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Auguste Rodins Dichterdenkmäler: Victor Hugo und Honnoré de Balzac

AutorDaniel Lippitsch
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl45 Seiten
ISBN9783956845093
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Auguste Rodins Auseinandersetzung mit der Plastik seiner Zeit nahm eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung eines modernen Denkmalductus ein, welche die Bedeutung des öffentlichen Denkmals im aufkommenden 20. Jahrhundert komplett neu definieren sollte. Der Künstler wandte sich bereits in frühen Arbeiten den Dichterdarstellungen zu, jedoch kamen mit der Arbeit an seiner Skulptur für Victor Hugo herausragend gestalterische, sowie theoretische Aspekte seines Kunstschaffens hinzu, die ihren Höhepunkt in seinem späten Meisterwerk-dem Denkmal für Honnoré de Balzac-finden sollten. Die beiden Arbeiten Rodins werden daher in ihrer Verbindung zueinander, sowie in ihrer Bedeutung zur öffentlichen Auftragsvergabe und den damit verbundenen Regulierungen betrachtet. Dieses Buch bearbeitet auf wenigen Seiten die besonderen Rahmenbedingungen und die formalen Aspekte der beiden Denkmäler im Kontext der öffentlichen Personendarstellungen während des französischen Historismus. Außerdem bietet es neben einem allgemeinen Einblick, eine bündige, theoretische Grundlage und ein gründliches Sammelsurium an Verweisen, welche gut zur eingehenderen Auseinandersetzung mit dem Thema genutzt werden können.

Bakk. phil. Daniel Lippitsch B.A., wurde 1990 in Klagenfurt geboren. Er studierte Kunstgeschichte, Kommunikationswissenschaften und Internationale Betriebswirtschaft an der Universität Wien. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen in der Kunstbranche und schreibt aktuell für das Onlinemagazin Art&Signature. Seine Schwerpunkte liegen auf den Problemen der Gegenwartskunst, der zeitgenössischen Fotografie und den Mechanismen des Kunsthandels.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2, Das Denkmal für Balzac: 2.1, Entstehungsgeschichte: Der Auftrag für das Monument für Balzac - verstorben am 18.8.1850 - wurde von der Société de Gens de Lettre, deren zweiter Präsident Balzac war, im Jahr 1885 öffentlich ausgeschrieben. Zu Beginn fiel die Entscheidung auf Henri Chapu, welcher jedoch unvorhergesehen verstarb und sein Werk bis zum Jahr 1891 nicht vollendet hatte. Neben Chapu standen auch weitere namenhafte französische Künstler wie Paul Dubois, Antonin Mercié und Jean-Alexandre-Joseph Falguiére zur Auswahl, diesen hochdotierten und ehrenhaften Auftrag auszuführen. Im Jahr 1891 wurde Emile Zola, ein Bekannter Rodins, zum Präsidenten der Société gewählt und ebnete ihm somit den Weg die Gestaltung des Denkmals für Honoré de Balzac zu übernehmen. Rodin sah sich nun mit der Aufgabe konfrontiert diesen nächsten Heroen der französischen Literatur, neben seinem Victor Hugo, selbstreferentiell und archaisch zu präsentieren und durch die Qualitäten des Denkmals die Erscheinung des Balzac in den öffentlichen Kontext einzubetten. Diese herausfordernde Tätigkeit meisterte Rodin in der geschickten Zerstückelung der Produktionsweise des Denkmals in verschiedene, simultan ablaufende Phasen der Formfindung. Sein erstes Konzept von 1891 stellte Balzac in einem zeitgenössischen Gewand, stehend und mit verschränkten Armen dar (Abb. 16). Dieser Entwurf zeigt einen gelassenen, ruhigen Balzac mit einem realistisch ausgeführten Kostüm, welches sich adäquat an die Auflagen für ein öffentliches Denkmal um die Jahrhundertwende anpasste. Der beschwingte Ausdruck in Balzacs Gesicht bezog sich wohl auf eine Beschreibung des Literaten von Alphonse de Lamartine: 'His legs on which he occaisonaly rocked a little, easily carried his body [...] But the predominant characteristic of his face was the goodness it communicated [...] It was a loving kindness aware of itself and others.' Somit war die erste Ausführung im Gedenken an einen sanftmütigen und wohlmeinenden Balzac orientiert, welcher sich idealisiert in sein öffentliches Umfeld integrieren konnte. Dadurch werden die formalen Qualitäten von Rodins bisherigen Auftragsarbeiten relativiert, was wahrscheinlich der Grund gewesen sein mag warum dieser erste Entwurf sich noch drastisch vom fertigen Produkt unterschied. Eines der eklatantesten Probleme während der Entstehung des Denkmals war das Arbeiten ohne ein Modell. Balzac war im Jahr 1891 bereits vor mehr als 40 Jahren verstorben und es existierte keine Totenmaske oder entsprechende Fotografien die ihn in all seinen Lebensphasen zeigten. Rodin war daher gezwungen mit den Aufzeichnungen von Balzacs Schneider ein Gefühl für dessen Körperproportionen zu bekommen und sich nach der berühmten Daguerreotypie von Bisson zu orientieren (Abb. 17). Balzacs markante Physiognomie, sein kräftig gebildeter, muskulöser Hals und sein ausdrucksvolles Gesicht, waren für Rodin Grund genug, in seinen späteren Studien, maßgeblich die Funktion des Kopfes als das zentrale Element der Skulptur einzusetzen. Durch die Anerkennung des Kopfes, als den Hauptaspekt im Denkmal, war Rodin mit seinem persönlichen, komplexen Portraitbegriff konfrontiert: 'Er (der Bildhauer) muss die geistige Ähnlichkeit zum Ausdruck bringen können, darauf kommt es allein an. Der Bildhauer oder der Maler muss hinter der Ähnlichkeit der Maske die der Seele suchen. Kurz, alle Züge müssen ausdrucksvoll sein, das heißt, sie müssen helfen, seelisches Leben anschaulich zu machen. Tatsächlich beansprucht kaum eine andere künstlerische Aufgabe so viel Scharfblick wie die Büste und das Portrait.' Aus diesem Grund kann man Rodins Entwurf stilistisch nicht direkt mit zeitgenössischen Arbeiten wie der Büste von Faulgiére (Abb. 18) oder der Sphinx Statuette von Vasselot (Abb. 19) vergleichen, da sie die Struktur von Balzacs Ausdruck auf einer rein materiellen Ebene erfassten und somit den Qualitäten von Rodins Anspruch an das Portrait nicht gerecht werden konnten. Nach eigenen Angaben war er davon überzeugt, falls jemand eine Statue für Balzac anfertigen würde, dieser seine Arbeit zwangsweise der Büste von David d´Angres aus dem Jahr 1844 nachempfinden müsse (Abb. 20). Diese kurze Ausführung ist notwendig um die Konzeption für das finale Monument herleiten und in seinem Umfeld verstehen zu können. Zu den Aufgaben der Denkmalplastik des 19. Jahrhunderts zählte es außerdem, ein würdiges Portrait des Dargestellten zu liefern und somit war er immer noch mit dem Problem konfrontiert, eine klare Körperform entwickeln zu können, die Balzac möglichst realistisch nachempfunden war. Aus diesem Grund unternahm Rodin mehrere Reisen in Balzacs Heimatstadt Tours, um dort die Konstitutionstypen der Einwohner zu studieren. Auf seiner Fahrt begegnete ihm eine Person, die für Rodins zweiten Entwurf, den nackten Balzac, Modell stand (Abb. 21). Die gewaltige Aktstudie von 90cm zeigt Balzac mit gespreizten Beinen, verschränkten, triumphierenden Armen und seinem beachtlichen Leibesumfang in seiner ganzen Robustheit. Die weit voneinander angeordneten Beine begrenzen einen, aus Balzacs Geschlecht dringenden Pfeiler, durch welchen die Silhouette der Figur an die Form einer Pik-Ass erinnern lässt (Abb. 22). Bei diesem viel diskutierten Entwurf treten generell drei miteinander verbundene Probleme auf: Zum einen die Darstellung eines nackten Körpers in der Auftragsplastik, zweitens das Alter der dargestellten Person und das damit verbundene Körperproblem. Alle drei Aspekte treffen sich mit Rodins Vorstellung der Portraithaftigkeit, die bereits erwähnt wurde. Er stellte Balzac selbstbewusst in seiner unvorteilhaften, entidealsierten Erscheinung dar und verband diesen Aspekt mit einer Nacktheit, welche nach antikem Vorbild metaphorische Qualitäten versinnbildlicht und somit der ungünstigen Beschaffenheit des Körpers, durch diese Erweiterung seine artistische Wertigkeit zuspricht. Die Nacktheit der Figur entwertet zugleich die Barriere des Alters, da Rodin seinen Balzac nicht in jungen Jahren sondern mit knapp 50 zeigt und dadurch jeglichen Bezug zu einem Heroen, aufgrund seiner mangelnden körperlichen Überzeugungskraft verliert. Wenn man nun den Aspekt des Alters mit der Umwandlung des Körpers vom alten Mann in eine antikisierte Idealfigur nach Rodins Portraitbegriff versteht, kann dem menschlichen Makel der Figur kein Vorwurf auf seine Unzulänglichkeiten erbracht werden, da sich die Person nicht als eine klassifizierte Darstellung einer Person sieht, sondern als verkleideter Held der Literatur in einem mythologischen Kontext, bedingt durch seine Nacktheit und Positionierung. Elsen betont unter anderem, dass diese Art der figuralen Transformation im Kontext einer Erweiterung vom barocken Verständnis über Ästhetik verstanden werden kann, welche den Körper als ein reiches, expressives Vehikel zur Abstraktion begreift. Balzac wird somit als Athlet im Geist dargestellt, der in seinem Genie nicht den Anspruch auf eine körperliche Idealvorstellung erhebt.
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