3 Welche Voraussetzungen sind an eine rechtmäßige Abgabe/Verschreibung/Anwendung von Arzneimitteln zu stellen?
Jürgen Althaus
In der praktisch überaus relevanten Vorschrift des § 56 a Abs. 1 Satz 1 AMG wird geregelt, dass ein Tierarzt für den Verkehr außerhalb der Apotheken nicht freigegebene Arzneimittel dem Tierhalter nur verschreiben oder an diesen nur abgeben darf, wenn
sie für die von ihm behandelten Tiere bestimmt sind,
sie zugelassen sind oder aufgrund besonderer Bestimmungen in Verkehr gebracht werden dürfen,
sie nach der Zulassung für das Anwendungsgebiet bei der behandelten Tierart bestimmt sind,
ihre Anwendung nach Anwendungsgebiet und Menge nach dem Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft gerechtfertigt ist, um das Behandlungsziel in dem betreffenden Fall zu erreichen,
die zur Anwendung bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen,
vorbehaltlich des Buchstaben b, verschriebene oder abgegebene Menge verschreibungspflichtiger Arzneimittel zur Anwendung innerhalb der auf die Abgabe folgenden 31 Tage bestimmt ist, oder
verschriebene oder abgegebene Menge von Arzneimitteln, die antimikrobiell wirksame Stoffe enthalten und nach den Zulassungsbedingungen nicht ausschließlich zur lokalen Anwendung vorgesehen sind, zur Anwendung innerhalb der auf die Abgabe folgenden 7 Tage bestimmt ist,
sofern die Zulassungsbedingungen nicht eine längere Anwendungsdauer vorsehen.
Zunächst kann festgehalten werden, dass sich die Vorschrift nach ihrem Wortlaut ausschließlich an Tierärzte („Der Tierarzt darf …“) richtet. Des Weiteren regelt sie, unter welchen Voraussetzungen ein Tierarzt Arzneimittel anwenden, dem Tierhalter verschreiben oder an diesen abgeben darf. Die in der Vorschrift genannten Reglementierungen beziehen sich nicht auf jegliche Arzneimittel, sondern ausdrücklich auf apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Arzneimittel („… für den Verkehr außerhalb der Apotheken nicht freigegebene Arzneimittel …“). Hier ist zu berücksichtigen, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel gleichzeitig immer auch apothekenpflichtig sind. Dies ergibt sich aus der grundsätzlichen, in § 43 Abs. 1 Satz 1 geregelten Apothekenpflicht von Arzneimitteln, somit auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Des Weiteren gelten für verschreibungspflichtige Arzneimittel die Ausnahmen von der Apothekenpflicht (§ 44 AMG) nicht.
Ausschließlich freiverkäufliche Arzneimittel sind von den Regelungen des § 56 a Abs. 1 Satz 1 AMG ausgenommen.
Des Weiteren ist es für das Verständnis der Regelung des § 56 a Abs. 1 Satz 1 AMG bedeutsam zu wissen, dass die in den Nrn. 1 bis 5 geregelten Voraussetzungen kumulativ (vgl. „und“ in Nr. 4) vorliegen müssen.
Bei Nichtvorliegen einer der genannten Tatbestandsvoraussetzungen sind die gesamten Voraussetzungen des § 56 a Abs. 1 Satz 1 AMG nicht gegeben, sodass von einer rechtswidrigen Anwendung, Verschreibung oder Abgabe ausgegangen werden kann.
3.1 Behandelte Tiere
Arzneimittel müssen für die von dem Tierarzt behandelten Tiere bestimmt sein. Dadurch wird deutlich, dass Arzneimittel nur in einer konkreten Behandlungssituation eingesetzt werden dürfen. In praktischer Sicht ist dieses Tatbestandsmerkmal von sehr großer Bedeutung. Im Zusammenhang mit einer „Behandlung“ ergibt sich eine Vielzahl von Fragen, wie etwa: Was versteht man unter einer „Behandlung“? Wie muss eine Behandlung erfolgen? Was ist ein „angemessener Umfang“? Welche Besonderheiten gelten bei der Behandlung von Tierbeständen? u. Ä. Die mit dem Behandlungsbegriff zusammenhängenden Einzelfragen werden in ▶ Frage 5 ausführlich beantwortet.
3.2 Verkehrsfähigkeit
Von dem Tierarzt anzuwendende, zu verschreibende oder abzugebende Arzneimittel müssen zugelassen sein. Die Zulassung ist in § 25 Abs. 1 Satz 1 AMG geregelt.
Eine Ausnahme gilt für Rezepturarzneimittel, die in einer tierärztlichen Hausapotheke oder einer öffentlichen Apotheke hergestellt werden. Diese bedürfen gemäß § 21 Abs. 2 AMG keiner Zulassung. Eine Ausnahme gilt ferner für Arzneimittel, die in einer Verordnung nach § 36 AMG aufgeführt sind, weil sie insofern von einer Einzelzulassung freigestellt sind. Schließlich bedürfen auch homöopathische Arzneimittel, die von der Möglichkeit der Registrierung nach §§ 38, 39 AMG Gebrauch gemacht haben, keiner Zulassung und können verschrieben und abgegeben werden.
3.3 Zulassung für das Anwendungsgebiet
In Nr. 3 ist das sog. „Primat der Zulassung“ geregelt. Danach darf der Tierarzt dem Tierhalter ein Arzneimittel nur für das Anwendungsgebiet verschreiben oder an ihn abgeben, für das es eine Zulassung besitzt. Grundsätzlich sollen Arzneimittel angewendet werden, die für die zu behandelnde Tierart und das Anwendungsgebiet zugelassen sind. Das zugelassene Anwendungsgebiet kann der Packungsbeilage und der Fachinformation entnommen werden (§ 11 Abs. 1 AMG). Die von dem Tierarzt zu verschreibenden oder abzugebenden Arzneimittel müssen ferner zur Anwendung bei der zu behandelnden Tierart zugelassen sein.
3.4 Behandlungsziel
Die Anwendung des Arzneimittels muss nach Anwendungsgebiet und Menge nach dem Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft gerechtfertigt sein, um das Behandlungsziel in dem betreffenden Fall zu erreichen. Das Erreichen eines Behandlungsziels setzt notwendigerweise zunächst voraus, dass sich das betreffende Tier/der betreffende Tierbestand überhaupt in der Behandlung des Tierarztes befindet. Des Weiteren setzt das Erreichen eines Behandlungsziels voraus, dass eine Zielsetzung erfolgt. Hier kommt zum Tragen, dass der Tierarzt eine Diagnose stellen und eine Therapieentscheidung treffen muss. Richtigerweise muss die Therapieentscheidung auf der Diagnosestellung basieren. Von Bedeutung sind dabei die Regeln der veterinärmedizinischen Wissenschaft.
In Nr. 4 wird allerdings nicht nur die „Erforderlichkeit nach Anwendungsgebiet“ geregelt, sondern auch die „Erforderlichkeit nach Menge“. Die Menge des Arzneimittels muss gerechtfertigt sein, um das Behandlungsziel in dem betreffenden Fall zu erreichen. Es erfolgt somit auch eine Einschränkung hinsichtlich der Dosierung und der Dauer der Anwendung.
3.5 Lebensmittelliefernde Tiere
In Nr. 5 wird die Abgabemenge bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für lebensmittelliefernde Tiere festgelegt. Die Festlegung erfolgt zweigeteilt, nämlich in Buchstabe a (vorbehaltlich des Buchstaben b) auf eine Menge, die zur Anwendung innerhalb der auf die Abgabe folgenden 31 Tage bestimmt ist und in Buchstabe b bei systemisch wirkenden Antibiotika auf eine Menge, die zur Anwendung innerhalb der auf die Abgabe folgenden 7 Tage bestimmt ist. Für beide Einschränkungen gilt, dass Zulassungsbedingungen eine längere Anwendungsdauer vorsehen können. In der Regelung der Ziffer 5 wird somit die „31-Tage-Regel“ bzw. die „7-Tage-Regel“ normiert. Die genauen Inhalte und Konsequenzen der vorstehend nur kurz beschriebenen Mengenbegrenzungen sind in ▶ Frage 12 näher beschrieben.
An dieser Stelle taucht erstmals die Begrifflichkeit „lebensmittelliefernde Tiere“ in diesem Buch auf. Das Arzneimittelrecht unterscheidet die Anwendung von Arzneimitteln bei Tieren im...