VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
Die Wahl Donald Trumps war ein revolutionärer Augenblick. Die Auswirkungen seiner Präsidentschaft auf die internationale Politik sind tiefgreifend. Seit 1945 waren alle amerikanischen Präsidenten einer internationalen Ordnung verpflichtet, die auf zwei Säulen ruht. Die eine ist der Welthandel, die andere ein weltweites Sicherheitssystem, das auf Bündnissen basiert, die von den Vereinigten Staaten angeführt werden.
Trump droht, beide Säulen umzustürzen. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten ist ein eingeschworener Handelsprotektionist. Dazu ist er jemand, der die Bedeutung der von Amerika angeführten Bündnisse durchweg infrage stellt: Er hat die NATO als «obsolet» bezeichnet und behauptet, Amerikas Verteidigungsbündnisse mit Japan und Korea seien ein schlechtes Geschäft für die Vereinigten Staaten.
Trumps revolutionärer Ansatz in Sachen Weltordnung nährt sich aus der Unzufriedenheit gegenüber jener Entwicklung, die in diesem Buch «Veröstlichung» genannt wird — die Verlagerung von Macht und Wohlstand vom Westen nach Asien. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) wurde China 2014 zur größten Volkswirtschaft, gemessen an seiner Kaufkraft. Die Vereinigten Staaten stehen nun an zweiter Stelle; sie räumen damit den Spitzenplatz, den sie seit Ende des 19. Jahrhunderts innehatten. 2009 wurde China darüber hinaus zum größten Warenexporteur der Welt — einen Rang, den die Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg behauptet hatten. Und Chinas Aufstieg ist nur Teil einer breiteren Verlagerung von Wirtschaftsmacht nach Asien.
Mit dem Schwur «Make America Great Again», also Amerikas Größe wiederherzustellen, verspricht Trump indirekt, diesen Vorgang der Veröstlichung rückgängig zu machen und die Vereinigten Staaten noch einmal konkurrenzlos an vorderste Stelle zu rücken, sowohl was Amerikas Lebensstandard angeht also auch seine globale Macht.
Der Drang Trumps, Amerikas Größe wiederaufzurichten, droht einen Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und den aufsteigenden Mächten Asiens heraufzubeschwören, allen voran mit China. Unter Präsident Xi Jinping, der 2012 in Peking an die Macht kam, hat auch China einen sehr viel nationalistischeren Kurs eingeschlagen. Lange bevor Trump versprach, «Amerika wieder groß» zu machen, hat Xi einen ähnlich nostalgischen Nationalismus beschworen, indem er «die große Erneuerung» der chinesischen Nation gelobte. Mit einem Trump in Washington und einem Xi in Peking sind die Weichen für ein mögliches Aneinadergeraten der Mächte Amerika und China gestellt.
Das deutlichste Konfliktpotenzial besteht bei den Handelsbeziehungen. Sollte Trump seine Drohungen wahrmachen und den Handelsstreit noch weiter eskalieren, würde er ganz sicher einen noch härteren Gegenschlag provozieren. Die Handelsbeziehungen zwischen der ersten und zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt wären endgültig vergiftet, die Weltwirtschaft würde aus den Fugen geraten. Auch die Bedrohung durch einen echten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China ist seit Trumps Wahl größer geworden.
Ein Großteil dieses Buches beschäftigt sich mit der langsam, aber stetig wachsenden geopolitischen Rivalität zwischen Amerika und China während der Präsidentschaft Barack Obamas. Trumps Einzug ins Weiße Haus erscheint als eine gefährliche Beschleunigung dieses Vorgangs. Der bestimmte, jedoch vorsichtige Versuch der Obama-Regierung, den chinesischen Ambitionen in der Asien-Pazifik-Region etwas entgegenzusetzen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit unter Trump nun in offen konfrontativer und impulsiverer Form fortgesetzt werden. Bereits vor Amtsantritt verdeutlichte der US-Präsident seine Bereitwilligkeit, Peking vor den Kopf zu stoßen, indem er mit der Präsidentin Taiwans persönlich telefonierte; seit Normalisierung des Verhältnisses zwischen den Vereinigten Staaten und China in den 1970er Jahren hatten dies alle US-Präsidenten abgelehnt.
Sollte es unter Trump zu einem direkten militärischen Konflikt zwischen China und den Vereinigten Staaten kommen, wäre der wahrscheinlichste Schauplatz für eine offene Konfrontation das Südchinesische Meer. Schon in den letzten Jahren der Obama-Regierung zeigte sich Washington über Chinas Programm, dort künstliche Inseln zu bauen, mehr und mehr besorgt. Die chinesische Regierung schuf dort hinsichtlich ihrer umstrittenen Territorialansprüche Fakten, indem sie durch Landaufschüttung Riffe in Inseln verwandelte und dann diese dann zu Militärstützpunkten ausbaute — einschließlich Fluglandebahnen und Silos für Raketen. Die Gefahr, dass Peking eines Tages den Zugang zu den dortigen Seewegen kontrolliert — den am meisten befahrenden Wasserwegen der kommerziellen Schifffahrt —, ist deutlich gestiegen.
In seiner Berufungsanhörung vor dem US-Senat signalisierte Rex Tillerson, Trumps erster Außenminister, eine härtere Gangart, was die künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer anging. Tillerson verglich den Inselbau mit Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim und erklärte, die Trump-Regierung habe die Absicht, Peking wissen zu lassen, «dass ihnen der Zugang zu den Inseln nicht gestattet werde».
Wörtlich genommen, klang dies wie die Androhung einer Blockade der Inseln, auf denen China Militärstützpunkte aufbaut. Mit ziemlicher Gewissheit würde China versuchen, eine solche Blockade auf dem Luft- oder Seeweg zu durchbrechen. Die Weichen wären gestellt für eine moderne Version der Kubakrise von 1962. Die offizielle Reaktion der chinesischen Regierung auf Tillersons Aussagen war zurückhaltend. Aber Chinas staatskontrollierte Medien waren außer sich. Die Global Times, ein nationalistisches Blatt, warnte vor der Möglichkeit eines «umfassenden Krieges» zwischen den Vereinigten Staaten und China, während China Daily von einer «verheerenden Konfrontation zwischen China und Amerika» sprach.
Unabhängige Beobachter waren zu den gleichen Schlüssen gelangt. Bei einem Gespräch in Davos ein paar Tage nach Tillersons Bemerkung warnte Vivian Balakrishnan, die Außenministerin Singapurs, mir gegenüber, dass jeder Versuch einer Blockade im Südchinesischen Meer zu einem Krieg zwischen Amerika und China führen würde. Die Singapurer, die enge Verbindungen sowohl mit Washington und als auch mit Peking pflegen und von Natur aus vorsichtig und bürokratisch sind, neigen nicht zur Hysterie. Viele Beobachter fragten sich, ob Tillerson in seinem Bekenntnis weiter gegangen war als beabsichtigt.
Tillersons Aussage vor dem Senat schien die traditionelle US-Haltung über den Haufen zu werfen, wonach Washingtons einzige Sorge die Navigationsfreiheit im Südchinesischen Meer war und die mit Blick auf die chinesische Souveränität über die Inseln keinerlei Position bezog. Aber in den Tagen nach Tillersons Anhörung tat die Trump-Regierung nichts, um seine Aussagen zurückzuziehen oder zu erläutern. Es folgten Wochen der fieberhaften Spekulationen, bis General James Mattis, Trumps neuer Verteidigungsminister, die Lage beruhigte, indem er betonte, dass die Vereinigten Staaten keine plötzlichen militärischen Schläge im Südchinesischen Meer planten.
Während der ersten Monate seiner Präsidentschaft nahm Trump in Sachen bilateraler Handel zunächst sogar eine versöhnliche Haltung ein. Ein einschneidender Augenblick war der erste Besuch des chinesischen Präsidenten. Xi Jinping traf Trump im April 2017 in Mar-a-Lago, seinem Anwesen in Florida, auch als das Weiße Haus des Südens bekannt. Der chinesische Präsident glänzte darin, seinen amerikanischen Gegenspieler zu umgarnen. Noch Monate später sprach Trump in höchsten Tönen von der Beziehung und teilte einem Interviewer mit: «Wir haben uns großartig verstanden. Ich mag ihn sehr. Ich glaube, er mag mich sehr.» — Eine nützliche Erinnerung daran, wie unberechenbar in Trumps Weißem Haus Politik gemacht wird.
Eine Entscheidung Präsident Trumps, China wegen seiner territorialen Ansprüche zu attackieren, wäre eine neue Entwicklung im Denken des Präsidenten, denn bisher waren seine schon länger gehegten Bedenken gegenüber Asien wirtschaftlicher Natur. Herkömmlicher Wirtschaftstheorie nach ist der wachsende Wohlstand der asiatischen Nationen für die Vereinigten Staaten eine gute Sache, denn dieser schafft größere Märkte für amerikanische Unternehmen und billigere Waren für amerikanische Konsumenten.
Aber Trump und seine Berater lehnen diese Idee strikt ab. Sie bezichtigen den «Globalismus» — auch bekannt als internationaler Handel und Investitionen —, an der Stagnation des Lebensstandards amerikanischer Arbeiter schuld zu sein. Stephen Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege im Weißen Haus, argumentiert laut einem Bericht des Journalisten Michael Wolff im Hollywood Reporter, dass «die Globalisten die amerikanische Arbeiterklasse ausgenommen und in Asien eine Mittelklasse...