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E-Book

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Wie erleben Praxisanleiter/-innen ihren Arbeitsalltag

AutorChristina Körner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl114 Seiten
ISBN9783656481102
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Gesundheit - Pflegewissenschaft - Sonstiges, Note: 1,0, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Sprache: Deutsch, Abstract: Das vorliegenden Buch behandelt die Frage, wie Praxisanleiter im akutstationären Bereich ihren Arbeitsalltag erleben. Das Interesse liegt hierbei auf dem subjektiven Empfinden der Praxisanleiter, wobei auch mögliche Spannungsfelder und Belastungen eruiert werden. Nach der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen des Praxisanleiter-Alltags folgte eine empirische Erhebung der Ist-Situation. In sechs problemzentrierten Interviews mit Praxisanleitern aus verschiedenen Bereichen der akutstationären Versorgung geht die Forscherin der Frage nach dem Alltagserleben der Personen nach. Die Aussagen der befragten Praxisanleiter bestätigen einige in der Literatur beschriebene oder im Vorfeld von der Autorin angenommene Aspekte, offenbaren jedoch auch überraschende, im vorhinein nicht vermutete Gesichtspunkte.

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Leseprobe

9.0 Die Arbeitswirklichkeit von Praxisanleitern


 

Nach Darstellung der theoretischen Ansprüche an die Funktion des Praxisanleiters rückt in den folgenden Kapiteln der reale Arbeitsalltag der Praxisanleiter in den Mittelpunkt. Ausgewiesene und mutmaßliche Konfliktfelder und Belastungsmomente, die mit der „Soll-Situation“ nicht immer konform gehen, werden herausgearbeitet.

 

In der späteren empirischen Erhebung werden Praxisanleiter dann zu ihrem persönlichen Alltagserleben - insbesondere hinsichtlich der im Folgenden erörterten Konfliktfelder - befragt. Auf diese Weise findet am Ende ein Abgleich zwischen den hier theoriegeleiteten Annahmen und den subjektiven Empfindungen der Praxisanleiter statt.

 

9.1 Praxisanleitung im Spannungsfeld zwischen arbeiten und lernen


 

Eine grundsätzliche Schwierigkeit der Praxisanleiter besteht darin, Ausbildungsinhalte unter realen Bedingungen an unterschiedlichen Lernorten der Praxis zu vermitteln und Schüler dabei unter realen Praxis-bedingungen anzuleiten. Praxisausbildung ist also immer Arbeitsprozess und Unterricht zugleich[62]. MAMEROW sieht in dieser „Gleichzeitigkeit der umfassenden Betreuung von Pflegebedürftigen und des Erwerbs von Kompetenzen für diese Betreuung“[63] eine Grenze der Praxisausbildung.

 

Diese Gleichzeitigkeit birgt potentielle Probleme und Herausforderungen in sich:

 

Praxissituationen in der Pflege lassen sich nur sehr bedingt simulieren. Die praktische Ausbildung muss im Arbeitsprozess erfolgen und lässt sich nicht, wie in anderen Ausbildungsberufen, davon abkoppeln. Entgegen der Einübung bestimmter Fertigungsschritte in einem handwerklichen Beruf lässt sich in der Pflegeausbildung die Begleitung eines sterbenden Menschen beispielsweise nicht in Teilschritten einüben. Der Praxisanleiter ist also gefordert, Ausbildungssituationen für Schüler bei gleichzeitig wechselnden, individuellen Pflegesituationen von pflegebedürftigen Personen auf hohem Niveau zu realisieren. Diese Gleichzeitigkeit kann ein Spannungsfeld sein. Der Praxisanleiter läuft Gefahr, möglicherweise einer von beiden Anforderungen - Anleitung oder Patientenversorgung - nicht vollumfänglich gerecht zu werden.

 

Pflege ist Beziehungsarbeit. Diese Beziehungsarbeit ist charakterisierbar als sehr individuell verschieden und nicht gleichbleibend. Nur ein gewisser Teil der Tätigkeiten einer Pflegekraft sind Routinehandlungen. Bei vielen Handlungen muss sie, der Bedürfnislage des Pflegeempfängers entsprechend, sogar von allgemeinen Standards und Verfahrensvorgaben abweichen. Dies stellt gerade für die praktische Ausbildung eine nicht unwesentliche Schwierigkeit dar, muss die Divergenz zwischen theoretisch Richtigem und im konkreten Fall Angemessenem doch mit dem Schüler hinreichend thematisiert, analysiert und reflektiert werden.

 

Eine große Herausforderung für die Anleiter-Tätigkeit ist auch die Tatsache, dass der Pflegealltag von unvorhersehbaren Situationen wie einer akut veränderten Bedürfnislage des Patienten oder dringenden stationsorganisatorischen Abweichungen gekennzeichnet ist.

 

In der Folge muss, trotz Planung des Pflegeprozesses, auf solche Situationen häufig spontan reagiert werden. Diese Spontanität tangiert den Anleitungsprozess ebenfalls, da sie doch vom Anleiter selbst, aber auch vom Schüler, ein hohes Maß an Flexibilität und Einfühlungsvermögen erfordert[64].

 

Festzuhalten ist, dass praktische Ausbildung im Arbeitsprozess den Praxisanleiter in mehrerer Hinsicht fordert. Er muss fortwährend zwischen individueller Patientenversorgung und Gestaltung praktischer Ausbildungssequenzen austarieren. Diese Situation ist ein Spannungsfeld, das zu Belastungen im Arbeitsalltag führen kann.

 

9.2 Praxisanleitung im systemischen Verständnis


 

Um das Anleitungsgeschehen im Krankenhaus in seinen unter-schiedlichen Dimensionen und folglich auch Problematiken besser verstehen zu können, ist es hilfreich, sich die Strukturen mittels eines theoretischen Konstrukts zu verdeutlichen. Hier bietet es sich an, den von HUNDENBORN / KREIENBAUM 1994 entwickelten systemischen Ansatz mit seinen konstitutiven Elementen einer Pflegesituation auf das Anleitungsgeschehen zu transferieren. Der systemische Ansatz von HUNDENBORN / KREIENBAUM basiert auf dem Situationsverständnis des Symbolischen Interaktionismus[65], wonach eine Gesamtsituation immer aus objektiven und subjektiven Anteilen besteht, die jeweils in die Situationsdefinition einfließen[66].

 

Die von HUNDENBORN / KREIENBAUM beschriebenen fünf Elemente die eine Pflegesituation begründen, sind:

 

- der Pflegeanlass;

 

- das Erleben und Verarbeiten;

 

- die Interaktionsstrukturen;

 

- die Institution und

 

- der Pflegeprozess.

 

Übertragen auf die Anleitungssituation ist der erste Punkt, der Pflegeanlass, zunächst einmal mit Anleitungsanlass - also dem Erfordernis, das Anleitungshandeln notwendig macht - zu ersetzen. Der Punkt Pflegeprozess als phasiger Regelkreis (Einschätzung der Situation - Planung - Durchführung und Evaluation) ist auch auf das Anleitungs-geschehen übertragbar. Anleitung soll gezielt und geplant, den Bedürfnissen der Schülers entsprechend stattfinden. Somit bietet sich das Regelkreismodel als Strukturierungshilfe an.

 

Für die Verdeutlichung von problematischen Aspekten des Anleiter-Alltags sind die Punkte Interaktionsstrukturen und Institution allerdings von besonderer Bedeutung. Daher werden diese zwei Perspektiven im Folgenden eingehender dargestellt während die anderen Punkte nur kurz abgehandelt werden.

 

9.2.1 Anleitungsanlass sowie Erleben und Verarbeiten als Elemente einer Anleitungssituation


 

Anleitungsbedarf generiert sich zum einen aus der gesetzlichen Verpflichtung zur Anleitung[67]. Zum anderen ergibt sich der Anleitungs-bedarf ganz praktisch aus den noch geringen Handlungskompetenzen eines Schülers, die im Verlauf der Ausbildung mit Hilfe von Anleitungen gefördert werden sollen.

 

Dem objektiven Anleitungsanlass steht, dem systemischen Ansatz folgend, auf subjektiver Ebene das Erleben und Verarbeiten gegenüber. Hierbei spielen die subjektiven Deutungen, der Prozess des Erlebens und die immanenten Zuschreibungen und Deutungen im Anleitungsgeschehen - jeweils auf Seiten des Anleitenden und des Angeleiteten - eine zentrale Rolle. Da diese Prozesse sehr individuell empfunden werden lassen sich hieraus keine allgemeinen Aussagen über die Alltagswirklichkeit des Praxisanleiters ableiten.

 

9.2.2 Interaktionsstrukturen als Elemente einer Anleitungssituation


 

Der Punkt Interaktionsstrukturen dagegen bedarf im Zusammenhang mit Schwierigkeiten im Anleitungsalltag einer differenzierteren Betrachtung:

 

Zunächst einmal ist die schlichte Aussage zu treffen, dass für den Praxisanleiter mit der Übernahme seiner Anleiter-Tätigkeit kein neues Leben beginnt: Er bleibt Teil seines Systems bzw. wird Teil weiterer Systeme[68]. Der auf einer Station tätige Praxisanleiter bleibt Teil seines Stationssystems, zusätzlich wird er Teil des Schulsystems, in dem er für die praktische Ausbildung auf seiner Station Verantwortung übernimmt. Da er in diesen beiden Systemen mit verschiedenen Menschen in Interaktion tritt, die teilweise konträre Forderungen an ihn stellen, ergeben sich zwangsläufig auch Rollen- und Zielkonflikte[69], die sein Alltagserleben beeinflussen.

 

Die wichtigsten Interaktionspartner des Praxisanleiters werden in folgender Abbildung verdeutlicht:

 

 

Abb. 1: Interaktionspartner des Praxisanleiters

 

In den folgenden Abschnitten werden die aus der Zusammenarbeit resultierenden Erwartungen an den Praxisanleiter sowie mögliche Spannungsfelder näher beschrieben. Diese Erwartungen und möglichen Spannungsfelder beeinflussen mutmaßlich das Alltagserleben des Praxisanleiters. In der ausstehenden Untersuchung werden diese Interaktionsstrukturen hinterfragt, so dass eine theoretische Auseinandersetzung im Vorfeld geboten ist.

 

9.2.2.1 Erwartungen des Schülers an den Praxisanleiter

 

Die wohl wesentlichste Interaktionslinie im Anleitungsprozess ist die zwischen Praxisanleiter und Schüler[70]. Sie ist faktisch das konstituierende Element im Anleitungsgeschehen. Alle ausbildungsrelevanten Aufgaben des Praxisanleiters haben schlussendlich zum Ziel, die Schüler schrittweise zur eigenständigen Wahrnehmung ihrer beruflichen Aufgaben zu befähigen. Erwartungen, die Schüler an eine...

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