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August Haussleiter

Der Mann, der "Die Grünen" schuf

AutorKlaus-Dieter Grün
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl408 Seiten
ISBN9783744880404
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
August Haussleiter (1905-1989), ein erfolgreicher CSU-Politiker der Nachkriegszeit, schließt sich 1950 aus Protest gegen die Politik Konrad Adenauers einer neugegründeten Flüchtlingspartei an und zieht für diese auch in den bayrischen Landtag. Und obgleich diese Partei dann 1954 an der 5%-Klausel scheitert, führt er diese unverdrossen weiter ,um durch eine pazifistische Neutralitätspolitik beide Teile Deutschlands wieder zu vereinigen. Bei Wahlen absolut unerfolgreich, gelingt es ihm dennoch eine kleine Mitgliederbasis zu erhalten , mit der er sich schließlich einer weiterer Parteigründung im Jahre 1965 anschließt. Diese zunächst ebenfalls resonanzlose Gründung verändert sich durch die Annäherung an die APO rasant, sieht sich als radikaldemokratische, sozialistische Speerspitze und integriert den Umweltschutz in ihr Programm. Bei der Gründung der "Grünen" 1980 wird Haussleiter dann auch gleich einer ihrer Sprecher, und das Programm der "Grünen" entspricht in wesentlichen Teilen Haussleiters Partei. 1986 zieht Haussleiter für die "Grünen" in den bayrischen Landtag ein.

Klaus-Dieter Grün studierte in Hannover Geschichte und Politik. Im Rahmen seiner Examensarbeit recherchierte er internes Material über Haussleiter und seine Parteien, und führte Interviews mit langjährigen Mitgliedern, sowie mit Haussleiter selbst. 2003 erschien von ihm das Buch "Biologische Intelligenz - Die kreative Kraft der Evolution".

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Leseprobe

1. Kapitel : Das Geheimnis


Oben auf der Kanzel steht ein mittelgroßer Mann, der Pastor. Die recht vollständig versammelte Gemeinde ist ruhig geworden. Noch hört man da und dort ein Räuspern. Durch die Kirchenfenster scheint eine helle Frühlingssonne. Ab und an taucht sie den Kopf des Pastors in ein gebrochenes Licht. Er beginnt zu predigen.

Fast ganz vorne sitzt ein neunjähriger Junge neben seiner Mutter. Er trägt einen Matrosenanzug. Und auch die Mutter hat ihren Sonntagsstaat angelegt. Gespannt blicken beide auf den Vater, den Ehemann, den Pastor.

Seine wohltönende Stimme, mit leicht fränkischem Einschlag, wird leise, wenn die Gemeinde sich innerlich sammeln soll, nimmt an Lautstärke zu, wenn es gilt die Gebote Gottes zu verkünden. Und dann - wieder umströmt das Licht der Frühlingssonne den Kopf des Pastors - verkündet er die Nummer des nächsten Liedes, das gesungen werden soll.

Und wie immer blickt der kleine August voller Stolz und Bewunderung hinauf zu seinem Pastorenvater, in diesem Frühjahr

1914…

Auch der Vater von Friedrich Nietzsche war Pastor, ebenso der Vater von Gudrun Ensslin. Wodurch aber zeichnet sich ein Pastor aus? Er ist in seiner Gemeinde angesehen, hat ein dauerndes Ein-und Auskommen. Das, was er, der Pastor, sagt, wird unterstrichen durch die Autorität seines Amtes, ja für die Gläubigen, sogar durch die Autorität Gottes.

Offensichtlich warst Du von Deinem Pastorenvater beeindruckt, denn Du studiertest protestantische Theologie und Philosophie und verdientest Deinen Lebensunterhalt als Werkstudent. Als Student gehörtest Du einer Burschenschaft an, auf den Bildern

von Dir sieht man noch im hohen Alter den Schmiss. Doch Du wirst nicht Pfarrer, sondern Journalist.

Politisch schloss sich August H., dessen beide Eltern früh starben, der Deutschen Volkspartei (DVP), einer nationalliberalen Partei, an - eine von wenigen, die dann unter Gustav Stresemann die Weimarer Republik mittrug, und die gleichzeitig den Kaiser wieder herbeiwünschte.

Unser „Held“ soll dann in der Endphase der Weimarer Republik dem „Tat-Kreis“ nahegestan den haben damit ist sowohl die Leserschaft als auch die Zeitschrift „Die Tat“ selbst gemeint, die Thesen vertrat, die man der „Konservativen Revolution“ zurechnet. Aber was ist das - „Konservative Revolution“? Am einfachsten ausgedrückt, ist es die Verbindung von vollkommenen Gegensätzen zu einer politischen Weltanschauung : die moderne Zeit der industriegeprägten Massendemokratie, die, so fühlt es der konservative Revolutionär ( und nicht nur der ), alle traditionellen Werte vernichtet, wird als fremd gedeutet, und in ihrer Massenkultur sieht er geradezu eine Beleidigung für den „Gebildeten“. Die Arbeiterorganisationen, mit ihrem fehlenden Nationalgefühl, streben ein unbekanntes Morgen an – sicherlich ohne wirkliche Moral, ohne Bewahrung des Bewährten, ohne Rückkehr zur „eigentlichen Ordnung“. Und so wie die Arbeiterorganisationen die Gesellschaft auflösen, ja vernichten werden – man sieht es ja an Stalins UdSSR -, so vernichtet der Industriekapitalismus nicht nur die Landwirtschaft, den Familienbetrieb, den Mittelstand und schließlich mit seinem Kohlenruß der Dampfmaschinen die gesamte Natur, sondern auch die Gesellschaft selbst.

Der konservative Revolutionär hat er erkannt: Kapitalismus nennt sich die moderne Sklaverei von Mensch und Natur!

Und daraus folgt: er, der konservative Revolutionär kann, ja darf den Massen nicht mehr ausweichen- wie er es bislang als Konservativer getan hat -, er muss die Furcht, ja die Verachtung, die er für sie hegt, ablegen, denn, und das ist das eigentlich revolutionäre – jedenfalls für einen Teil dieser politischen Richtung -, er muss versuchen, sie für seine Sache, die ja von ihm aus betrachtet auch ihre Sache ist, zu gewinnen. Überwindung des Industriekapitalismus mit und durch die Massen und Schaffung einer Nation, einer Welt der Nationen, voll der griechischen Bildung, der wirklichen Werte, der Moral, dem Stolz auf das eigene Volk, auf dessen Vergangenheit und eine Natur bewahrend, die den Menschen erst zum Menschen werden lässt, weil sie endlich wieder seiner eigentlichen Natur entspricht. Da regt sich eine Religiosität ohne eigentliche Religion, wobei das Christentum doch noch durchschimmert. Eine ganze Reihe von konservativen Revolutionären blicken in den 1920iger Jahren wie gebannt auf den italienischen Faschismus: die „Bändigung“ der Massen scheint durch einen nationalen Führer zu gelingen, dessen politische Bewegung sich auf eben diese Massen stützt.

Konservative Revolutionäre sind also nicht nur die Gebildeten, sondern auch die Mittelschicht, die Bauern und eben auch die Arbeiter, wenn sie dazu bekehrt werden können und davon, dass dies gelingt, ist man überzeugt! Hand in Hand sollen sie gemeinsam für eine endgültig neue und wirkliche konservative Welt kämpfen, in der sich, ich darf dies an dieser Stelle einflechten, hoffentlich alle wohlfühlen werden - für den Ideologen ist dies keine Frage! Der Industriekapitalismus entfremdet also - der konservative Revolutionär hat keinerlei Angst vor Marx den Menschen von der Natur, aber auch von der Nation. Und sobald diese Entfremdung beendet worden ist, nämlich dann und nur dann, wenn die Mittelschicht, die Bauern sowie die Arbeiter zusammen und gemeinsam als konservative Revolutionäre den Industriekapitalismus überwinden, beginnt die neue Zeit, ohne Liberalismus, ohne Parlamentarismus: ein preußischer, wirtschaftlich autarker Sozialismus, zumindest in Deutschland, in der jeder seinen Platz hat und alle zusammen die Ziele bestimmen - eine echte Volksdemokratie, eine echte Volksgemeinschaft – doch darunter kann man im Detail dann allerlei verstehen, auch z.B. einen neuen Caesar an der Spitze der Nation.

Diese Überlegungen gab es in allen Schattierungen, von Ernst Niekisch, dem Nationalbolschewisten, über Ernst Jünger, der die „Stahlgewitter“, das Morden des modernen Krieges, romantisierend beschrieb, bis hin zu Oswald Spengler, der den „Untergang des Abendlandes“ heraufdämmern sah. Ob man nun wirklich diese zum Teil sich vollkommen ideologisch voneinander unterscheidenden und auch sich wiedersprechenden Denkansätze mittels der Kategorie „Konservative Revolution“ einordnen kann – was mittlerweile von Politologen bezweifelt wird -, lassen wir einmal dahingestellt sein. „Konservative Revolution“, das klingt einfach interessant, paradox.

Wenn es also stimmt, dass August dem „Tat-Kreis“ nahestand, dann ist es nicht uninteressant, dass es der Chefredakteur der „Tat“, Hans Zehrer, gewesen ist, der (vergebens) versuchte, zusammen mit dem General von Schleicher, dem letzten von Hindenburg ernannten Kanzler vor Hitler, die NSDAP zu spalten und der dann die Hitler-Papen-Hugenberg-Absprache - Hitler an die Macht zu bringen - vorzeitig publik machte, sowie von Papen aufforderte, um Hitler zu verhindern, zusammen mit der Reichswehr eine autoritäre Regierung zu bilden.

Du trittst nicht der NSDAP bei, auch nicht als Journalist beim „Fränkischen Kurier“, dem eher bürgerlichem Konkurrenzblatt der nationalsozialistischen Nürnberger Tageszeitung. Schon vor 1933 ist die Zeitung republikfeindlich und zuweilen antisemitisch. Aber es handelt sich eben nicht um eine Zeitung der Nationalsozialisten.

Und wenn es nicht die markante Barbarei, die Gesetzlosigkeit kurze Zeit nach der Machtübergabe gewesen sein sollte, nicht der staatliche Massenmord am 30.Juni 1934, den sogar der greise Reichspräsident von Hindenburg begrüßte – für all dies gab es Beschönigungen -, so wirst Du, der gebildete konservative Revolutionär mit christlichen Wurzeln, den eigentlichen Charakter des neuen Systems sofort erkannt haben, als der Reichspropagandaminister Goebbels öffentlich Bücher verbrennen ließ.

Da steht dieser eher kleine Mann mit dem etwas zu groß geratenen Kopf, überdies behindert durch einen Klumpfuß und wirft Bücher ins knisternde Feuer. Welcher Hass auf die Welt muss in ihm stecken, dass er, immerhin universitätsgebildet und einen Doktorgrad besitzend, sich zu so einem Schauspiel hingibt? Und irgendwo in der Menge steht ein Erich Kästner und beobachtet, wie seine eigenen Bücher auflodern.

Ein psychisch zerrissener Mensch, dieser Goebbels, selbst für seine Ehefrau nur die zweite Wahl darstellend – ihre eigentliche Liebe ist Adolf. Und dieser Goebbels, als heimlicher Romantiker, ist bereit, sich für eine Liaison mit einer Schauspielerin scheiden zu lassen und wenn es sein soll, sein Ministeramt aufzugeben. „ Kommt nicht in Frage!“ befiehlt sein Herr und Gebieter - und… er gehorcht.

Für Dich als konservativen Revolutionär kann es angesichts einer solchen gespenstischen Szene, der Verbrennung literarischer Hexen, keinen Zweifel mehr gegeben haben: die Nationalsozialisten sind ein kulturloser Haufen, ein Nichts. Und ihr Antisemitismus? Den erlebst Du in Nürnberg, im Gau des Stürmer-Herausgebers Streichers hautnah als...

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