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Auflehnung, Antriebslosigkeit, Antidepressiva und Apokalypse

Existenzielle Rebellion im Film seit James Dean

AutorMarina Küffner
VerlagMühlbeyer Filmbuchverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl244 Seiten
ISBN9783945378281
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Mit nur drei Filmen wurde James Dean nach seinem tragischen Tod 1955 zu einem Mythos, der bis heute anhält. Wodurch entstand dieser Hype um den jungen Mann, und wieso können sich Jugendliche bis heute mit seinen im Film dargestellten Ängsten und Aggressionen identifizieren? Marina Küffner untersucht in 'Auflehnung, Antriebslosigkeit, Antidepressiva und Apokalypse - Existenzielle Rebellion im Film seit James Dean' das Image von James Dean und rückt den Film '... denn sie wissen nicht, was sie tun' / 'Rebel Without a Cause' in den Fokus der filmwissenschaftlichen Analyse, um davon ausgehend das Erbe Deans in späteren Coming of Age Filmen zu erörtern: Die Auseinandersetzung mit der Elterngeneration, mit Sinn und Absurdität des Lebens und mit Sexualität. 'The Breakfast Club' und 'Ferris Bueller's Day Off' von John Hughes, Ben Stillers 'Reality Bites' und Allen Coulters 'Remember Me' ebenso wie Jon Polls 'Charlie Bartlett', Zach Braffs 'Garden State' oder Roger Avarys 'The Rules of Attraction' greifen diese Thematiken auf; Richard Kellys 'Donnie Darko' sowie 'Kaboom' und 'The Doom Generation' von Gregg Araki führen die Entwicklung in die düstereren Gefilde des Existenzialismus. Der Geist von James Dean durchweht diese Filme - Filme über Rebellen mit oder ohne Grund, die mehr oder weniger wissen, was sie tun.

Marina Küffner, geboren 1985 in Darmstadt, studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Amerikanistik und BWL an der Goethe-Universität Frankfurt. Der Film '... denn sie wissen nicht, was sie tun' entfachte ihre Begeisterung sowohl für James Dean als auch für Filmgeschichte und beeinflusste ihre Studienwahl. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

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Leseprobe

2.1 Vom Mittleren Westen nach Hollywood

James Byron Dean kam am 8. Februar 1931 als Sohn von Mildred und Winton Dean in Marion, Indiana zur Welt. Die junge Familie zog einige Monate später nach Fairmount, Indiana und 1936 im Zuge einer besseren Anstellung für Winton ins ferne Los Angeles. Mildred war das Zentrum im Leben des jungen James »Jimmy« Dean und unterstützte ihm beim Ausleben seiner künsterlischen Talente. Winton war schon in den ersten Jahren nicht besonders präsent und zeigte kein großes Interesse an seinem Sohn. Als Mildred im Juli 1940 an Krebs starb, wurde der neunjährige Jimmy mit seiner Großmutter und dem Sarg seiner Mutter per Zug zurück nach Indiana zu Onkel und Tante geschickt. Er soll bei jedem Stopp zum Waggon, in dem der Sarg der Mutter lag, gerannt sein. Dieser Zeitpunkt war prägend für seine Orientierungs- und Wurzellosigkeit, die ihn und seine Rollen später auszeichnen sollten:

Separated from his father by geography and from his mother by death, Jimmy began to assume that complex mixture of toughness and vulnerability that would eventually help make him such an intriguing actor. The rage and aggression were always undermined by a helpless desperation.[23]

Den Wunsch, Schauspieler zu werden, äußerte er bereits früh, und seine Tante sowie eine Lehrerin an der High School unterstützten ihn ebenfalls beim Ausleben seiner künstlerischen Ambitionen. Obwohl er nicht besonders groß und zudem stark kurzsichtig war, spielte er im Basketballteam und begann im Teenageralter, sich für Motorräder zu interessieren. Sein Onkel kaufte ihm eines. Er hatte somit gleichermaßen weibliche wie männliche Vorbilder.

Der junge Pastor der Fairmount Wesleyan Methodist Church, James De Weerd, war eine einflussreiche Person sowohl in James Deans Leben als auch im Leben anderer männlicher Teenager in Fairmount. De Weerd war ein sehr ambitionierter Redner und Mentor für die Jungen, machte sie mit dem Kunstmuseum in Indianapolis bekannt, weckte ihr Interesse an Poesie, exotischen Ländern und klassischer Musik. De Weerds Interessenspektrum deckte sich gut mit dem von James Deans Mutter. So entwickelte sich eine engere Beziehung und James Dean fand in De Weerd eine passende Vaterfigur. Donald Spoto ist in seiner Biografie Rebel (1996) der Meinung, dass die Beziehung nur das war – eine Vater-Sohn-Beziehung, gemessen daran, dass Fairmount eine sehr kleine und intime Gemeinde war und eine eventuelle sexuelle Misshandlung niemals unbemerkt geblieben wäre oder zumindest von irgendeinem der Jungen einmal an die Öffentlichkeit gebracht hätte werden müssen. Paul Alexander (Boulevard of Broken Dreams, 1994) ist da anderer Meinung und versichert, dass James Dean seine Jungfräulichkeit an De Weerd verloren habe und diese geheime Affäre auch bis zur Abreise Deans nach Kalifornien anhielt.[24] In Frascella und Weisels Live Fast, Die Young (2005) ist die Rede davon, dass De Weerd später Reporter Joe Hyams die Beziehung bestätigte.[25] Wie auch immer man es sieht, De Weerd war zumindest ein einflussreicher Vaterersatz, der dem jungen James Dean die Künste und auch die Liebe zu Autorennen und Stierkämpfen näher brachte. Wenn De Weerd sagt, »Jimmy was usually happiest stretched out on my library floor. He loved good music playing softly in the background«[26], kann zumindest eine erotische Spannung nicht ausgeschlossen werden. Dean kam so mit der Anziehung zwischen Männern früh in Kontakt.

Jimmy entschied sich, nach der High School zurück nach Kalifornien zu seinem Vater zu gehen. Dieser überredete ihn zu einem Jura-Studium an einem College, was jedoch schnell vernachlässigt wurde. Er wechselte zur University of Los Angeles (UCLA), um besser ins Filmgeschäft einsteigen zu können, und zog bei seinem Vater aus. An der UCLA fand er einige Freunde, die seine Liebe für die Schauspielerei teilten, u. a. William Bast[27], und ergatterte die Rolle des Malcolm in einer Universitätsproduktion von Macbeth, für die er gute Kritiken erhielt.

James Dean soll in der Zeit einige kurze Affären und One Night Stands mit mehr oder weniger einflussreichen Männern Hollywoods gehabt haben[28] und ging nach New York, um dort die Kunstszene zu erkunden. Er hatte viele enge Freundinnen, auch wenn sich die Quellen uneinig sind, inwieweit mit diesen sowie mit den zahlreichen Männern Intimitäten ausgetauscht wurden. Dean konnte und wollte sich, so scheint es aber, sexuell nicht festlegen. Laut Nicholas Ray, Regisseur von REBEL, habe über James Dean mehrmals erwähnt »that he swung both ways«.[29] Weiterhin wird in etlichen Biografien James Deans berühmtes Zitat angeführt: »I’m certainly not going through life with one hand tied behind my back«.[30] Diese Uneindeutigkeit seiner Sexualität unterstützte die Ambivalenz des entstehenden Rebellenimages.

In New York besuchte er das Actors Studio. Das 1947 von Elia Kazan, Cheryl Crawford und Robert Lewis gegründete Studio hatte bereits viele große Namen ausgebildet, u. a. Marlon Brando, Montgomery Clift und Julie Harris. Das sogenannte ›Method Acting‹ nach Theaterregisseur Konstantin Stanislavsky bewegte sich fort vom klassischen Schauspielstil und konzentrierte sich auf einen psychologisch motivierten Ansatz. Charaktere sollten von innen heraus kreiert und improvisiert werden, sodass sie natürlicher und ›echter‹ erscheinen.[31] Allerdings ertrug James Dean dort die harte Kritik des künstlerischen Leiters Lee Strasberg nicht und kam nur noch selten bis gar nicht mehr zu den Kursen. Generell war er aber stark geprägt vom dem Studio und eiferte Marlon Brando nach.[32]

Sein Broadway-Debüt hatte Dean im Stück See the Jaguar im Jahr 1952, was nicht sonderlich erfolgreich war, ihm aber immerhin vergleichsweise positive Kritiken verschaffte und seiner New Yorker Agentin Jane Deacy ermöglichte, ihm weitere Fernsehauftritte zu vermitteln.[33] Inmitten seines zweiten Broadwaystücks, The Immoralist, bekam James Dean dann endlich ein Rollenangebot aus Hollywood: Die des Caleb Trask in EAST OF EDEN. Elia Kazan, der Regisseur, hatte eigentlich Marlon Brando für die Rolle vorgesehen, entschied sich dann aber anders. Dean sei »twisted [,…] suffused with self-pity and the anguish of rejection« und ein sehr verletzlicher Mensch, außerdem sei er »guarded, vengeful, sullen and he had a sense of aloneness. He was suspicious of everyone«[34]. John Steinbeck, Autor der Buchvorlage, soll sogar gesagt haben, »Mein Gott, er ist Cal!«[35]. Cal Trask ist der Figur Jim Stark aus REBEL sehr ähnlich.

Abb. 1 und 2: Cal prügelt sich mit seinem Bruder.

Vor dem Hintergrund des ländlichen Kalifornien kurz vor dem Ausbrechen des ersten Weltkriegs kämpft Cal Trask um die Liebe und Anerkennung seines Vaters Adam (Raymond Massey), der Cals Zwillingsbruder Aron (Richard Davalos) bevorzugt. Seine Mutter Kate (Jo Van Fleet) soll laut seinem Vater nach der Geburt der Söhne gestorben sein. Cal spürt sie allerdings in einem Nachbarort auf, sie leitet ein florierendes Bordell. Die einzige, die ihn im Film versteht, ist Abra (Julie Harris), die Freundin Arons, die ihn auch bei seinem Plan unterstützt, das von seinem Vater durch eine Fehlspekulation verlorene Geld durch den Anbau und Verkauf von Bohnen für den Krieg wieder einzunehmen. Der Vater allerdings will dieses Geld nicht annehmen und lobt lieber seinen Bruder Aron für seine Verlobung mit Abra. Cal nimmt daraufhin Aron mit zu seiner Mutter und zeigt ihm, wer sie wirklich ist. Aron, der seine Mutter für eine Heilige hielt und ein überzeugter Pazifist ist, meldet sich nach dem Schock als Freiwilliger für den Krieg, was die biblische Kain-und-Abel-Geschichte zu Ende bringt. Vater und Sohn versöhnen sich am Ende mit Abras Hilfe.

Abb. 3 und 4: Cal wird immer wieder eindeutig von der Einheit Abra – Aron getrennt.

Cal Trask ist eine Paraderolle für James Dean. Unverstanden, unvorhersehbar, wütend und verzweifelt, ohne die Fähigkeit, sich zu artikulieren oder dauerhaft Ruhe und Geborgenheit zu finden, stolpert er durch den Film, schaut von unten hoch in die Kamera, steht schief herum, prügelt und betrinkt sich, weiß nicht, ob er gut oder böse ist, und möchte eigentlich nur geliebt werden.

Abb. 5: Nach der Prügelei mit Aron zeigt die Bildaufteilung eine Annäherung Abras an Cal.

Sein Einzelgängertum wird filmisch erzeugt, indem er meist in einem Single Shot zu sehen ist oder in großen Abstand zu anderen Figuren, wie zum Beispiel zu Abra und Aron auf dem Weg nach Hause oder beim Verfolgen der Mutter zu Beginn des Films.[36] Am Set verstand James Dean sich zusehends schlechter mit Elia Kazan und brauchte oft lange Vorbereitungszeiten für sein Method Acting, was ihn vor allem mit klassischen Schauspielern wie Raymond Massey aneinanderstoßen ließ.[37]

Abb. 6 und 7: Die Kamera filmt Cal meist von unten, oder er schaut mit in Falten geworfener Stirn von unten hoch.

Bei den anschließenden Dreharbeiten zu REBEL wurde James Dean...

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