfügung. Gesellschaftsrechtliche Verbindungen zwischen einem nationalen Unternehmen und mindestens einem im Ausland domizilierenden und rechtlich selbständigen Beteiligungsunternehmen (bzw. vice versa) werden als internationaler Konzern bezeichnet.[2] Der wirtschaftlichen Einheit Konzern steht die steuerrechtliche Eigenständigkeit der einzelnen Konzernunternehmen gegenüber. Ergebnis dieses Trennungsprinzipes ist die Anerkennung schuldrechtlicher Kontrakte innerhalb des Verbundes, d. h. Leistungsbeziehungen und rechtsgeschäftlicher Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bzw. Schwestern ist dem Grunde nach möglich. Dies birgt Potential zur Realisierung von Transaktionen zu unangemessenen Bedingungen (mögliches Ziel: Ergebnisumschichtung).
Ein steuerliches Zentralproblem im internationalen Konzern stellt nunmehr die korrekte Preisgestaltung im grenzüberschreitenden Lieferungs‑ und Leistungsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen dar. Im Ergebnis geht es um die Anerkennung der Aktivitäten der Höhe nach.
In der Gewinnverlagerung zwischen den einzelnen in unterschiedlichen Staaten angesiedelten Beteiligungsunternehmen sehen die jeweiligen Steuerhoheiten eine Minimierung ihres Steueraufkommens[3] und wirken dementsprechend in aller Schärfe gegen. Dabei kommt es zu wechselseitigen Konflikten zwischen den einzelnen Fisci und dem Steuerpflichtigen.[4] Das primäre Ziel der Sitzstaaten (die Sicherung des eigenen Anteils am internationalen Steueraufkommen)[5] kann im Ergebnis eine Doppel- oder Minderbesteuerung beim Unternehmen zur Folge haben. Eine Doppelbesteuerung führt in jedem Fall zu Liquiditäts‑ und Rentabilitätseinbußen, die sich in wettbewerblichen Nachteilen niederschlagen.
Es gilt im Folgenden zu prüfen, ob und inwieweit das steuerpflichtige verbundene Unternehmen einen Rechtsanspruch auf Vermeidung bzw. Beseitigung vorhandener Doppelbesteuerung geltend machen kann. Insbesondere soll die Tauglichkeit und Praktikabilität der deutschen Maßnahmen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung im Falle ausländischer Verrechnungspreiskorrekturen dargestellt und untersucht werden.
Das Augenmerk der vorliegenden Arbeit richtet sich dabei auf die Frage der Gewinnberichtigung im Lieferungs‑ und Leistungsverkehr zweier oder mehrerer aktiv tätiger juristischer Personen.
1.1 Problematisierung des Sachverhaltes
Im Rahmen eines internationalen Geschäftsvorfalles (Waren‑ oder Leistungsverkehr) kommen mindestens drei Beteiligte in Frage: die Fisci der jeweiligen Sitzstaaten der Unternehmensglieder und die Entscheidungssubjekte der besteuerten Betriebswirtschaft.
Ausgestattet mit eigenen Zielstrukturen ist die Wahrscheinlichkeit von Konflikten relativ groß.
Aus Konzernsicht spielen neben betriebswirtschaftlichen[6] vor allem steuerliche Faktoren eine bedeutende Rolle, haben Verrechnungspreise doch Einfluß auf die Steuerlast, wenn beispielsweise Erträge in Ländern mit niedrigem Steuerniveau anfallen. Den Gestaltungsmöglichkeiten stehen allerdings nationale und in zwischenstaatlichen Abkommen geregelte Gewinnkorrekturnormen entgegen, die das Unternehmen eher be‑ als entlasten.
Die verschiedenen Rechtsordnungen haben ihr Steueraufkommen durch Anwendung ihrer nationalen Rechtsvorschriften zu sichern, auch über die Grenzen des eigenen Landes hinweg.[7]
Ein Beispiel soll verdeutlichen welche Konflikte sich aus der Durchsetzung verschiedener Ziele ergeben.
Eine ausländische Tochterkapitalgesellschaft veräußert materielle Wirtschaftsgüter[8] gegen einen unangemessen niedrigen Preis von 1000 Geldeinheiten (GE) an ihre deutsche Mutterkapitalgesellschaft, obwohl der erzielbare Verkaufserlös 2000 GE betragen würde. Im Hinblick auf den angemessenen Preis sind die Einkünfte bei der ausländischen Tochter geringer, bei der inländischen Mutter höher ausgefallen. Die Steuerverwaltung im Sitzstaat der Tochtergesellschaft korrigiert die Einkünfte und erhöht deren Gewinn um 1000 GE.[9] Eine Reaktion der deutschen Finanzbehörde bleibt aus.
Bei Veräußerung der Wirtschaftsgüter durch den deutschen Gesellschafter zu 2000 GE wäre ein laufender Gewinn von 1000 GE zu versteuern.
Das Beispiel führt zu einer Doppelbesteuerung, da der ausländische Staat die Unterpreislieferung für steuerliche Zwecke korrigiert und das steuerpflichtige Einkommen erhöht, der deutsche Staat hingegen den Preis für angemessen hält.
Diese doppelte Besteuerung könnte vermieden werden, wenn die deutsche Finanzverwaltung den Gewinn der Muttergesellschaft um 1000 GE mindern würde. Es wäre auch möglich die Steuer entsprechend herabzusetzen. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Grundlage.
Im Beispiel zeigen sich erste Schwierigkeiten. Die verschiedenen Finanzverwaltungen sind sich einig über die Prüfung der Angemessenheit nach dem „dealing at arm`s length‑Prinzip“. Dies bedeutet dennoch nicht, daß eine Übereinstimmung der Höhe nach besteht.
Probleme wird es auch dann geben, wenn der eine Staat spezielle Korrekturnormen (zum Beispiel verdeckte Gewinnausschüttungen oder verdeckte Einlagen) nicht kennt, der andere hingegen diese anwendet. Der fehlenden Übereinstimmung der Höhe nach könnte die Inkongruenz dem Grunde nach folgen.
1.2 Begriffliche Grundlagen zur Doppelbesteuerung
1.2.1 Charakterisierung und Darlegung der Ursachen der Doppelbesteuerung
Eine Legaldefinition zum Begriff findet sich weder in den Vorschriften des nationalen Steuerrechts, noch in multinationalen Vereinbarungen. In der Literatur wird zum Teil kontrovers diskutiert, ob und inwieweit eine Begriffsabgrenzung überhaupt notwendig ist.[10] Dessenungeachtet hat sich in der Praxis ein „einheitliches Begriffsverständnis“[11] herausgebildet. Vor allem besticht die Tatsache, daß Überlegungen im Zusammenhang mit Vermeidung und Beseitigung der Doppelbesteuerung ohne nähere Angabe von Begriffsmerkmalen unsinnig und ergebnislos sein müssen. Eine mögliche Definition wird erschwert, da verschiedene Ausprägungen existieren, nicht sämtliche Merkmale bei jeder Art der Doppelbesteuerung (zum Beispiel juristische oder wirtschaftliche; effektive oder virtuelle Doppelbesteuerung) vorhanden sein müssen. Demzufolge kann man von einem Typusbegriff [12] ausgehen. Die ihn repräsentierenden Merkmale können vorliegen, müssen aber nicht. Von Bedeutung ist das Gesamtbild der Verhältnisse im konkreten Einzelfall.[13]
Dem konstitutiven Ansatz folgend, sollen im Weiteren die einzelnen Begriffsmerkmale der Doppelbesteuerung angeführt werden.
Eine juristische Doppelbesteuerung liegt vor, wenn mehrere Steuerhoheiten dasselbe Steuerobjekt bei Identität des Steuersubjekts im selben Besteuerungszeitraum einer gleichartigen Steuer unterziehen.[14] Dieser Begriffsbestimmung folgen sowohl die Literatur als auch die meisten Staaten.
Der wirtschaftliche Doppelbesteuerungsbegriff verzichtet auf die Identität des Steuersubjektes und wirkt so bei international verbundenen Unternehmen.
Ursache für das Entstehen der Doppelbesteuerung ist die Eigenständigkeit der Staaten, auf ihrem Hoheitsgebiet nach Person und Tatbestand Steuern zu erheben und festzusetzen. Dabei ergeben sich Überschneidungen bzw. Kollisionen in mehrfacher Hinsicht.
Nach völkerrechtlichen Prinzipien darf ein Staat nur dann Steuern über seine Grenzen hinaus erheben, wenn hierfür konkrete Anknüpfungsmomente vorliegen.[15] Dies sind einerseits die persönliche Bindung und anderseits die sachliche Beziehung der in Frage kommenden Person zum jeweiligen...