Mut zu einer neuen Beziehung
Ein Hundebuch?
Ja, aber vor allem ein Menschenbuch!
Dieses Buch ist ein Büchlein – und anders
108 Seiten reichen – denn es geht „nur“ um Verlässlichkeit Ihres Hundes im Alltag. Ich verzichte auf alles, was Sie in vielen Hunderatgebern schon finden: z. B. Trainingstipps, wie Sie im Hundesport aufs Treppchen kommen; auf viele hübsche, farbige Hundebilder; auf Grundlagenwissen über Körpersprache; auf nette Fallgeschichten und andere wissenwerte und nette Dinge. Auch verzichte ich weitgehend darauf, Erkenntnisse der „modernen“ Verhaltensforschung als Argument heranzuziehen. Zu oft widersprechen sich diese „Beweise“ – und Erkenntnise sind nie „Wahrheit“, sondern immer nur Beschreibungen der Realität. Selbst eine noch so gute Landkarte ist nicht die Landschaft! Es hilft Ihnen wenig, wenn Sie viel zu wissen glauben, Ihr Hund sich aber anders verhält (vielleicht nicht „modern“) und Sie ihn nicht verstehen. Mit diesem Buch möchte ich Sie motivieren, sich und Ihren Hund genauer kennenzulernen. Dazu stelle ich Ihnen konkrete „Aufgaben“, ähnlich wie ich es beim gemeinsamen Training machen würde. Deshalb fordere ich Sie immer wieder auf, nachzudenken oder etwas Bestimmtes zu tun. Stören Sie sich bitte nicht an den „klaren Ansagen“ und direkten Aufforderungen. Gerade weil viele Wege zum Ziel führen, ist Eindeutigkeit wichtig. „Schritt für Schritt, so einfach wie möglich, ohne rosarote Brille“ – das hilft Frau, Mann, Hund und Hündin nicht nur im Training. Deshalb an dieser Stelle gleich ein Wort an die „Frauchen“: Fühlen Sie sich bitte von der männlichen Anredeform (entsprechend meine ich ebenso die Hündin, wenn ich vom Hund spreche) herzlich angesprochen. Das macht Formulierungen kürzer und klarer. Und das ist wichtig: denn Probleme mit dem Hund sind Kommunikationsprobleme – der Mensch denkt meist zu kompliziert und fühlt sich zu wenig ein.
Hunde „ticken“ einfacher – wenn wir es dem Hund einfach machen. Beispielsweise einfacher durch ein häufiges „Ja“ („Das möchte ich haben“) und durch ein seltenes, absolut klares „Nein“ („Das lässt Du jetzt bleiben!“). „Nein“ wird im Buch als Synonym für ein sicheres Abbruchkommando verwendet. Abbruchkommando heißt, der Hund bricht sein Verhalten augenblicklich ab. In der Realität hören viele Hunde dagegen meist ein weichgespültes „Nein“ und halbherziges „Ja“ – beides mit der Bedeutung „Jein“! Das ist für jeden Hund unklar und damit unfair. Genauso unfair wie lebenslanger Schleppleinenknast, nur weil Herrchen, Frauchen und zu viele Trainer bedingungslose Sanftheit und falsch verstandene Partnerschaft zum Ausbildungs-Dogma erhoben haben. Wenn ich Sie mit solchen Aussagen provoziere, ist das gewollt. Denn wenn Sie das Verhalten Ihres Hundes ändern wollen, müssen Sie Ihre bisherige Haltung überdenken und verändern. Dann dürfen Sie sich nicht länger auf (Ratgeber-) Theorie verlassen. Der Weg zu einem verlässlichen und lebensfrohen Hund führt über Beobachtungsgabe, Bauchgefühl und gesunden Menschenverstand. Und es darf nicht beim Lesen und Denken bleiben – Sie müssen etwas tun!
In diesem Buch geht es vor allem um Sie – es geht um Ihre Haltung als Schlüssel für die Qualität der Mensch-Hund-Beziehung!
Es geht um Ihre innere Haltung. Es geht um Ihre Körperhaltung, die Ihre innere Haltung spiegelt. Es geht um eine Haltung, die Sicherheit und Führungsstärke ausstrahlt. Ihr sicheres Auftreten macht Ihren Hund sicher! Statt zu locken und bitten, statt an der Leine zu zerren, statt Ihrem Hund zu drohen oder ihn vollzutexten, geben Sie Ihrem Hund mehr und mehr, was er von Ihnen erwartet: klare Führung durch klare Signale und eine Beziehung, die seinen „tierischen“ Bedürfnissen entspricht. Der Humorist Corey Ford sagte:
Wenn man Menschen gut erzieht, kann er der beste Freund des Hundes werden.
Ihr Hund ist normal, wenn er seine Triebe ausleben möchte. Es ist aber genauso normal, wenn Sie Ihrem Hund Regeln geben und klare Grenzen setzen. Nur so können Sie Ihrem Hund Freiheiten erlauben, die ihm bis heute wahrscheinlich noch vorenthalten sind. Ziehen Sie aus diesem Buch heraus, was für Sie passt, und lassen Sie sich jetzt durch ein untypisches Hundebuch inspirieren …
Mögen Sie „heile“ Welt?
Sicherlich. Aber erwarten Sie nicht nur heile Welt in der Beziehung zu Ihrem Hund. Genauso wenig, wie die Mensch-Mensch-Beziehung ist die Mensch-Hund-Beziehung zu jeder Zeit perfekt. Kein Lebewesen lebt ein Leben ohne Hochs und Tiefs. Und das ist sogar gut! Die Verhaltensforschung belegt es genauso wie die Psychologie:
Ein „lauwarmes“ Leben ohne Herausforderungen, Reibungspunkte und Konflikte macht krank – genauso wie ein Leben im Dauerstress.
Sie müssen Ihren Hund nicht in Watte packen! Sie dürfen völlig ausgelassen mit Ihrem Hund spielen und Spaß haben! Sie dürfen (unbewusst) Fehler machen, denn Sie werden sie nicht vermeiden können! Sie dürfen Ihren Hund lieben und sich richtig über ihn ärgern. Vor allem: Sie dürfen Ihren Willen durchsetzen! Wenn ein Kind über die Straße rennen möchte, denken Sie nicht an den „richtigen Griff oder Kniff“ um es davon abzuhalten. Sie handeln hoffentlich geistesgegenwärtig, entschlossen und wirkungsvoll. Deshalb dürfen, nein, besser müssen Sie sich in der Hundeerziehung trauen, Dinge einfach aus dem Bauch heraus spontan zu tun – wenn Sie bereit sind, über die Wirkung nachzudenken. So finden Sie das rechte Maß!
Überlegen Sie: Wie seriös und glaubhaft würden Sie es finden, wenn Ihnen jemand eine Theorie „verkaufen“ möchte, um eine Paarbeziehung stets harmonisch und ohne Konflikte zu gestalten? Würden Sie ein Buch lesen, in dem sich nach fünf Seiten alle für die nächsten 200 Seiten glücklich in den Armen liegen? Wie spannend würden Sie einen Film finden, bei dem es keine Spannung gäbe?
Geben statt nehmen
Sie müssen Ihrem Hund etwas geben: mehr als Futter und Ball, mehr als eine weiche Decke und Streicheleinheiten. Wie gerade gesagt – Ihr Hund erwartet von Ihnen Sicherheit, Klarheit, Respekt und „spannende Abenteuer“, sonst sucht er sich eigene. Welche, die Sie nicht möchten. Die Balance zwischen Geben und Nehmen, für die gegenseitige Erfüllung von Bedürfnissen ist Grundlage jeder guten Beziehung. Und denken Sie immer daran: Ihr Hund hat andere Bedürfnisse als Sie. Sie möchten sich nicht mit Aas parfümieren, er nicht ins Kino. Genauso erwartet Ihr Hund von Ihnen eine andere Form des Respekts, eine andere Art von Sicherheit. Einen Futterbeutel als Ersatz für einen Hasen anzubieten, spricht nicht für Ihr Verständnis für seine Bedürfnisse. In diesem Buch finden Sie Trainingstipps, gemeinsame Bedürfnisse zu erkennen, zu finden und zu teilen – als Basis einer tragfähigen und fairen Team-Beziehung. Diese wird nicht demokratisch (Leben Sie diese Form der Partnerschaft in Ihren Mensch-Mensch-Beziehungen!) und partnerschaftlich auf Augenhöhe sein! Sonst müssten Sie künftig gemeinsam jagen, Jogger anfallen und an Hinterteilen riechen. Hund ist Hund und nicht Mensch im hübschen Pelzmantel! Ihre Rolle ist es, Ihrem Hund das zu geben, was er von seinen genetischen Wurzeln her braucht: Einen verlässlichen Sozialpartner, dessen Kommunikation er versteht und auf dessen Wissen und Gespür für seine tierische Bedürfnisse, er sich verlassen kann. Deshalb ist es schlau, dass Sie Ihrem Hund für seine natürlichen Triebe, die er aus Gründen der Sicherheit und Sozialverträglichkeit nicht ausleben darf, Ersatz bieten. Diesen Ersatz als wichtigen Teil Ihrer Beziehung „schmackhaft“ zu machen, ist der „Trick“ erfolgreicher Erziehung. Gelingt Ihnen das, werden Sie mehr Freude an Ihrem Hund haben – im Alltag ebenso wie im Hundesport!
Nebenbei werden Ihnen einige Dinge klar werden, die Ihnen dabei helfen, Kommunikationsprobleme unter Zweibeinern zu lösen. Denn so verschieden Mensch und Hund sind – es gibt viele Gemeinsamkeiten. Sonst wäre nicht gerade der Hund zum engsten tierischen Begleiter des Menschen geworden. Für Hund und Mensch gilt:
Die Wirkung unserer Kommunikation hängt im hohen Maße von der Qualität unseres Auftretens ab – und ob es uns gelingt, Bedürfnisse zu befriedigen!
Erfolgreiches Hundetraining hat deshalb viel mit Ihrer Persönlichkeit zu tun. Ihr Hund gibt Ihnen unmittelbar Feedback auf Inkonsequenz, Unklarheit in der Kommunikation, Unsicherheit, zu wenig Empathie und Präsenz. Weitaus direkter und ehrlicher als Ihr Umfeld. Sie lernen viel über sich, Ihre Körpersprache und Stimme. So wird Ihr Hund Ihr Trainer für mehr Ausdrucksstärke! Je ausdrucksstärker Sie ein „Ja, super gemacht“ und ein...