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Arbeit

Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert

AutorAndrea Komlosy
VerlagPromedia Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783853718506
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
In sechs Zeitschnitten zwischen dem 13. und dem 21. Jahrhundert zeigt Komlosy die Vielfalt der Arbeitsverhältnisse auf, die jede Periode kennzeichnet. Sie untersucht, wie Arbeit geteilt und in welcher Art sie miteinander kombiniert wurde. Die Verbindung unterschiedlicher Arbeitsverhältnisse ist die Grundlage der Kapitalakkumulation, die aus der Aneignung von Werten aus fremder Arbeit resultiert. Über ungleichen Tausch und die Zerlegung der Arbeitsprozesse in Güterketten liegt der Werttransfer auch der globalen Ungleichheit zugrunde.

Andrea Komlosy, geboren 1957 in Wien, ist Professorin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Sie veröffentlicht zu Themen der Globalgeschichte und ihrer Verflechtung mit regionalen Beziehungen. Komlosy ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des 'Internationalen Instituts für Sozialgeschichte' in Amsterdam. Zuletzt ist von ihr im Promedia Verlag erschienen: 'Grenzen und ungleiche regionale Entwicklung. Binnenmarkt und Migration in der Habsburgermonarchie' (2003).

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Leseprobe

Einführung


Der Band beschäftigt sich mit Arbeitsverhältnissen in verschiedenen Weltregionen im historischen und interkulturellen Vergleich. Der Fokus liegt dabei auf der Verbindung unterschiedlicher Arbeitsverhältnisse.

Als Grundlage der Darstellung dieser Verbindungen dient die Hypothese von der Gleichzeitigkeit und der Kombination unterschiedlicher Arbeitsverhältnisse. Die Vorstellung einer linearen oder stufenweisen Abfolge von Produktionsweisen und mit diesen verbundenen Arbeitsverhältnissen wird zurückgewiesen. Vielmehr konzentrieren wir uns auf die große Vielfalt von Tätigkeiten, die in jeder historischen Epoche dem Überleben und der Selbstfindung der Menschen dienten. Arbeit umfasste und umfasst Tätigkeiten für den Markt und für die Selbstversorgung, für das nackte Überleben und für die Befriedigung von Luxus und Statusbedürfnissen, von kultureller Repräsentation und zur Demonstration von Macht und Glaube. Eine Trennung von Arbeits- und Wohnort, Arbeits- und Freizeit blieb lange Zeit die Ausnahme und trat erst im Zuge der Industriellen Revolution an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert mit der Zentralisierung der Erwerbsarbeit in Fabriken und Büros in den westlichen Industrieländern in den Vordergrund. Dies traf weder für alle Menschen in der Industriegesellschaft zu, wo bäuerliche Landwirtschaft, Handwerk und Heimarbeit, Haus- und Subsistenzarbeit sowie eine große Bandbreite von Tätigkeiten, mit denen sich Nicht-Erwerbstätige durchbrachten, weiterhin das Arbeitsleben prägten. Noch weniger traf es für jene Regionen in- und außerhalb Europas zu, in denen die Fabrikindustrie zunächst keine und – im Laufe nachholender Industrialisierung – keine dominierende Rolle spielte und Fabrikarbeit immer nur eine Erwerbsform unter vielen Überlebenstätigkeiten war und ist, die in Kombination mit anderen Tätigkeiten im Verband von Haushalt und Familie verrichtet werden.

Die Gleichzeitigkeit und Kombination unterschiedlicher Arbeitsverhältnisse wird in diesem Buch in Form von sechs Zeitschnitten (1250, 1500, 1700, 1800, 1900, 2010) und den durch diese gebildeten Perioden vorgestellt.

Das Jahr 1250 steht für die Verdichtung der Urbanisierung und des Austauschs von Gütern des täglichen Bedarfs im Zusammenhang mit der Herausbildung eines eurasischen Weltsystem (Abu-Lughod 1989), dessen Dynamik im Westen vom lateinischen Europa, im Osten von der Reichsbildung der Mongolen geprägt war. Raub, Plünderung und Entführung von Fachkräften entzogen den eroberten Regionen Werte, eine Kontrolle über die überregionale Arbeitsteilung erreichten die damaligen Großmächte jedoch nicht. Im städtischen Handwerk begann sich ein werkzeug- und qualitätsorientierter Arbeitsbegriff herauszubilden, der sich von der mühevollen Arbeit im Haus und in der Landwirtschaft abhob.

Das Jahr 1500 steht für das westeuropäische Ausgreifen auf amerikanische Plantagen und Bergwerke. Die Arbeit, die Indigene und Sklaven zur Erwirtschaftung von Rohstoffen verausgabten, floss in das westeuropäische Gewerbe ein, das sich auf Fertigwaren konzentrierte. Auch innerhalb von Europa begann sich eine Arbeitsteilung zwischen westlichen Gewerberegionen und osteuropäischen Agrarregionen herauszubilden, die Waldprodukte und Nahrungsmittel zulieferten. Im eurasischen Kontext waren die Kompetenzzentren der gewerblichen Produktion jedoch in West-, Süd- und Ostasien angesiedelt: europäische Händler und Handelskompagnien und ihre Regierungen setzten alles daran, am innerasiatischen Handel mit Spezereien und gewerblichen Artikeln zu partizipieren. Sie verwendeten dafür Silber, das ihnen aus der Plünderung der amerikanischen Minen zur Verfügung stand.

Um 1700 trat in der gewerblichen Produktion neben die häusliche Selbstversorgung der Dörfer und die städtischen Zunfthandwerker das von Händlern betriebene Verlagswesen: Diese Händler beschränkten sich nicht auf den Handel mit Gewerbewaren, die vor Ort gefertigt wurden, sondern sie verbanden die ländlichen Produzenten durch ihre Aufträge in einer von ihnen kontrollierten Arbeitsteilung und eröffneten damit Güterketten klein- und großräumiger Reichweite. Die asiatische Handwerkskunst stand nach wie vor an der Weltspitze, indische Baumwolltextilien gelangten über die britische East India Company auf europäische, afrikanische und amerikanische Märkte. Afrikanische Sklavenhändler nahmen indische Textilien in Zahlung, amerikanische Plantagensklaven trugen Kleidung aus indischen Baumwollstoffen. Das kapitalistische Weltsystem (Wallerstein 2004a) verleibte sich die diversen, lokal bestehenden Arbeitsverhältnisse einer ungleichen internationalen, unter westeuropäischer Ägide stehenden Arbeitsteilung ein.

Um 1800 verschob sich mit der Industriellen Revolution die Kontrolle über die globalen Güterketten in jene westeuropäischen Regionen, die – zunächst in Großbritannien, in der Folge auch in anderen europäischen Staaten – die gewerbliche Produktion in Fabriken mit mechanischem Antrieb zentralisierten. Mit der Mechanisierung verlagerte sich die Lohnarbeit von Haus und Werkstatt in die Fabrik: Dies trug zu einer gänzlich neuen Erfahrung von Arbeit bei. Auf Arbeiterseite bedeutete Fabrikarbeit, auf ein Lohneinkommen angewiesen zu sein, ihre Anstrengungen konzentrierten sich nach einer Phase der kruden Ausbeutung darauf, Löhne und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Unternehmer betrachteten die Arbeitskraft als einen Kostenfaktor, der durch die Aneignung der in der Lohnarbeit geschaffenen Werte Kapitalakkumulation ermöglichte. Hausfrauen bildeten ein Anhängsel des Ehemannes, deren Beitrag zum familiären Überleben und zur betrieblichen Wertschöpfung nicht als Arbeit wahrgenommen wurde. Trotz der antagonistischen Positionen waren Lohnarbeit und Kapital eng aneinander gebunden. Während sich dieses Arbeitsverständnis in Europa rasch durchsetzte und Ende des 19. Jahrhunderts in die Arbeitsgesetzgebung einging, setzten die gewerblichen Produzenten in asiatischen Regionen die handwerklich-dezentrale Produktion fort: Die vielen Standbeine der ländlichen Haushalte gewährleistete, dass diese trotz niedrigerer Produktivität gegenüber den Fabrikwaren bestehen konnten. Der Vormarsch der Lohnarbeit war mit der Überwindung von feudaler Untertänigkeit und Leibeigenschaft verbunden: Der produktivitätsorientierte Diskurs diskreditierte auch den Sklavenhandel. An die Stelle von Leibeigenschaft und Sklaverei traten im Laufe des 19. Jahrhunderts neue Formen der persönlichen Abhängigkeit, die nun stärker über den Markt vermittelt wurden.

Erst um 1900 trat die Verengung des Arbeitsbegriffs auf außerhäusliche Erwerbsarbeit ihren globalen Siegeszug an: Zwar wurde das Versprechen der Ökonomen, die Lohnarbeit würde sukzessive sämtliche anderen, aus früheren Produktionsweisen herrührenden Arbeitsformen, wie Hausarbeit, Sklaverei, Selbstversorgungslandwirtschaft und Handwerk, aus dem Arbeitsalltag verdrängen, niemals eingelöst. Indem der neue, auf moderne Lohnarbeit beschränkte Arbeitsbegriff jedoch weltweit Eingang in die Gesetzeswerke, die Planvorgaben der Regierungen und die Forderungslisten der ArbeiterInnenbewegung fand, eroberte er sich einen, den Diskurs des 20. Jahrhunderts bestimmenden Platz. Die Vielfalt der lebenserhaltenden, Einkommen schaffenden und Einkommen unterstützenden Tätigkeiten existierte weiterhin: der verengte Arbeitsbegriff übersah die damit verbundene Wertschöpfung.

Als die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, mit der die Krise der industriellen Massenproduktion seit den 1980er Jahren in Angriff genommen wurde, das klassische »Normalarbeitsverhältnis« auch in den entwickelten Industrieländern in den Hintergrund drängte, hat sich der Diskurs über Arbeit weit geöffnet. Eingespielte Muster, Bilder und Begriffe gelten nicht länger. Dies hilft den zunehmend global agierenden Unternehmern, die arbeitsrechtlichen Standards und sozialpolitischen Sicherheiten – die mit Sozialdemokratie und Sozialpartnerschaft in Westeuropa, mit den kommunistischen Parteien in Osteuropa etabliert wurden – wieder zurückzudrängen. Gewerkschaften und ArbeiterInnenparteien sehen dem hilflos zu. Während der Zusammenbruch des realen Sozialismus in Osteuropa, Öffnung und Reform in China die soziale Frage diskreditiert und tabuisiert haben, melden sich die weltweit Prekarisierten zu Wort. Um 2010 ist es angebracht, für die Debatten um die Zukunft der Arbeit eine neue konzeptionelle Grundlage zu entwickeln. In diese Bemühungen reiht sich das vorliegende Buch ein.

Zum Einstieg werden in mehreren kurzen Kapiteln Arbeitsbegriff, Arbeitsdiskurse und das Sprachfeld Arbeit im historischen Wandel vorgestellt. Auf dieser Grundlage werden die analytischen Instrumente entwickelt, die der chronologischen Darstellung der Zeitschnitte sowie den langfristigen Veränderungstendenzen zugrunde liegen.

Jeder Zeitschnitt wird mit einem Überblick über politische und wirtschaftliche Grundlagen in den Großräumen des Weltsystems sowie die wichtigsten...

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