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Armut im Kindesalter. Auswirkungen auf Freizeitgestaltung und gesellschaftliche Teilhabe in der späten Kindheit

AutorLisa Bepunkt
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl86 Seiten
ISBN9783668451537
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Kinderarmut ist in Deutschland ein Massenphänomen, das immer mehr zunimmt: Über 1,9 Millionen Menschen unter 18 Jahren lebten Ende 2015 in Hartz-IV-Haushalten, 52.000 mehr als 2014. Damit waren 14,7 Prozent aller Kinder auf die staatliche Grundsicherung angewiesen. Doch wie sieht das Leben armer, beziehungsweise benachteiligter Kinder aus? In der Kinderarmutsforschung liegt der Fokus meist auf dem Zusammenhang zwischen Armut und Bildung oder Gesundheit. In diesem Buch bildet die Freizeitgestaltung den Schwerpunkt der Untersuchung: Bringt finanzielle Armut eine mangelnde sinnvolle Freizeitgestaltung und Teilhabe an der Gesellschaft von Kindern im Alter von sechs bis elf mit sich? Zunächst geht die Autorin auf das Thema (Kinder-)Armut ein und beleuchtet die Lebensphase der späten Kindheit. Darauf aufbauend untersucht sie die Auswirkungen von Armut auf Kinder, besonders in Bezug auf die Freizeit und Teilhabe, mithilfe ausgewählter Studien, Berichte und Gespräche. Im abschließenden Teil werden Wege aus der Kinderarmut aufgezeigt und die Bedeutung der Sozialen Arbeit herausgearbeitet. Aus dem Inhalt: - Kinderarmut; - gesellschaftliche Teilhabe; - Armutsrisiko; - Lebenslagenansatz; - Grundschulkinder; - späte Kindheit

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Leseprobe

3 Die Lebensphase späte Kindheit


 

Schon vor dem Grundschulalter sind Kinder fähig eigene Entscheidungen zu fällen und selbst zu wissen, was ihnen gut tut. Sie sind in der Lage ihren Alltag zu gestalten, weil sie Interessen, Wünsche und individuelle Aneignungsweisen, ihre Lebenssituation wahrzunehmen und sie zu bewältigen, besitzen (vgl. Zander 2010, S. 118; Alt, Bayer 2012, S. 100f.). Kinder sind deshalb als selbstständige Persönlichkeiten anzusehen.

 

Im Rahmen der Armutsforschung gilt es immer, das Alter der Kinder in Bezug auf ihr Handeln zu berücksichtigen. In dieser Arbeit wird die Altersspanne zwischen sechs und elf Jahren vordergründig betrachtet. In vielerlei Literatur wird diese Spanne als späte Kindheit[16] bezeichnet (vgl. Zander 2010, S.118).

 

 

3.1 Grundbedürfnisse von Kindern


 

Die Grundbedürfnisse von Kindern erstrecken sich über mehrere Aspekte. Beständige und liebevolle Beziehungen sind besonders wichtig. Kinder entwickeln darüber Mitgefühl und Vertrauen und bilden aus emotionalen Bindungen heraus ihr moralisches Verständnis über richtig oder falsch (vgl. Epp 2011, S. 1).

 

Gesundheitsfürsorge, bzw. das Bedürfnis nach Sicherheit und körperlicher Unversehrtheit, ist für das gesamte Leben wichtig. Dazu zählen medizinische Aspekte (Vorsorge), Bewegung aber auch Erholung (vgl. ebd., S. 2).

 

Für die individuelle Entwicklung sind persönliche Erfahrungen grundlegend. Es entwickelt eigene Interessen, eine individuelle Persönlichkeit und entdeckt Talente und Begabungen, die es von der Umwelt zu erkennen und zu fördern gilt (vgl. ebd., S. 3). Aber auch entwicklungsgerechte Erfahrungen gehören zu den Bedürfnissen, um vor allem die einzelnen Entwicklungsaufgaben meistern zu können, wie ab einem bestimmten Alter mehr Verantwortung zu übernehmen oder Hürden auch selbstständig zu überwinden. Jedes Kind durchgeht diese Entwicklungsschritte dabei in seinem eigenen Tempo. Sie anzutreiben und stark zu beeinflussen, genauso aber auch sie übermäßig zu verwöhnen, sollte vermieden werden, da es Selbstüber- oder -unterschätzung hervorrufen kann. Zwar soll das Kind Freiräume erfahren, andererseits benötigt es gewisse sinnvolle Grenzen und Strukturen. Diese dienen vor allem der sicheren Erkundung des Umfeldes und der Entwicklung von eigenen Strukturen und müssen auf Fürsorge und Zuwendung aufbauen (vgl. Epp 2011, S. 4f.).

 

Mit zunehmendem Alter, spätestens in der Grundschule, kommt der Gruppe von Gleichaltrigen eine größere Bedeutung zu. Stabile, unterstützende Freundschaften bilden die Basis für das Erlernen sozialer Kompetenzen und Verantwortung (vgl. ebd., S. 6). Kinder aus sozial schwachen Familien treffen häufig erst in der Grundschulzeit mit Regelmäßigkeit auf Gleichaltrige. Laut der World Vision Kinderstudie (2013) besuchten nur 16% der benachteiligten Kinder eine Kinderkrippe und 78% einen Kindergarten. Für Familien anderer sozialer Schichten gehört der Kindergarten schon längst zum Standard (vgl. Pupeter, Schneekloth 2013, S. 104). Kindern, die keinen Kindergarten besuchen, geht eine Vielzahl an Erfahrungen mit Gleichaltrigen vor dem Grundschulalter verloren.

 

Das Bedürfnis nach Zukunftssicherung ergibt sich in gewisser Weise aus allen übrigen Grundbedürfnissen der Kinder. Damit die Zukunft gesichert ist, muss durch Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft eine Ebene geschaffen werden, die der gesamten Menschheit eine Zukunft bietet und die Persönlichkeit der Kinder positiv gestaltet (vgl. Epp 2011, S. 7).

 

Kinder dieses Lebensalters sind zwar weiterhin emotional sehr abhängig von ihren Eltern und weiteren Bezugspersonen, trotzdem möchten sie mit steigenden Kompetenzen ihre Leistungen beweisen, mehr Verantwortung übernehmen, gemeinsam etwas erarbeiten und Neues kennenlernen (vgl. Deutscher Kinderschutzbund, S. 91). Das Bedürfnis nach emotionalen, gefestigten Bindungen zu Bezugspersonen bleibt also bestehen. Diese Beziehungen geben den Kindern vor allem Sicherheit, Vertrauen und Geborgenheit. Kinder mit guten Bindungen trauen sich mehr zu und sind selbstsicherer, als Kinder mit unstabilen Bindungen.

 

3.2 Das Entwicklungsstadium der Grundschulkinder


 

Da die späte Kindheit das Alter von sechs bis elf Jahren umfasst, ist es schwierig die Entwicklung für jedes Alter dieser Phase einheitlich zu definieren. Die Übergänge sind fließend und bei jedem Kind zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftretend. Die Entwicklungsstadien sind somit als umfassend zu verstehen und nicht zwingend auf jedes Kind gleichen Alters zutreffend (vgl. Zander 2010, S. 118).

 

Mit Eintritt in die Grundschule beginnt für alle Kinder ein ganz neuer Lebensabschnitt. Institutionell gesehen endet mit diesem Ereignis die mittlere Kindheit. Sie lernen das Lesen und Schreiben und können sich ganz selbstständig Informationen beschaffen. Sie können sich ab sofort über Sprache und Texte ihr Wissen aneignen und lernen nun nicht mehr hauptsächlich durch Ausprobieren. Kohnstamm (2001) sagt, dass Kinder, die lesen können, unabhängiger werden, gleichzeitig aber auch ungeschützter an der Kultur teilnehmen, die sowohl positive als auch negative Aspekte bergen kann (vgl. Deutscher Kinderschutzbund , S. 90).

 

Die Alltagswelten der Kinder zeigen zwar mehrere Gemeinsamkeiten mit denen ihrer Eltern, weil sie in vielen Bereichen des Lebens schlichtweg abhängig von den elterlichen Ressourcen (ökonomisch, kulturell, sozial und emotional) sind, aber sie verbringen in diesem Lebensalter immer mehr Zeit fern von Aufsicht (vgl. Alt, Bayer 2012, S. 101).

 

Der Freundeskreis bietet den Kindern ein eigenständiges soziales Kapital getrennt von Interaktionen mit Erwachsenen. Kontakt zu Gleichaltrigen kann für Kinder eine kompensatorische Funktion besitzen (vgl. ebd., S. 105).

 

Der Eintritt in die Schule bedeutet für viele Kinder vielzählige neue Anforderungen und Belastungen zu bewältigen. Es gibt Kinder, für diese der Übergang mit Stress und Anpassungsproblemen verbunden ist, und Kinder, die durch bereits erworbene soziale und persönliche Ressourcen ganz andere Fähigkeiten besitzen und den Übergang bewältigen, bzw. ihn als keine Belastung empfinden (vgl. Alt, Barquero, Lange 2008, S. 28f.).

 

Lothar Böhnisch (1997) meint ebenfalls, dass Grundschulkinder sich nicht mehr durchgängig unter der Aufsicht ihrer Eltern und deren Erziehung befinden. Die Erfahrungsräume, die sie dadurch erlangen, können sie räumlich aber auch sozial selbstständiger bestimmen. Parallel dazu bildet die Grundschule einen wichtigen Bezug, gibt ihnen zeitliche Strukturen vor, bietet Kontinuität, gleichzeitig auch Abwechslung und gibt Lernziele in verschiedenen Bereichen vor. Kinder profitieren dabei nicht nur von den Entwicklungsbereichen Schreiben, Lesen, Rechnen und Körperkoordination, sondern lernen auch Sozialverhalten und relevante spezifische Regeln der Gesellschaft[17] (vgl. Zander 2010, S. 119).

 

Neben den außerschulischen Erfahrungsorten ist immer noch die Familie ein wichtiger Bezugspunkt im Alltagsleben der Kinder. Sie besitzt die Aufgabe einen emotionalen und sozialen Ausgleich zu schaffen, also „Räume für kindliches Eigenleben, freies Spiel und offene soziale Kontakte zu erhalten oder zu eröffnen.“ (ebd.). Die Eltern-Kind-Beziehung, Geschwisterbeziehungen, Erziehungsstile und das Familienklima, sowie kulturelle, soziale und materielle Ressourcen der Familie bilden die wichtigste Grundlage für den hohen sozialisatorischen[18] Stellenwert dieser Lebenswelt (vgl. ebd., S. 120).

 

Das Spielverhalten der Kinder weist ebenfalls Veränderungen auf. Sie spielen weniger unrealistische Imaginationsspiele (So tun als ob), sondern vermehrt Rollenspiele, die soziale, alltägliche Züge aufweisen (Vater-Mutter-Kind, Schule). Erlebtes wird von den Kindern so verarbeitet[19]. Doch nicht nur sozial orientierte sondern auch Wettbewerbsspiele (Fanger, Verstecken, Fußball) finden vermehrt statt. Grundsätzlich besitzen die Kinder eine ausgeprägte Bewegungslust. Sie wollen vor allem Fähigkeiten, wie das Schwimmen und Fahrradfahren erlernen, mit Freunden Fußballspielen oder Inliner fahren. Die Interessen, vor allem im Freien, richten sich nun überwiegend nach solchen Aktivitäten (vgl. Deutscher Kinderschutzbund, S. 91ff.). Das kindliche Spiel ist vor allem eine Art Lebensbewältigung. Sie verarbeiten Erlebtes und spielen unrealistische Fantasien nach (weil sie im Spiel alles sein können was sie wollen). Damit wirken sie dem Sozialisationsdruck entgegen und erfreuen sich an ihrer eigenen Welt, in der sie selbst bestimmen können (vgl. ebd., S. 94).

 

Nachdem nun die wichtigsten Lebenswelten der späten Kindheit erwähnt wurden, wird es nun kurz um kindliche Entwicklungsaufgaben gehen. Für diese definierte Havighurst (1956) drei Ursprünge: die körperliche Entwicklung der Kinder, die gesellschaftlichen Erwartungen und Ansprüche und die subjektiven Wünsche und Werte. Entwicklungsaufgaben in der späten Kindheit sind Beziehungen zu Gleichaltrigen und Freundschaften zu schaffen, Rollenverhalten (männliches / weibliches) auszutesten, kognitive Kompetenzen und Denkmuster zu entwickeln, grundlegende Fertigkeiten, wie Lesen, Schreiben und...

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