Frankl, Viktor Emil
Weltberühmter Psychotherapeut, Autor eines Holocaust-Bestsellers
* 26.3.1905 Wien. 1930 Dr. med. Psychiater. 1939 als Jüdischer Fachbehandler – Juden war der Arzttitel verboten – Leiter der Neurologie am Wiener Rothschild-Spital (jüdische Klinik unter NS-Aufsicht). Dezember 1941 Heirat mit der Krankenschwester Tilly Grosser. Von seinen jüdischen Kollegen Nervengoebbels genannt. Frankl in seinen Lebenserinnerungen: »Man nannte mich den ›Nervengoebbels‹. Meine Frau und ich fanden es nicht schlecht.« Begründung: »Ich habe eben die Rednergabe.« Frankl unternimmt am Rothschild-Spital – ohne Ausbildung, wie er schreibt – Gehirnoperationen an Juden, die Suizid begehen wollten, um den Erniedrigungen und der Deportation zu entkommen. Er öffnet den Schädel und führt zwecks Wiederbelebung medikamentöse Substanzen – Pervitin – ein. Die Suizidanten sterben jedoch – Opfer der Nazis und eines Arztes, der über sich selbst schreibt, es gehöre »zu den drei spannendsten Dingen, die es meiner Ansicht nach gibt: eine Erstbegehung [als Bergsteiger], ein Spiel in einem Spielkasino und eine Hirnoperation«. Frankl wird am 25.9.1942 nach Theresienstadt deportiert. Mit ihm seine Frau (nach der Befreiung 1945 in Bergen-Belsen gestorben), sein Vater (dessen Leiden Frankl in Theresienstadt mit einer Morphiuminjektion beendet) und seine Mutter (Gastod in Auschwitz). Als Psychiater (Suizidprophylaxe) in herausgehobener Stellung im Musterghetto. Am 19.10.1944 Deportation nach Auschwitz (Gesammelte Werke 1, künftig: GW, S. 34), Ankunft am 20.10.1944 (Czech). Frankl bekommt keine Häftlingsnummer, wird vielmehr als »Durchgang« isoliert. Schon nach drei Tagen (GW 1, S. 35) geht es weiter ins Dachau-Außenlager Kaufering III. In Kaufering erhält er die Häftlingsnummer 119104. Ab dem 5.3.1945 im Schonungslager Türkheim (Kaufering VI). In seinen Publikationen Psychohygienische Erfahrungen im Konzentrationslager (1959, GW 2, S. 115) und Psychologie und Psychiatrie des Konzentrationslagers (1961) wird er später schreiben, in Dachau gewesen zu sein (GW 2, S. 90). Frankl wird am 27.4.1945 von der US-Army befreit. August 1945 wieder in Wien. Vorstand der Neurologischen Abteilung der Wiener Poliklinik und Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien. An die 30mal mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet, wobei der Ruf, Auschwitz überlebt zu haben, förderlich gewesen sein dürfte. † 2.9.1997 Wien. – Frankl publizierte 1946 seine KZ-Erinnerungen, Titel: Ein Psycholog [sic] erlebt das Konzentrationslager. Das in zahlreiche Sprachen übersetzte Buch (englisch: Man’s Search for Meaning) erreicht eine Auflage von 10 Millionen Exemplaren. Frankl beginnt sein Erfolgsbuch mit der Ankunft in Auschwitz (zit.n. der 2. Auflage 1947): »Plötzlich ein Aufschrei aus der ängstlich wartenden Menge der Leute im Waggon: ›Hier ist eine Tafel – Auschwitz!‹« Die Waggontüren werden aufgerissen, »eine kleine Meute von Häftlingen stürmt herein, kahlgeschoren, aber ausgesprochen gut genährt«. Danach selektiert ihn – wer sonst – Mengele, der ihm »beide Hände auf die Schultern« legt. Die Schilderung hat einen Makel: Mengele hat Häftlinge nie angefaßt – schon aus Angst vor Ansteckung. Und an der Rampe in Birkenau gab es kein Schild mit dem Namenszug Auschwitz. Frankl, nur drei Tage im Lager, suggeriert in seinen Erinnerungen einen längeren Aufenthalt, ebenso in seinem Beitrag Psychologie und Psychiatrie des Konzentrationslagers (GW 2, S. 94). In Psychohygienische Erfahrungen im Konzentrationslager läßt er den Leser glauben, seine Häftlingsnummer 119104 aus Kaufering sei seine Auschwitz-Nummer (GW 2, S. 116). Frankls Selbstdarstellung gelingt so vollkommen, daß selbst Raul Hilberg, der wohl wichtigste Holocaust-Forscher, ihn für einen echten Auschwitz-Häftling hält (Hilberg, Die Quellen des Holocaust, Frankfurt am Main 2002, S. 200ff.). Und der Auschwitz-Überlebende Langbein zitiert Frankl in seinem Buch Menschen in Auschwitz gleich viermal als Auschwitz-Häftling. In Frankls KZ-Erinnerungen sind SS-Schinder kaum schlechter als die Häftlinge. Er weiß sogar pauschal Positives (S. 120): »Menschliche Güte kann man bei allen Menschen finden.« Sein Kernsatz, den er später öfter wiederholen wird (S. 121): »Es gibt auf Erden zwei Menschenrassen, aber auch nur diese beiden: die ›Rasse‹ der anständigen Menschen und die der unanständigen Menschen.« Laut Frankl bietet das KZ eine Fülle von Möglichkeiten, das Leben sinnvoll zu gestalten (S. 95): »In der Art, wie ein Mensch sein unabwendbares Schicksal auf sich nimmt, mit diesem Schicksal all das Leiden, das es ihm auferlegt, in der Art, in der ein Mensch das Leiden als ›sein Kr[e]uz‹ auf sich nimmt, darin eröffnet sich auch noch in den schwierigsten Situationen und noch bis zur letzten Minute des Lebens eine Fülle von Möglichkeiten, das Leben sinnvoll zu gestalten.« Glauben wir Frankl, sind die Häftlinge selbst verantwortlich, ob sie überleben oder nicht (S. 98): »Die psychologische Beobachtung an den Lagerhäftlingen hat vor allem ergeben, daß nur derjenige in seiner Charakterentwicklung den Einflüssen der Lagerwelt verfällt, der sich zuvor geistig und menschlich eben fallen gelassen hat; fallen ließ sich aber nur derjenige, der keinen inneren Halt mehr besaß!« [Hervorhebg. v. Frankl] Frankl hält am 25. März 1949 bei der Gesellschaft der Ärzte in Wien eine Gedenkrede für im KZ ermordete Mediziner. Er berichtet von zwei jüdischen Kollegen, mit denen er »im Lager« (in Auschwitz?) angeblich sprechen konnte, »kurz bevor sie dort starben«. Frankl (GW 2, S. 232): »Und es war in ihren letzten Worten kein einziges Wort des Hasses – nur Worte der Sehnsucht kamen über ihre Lippen – und Worte des Verzeihens; denn was sie hassten und was wir hassen, sind niemals Menschen – Menschen muß man verzeihen können; was wir hassten, war nur das System – das die einen [die SS] in Schuld brachte – und den anderen den Tod brachte.« So ähnlich hatte es bereits 1946 Grabner, der Chef der Lager-Gestapo, formuliert: »An diesem Verbrechen war der Nationalsozialismus schuld. Ich habe nur mit Rücksicht auf meine Familie mitgewirkt an der Ermordung von etwa 3 Millionen Menschen.« Frankl hat die Gaskammern nie gesehen. Dennoch schildert er mit der vermeintlichen Autorität des Auschwitz-Überlebenden, die Opfer seien gefaßt und betend »ins Gas« gegangen (GW 2, S. 233): »Der Mensch ist jenes Wesen, das immerhin die Gaskammern erfunden hat, aber er ist zugleich auch jenes Wesen, das in ebendiese Gaskammern hineingeschritten ist in aufrechter Haltung und das Vaterunser oder das jüdische Sterbegebet auf den Lippen.« Jahrzehnte später, am 26. Juni 1985 in Salzburg, wird er dies wiederholen (GW 2, S. 288): »Der Mensch ist das Wesen, habe ich einmal gesagt, das die Gaskammern erfunden hat, aber er ist auch das Wesen, das in eben diese Gaskammern eingetreten ist erhobenen Hauptes, aufrecht und mit der Marseillaise oder dem Vaterunser oder mit dem Sch’ma Jisrael auf den Lippen.« Ella Lingens in ihren Erinnerungen: »Ein bekannter Psychiater, der nur einen einzigen Tag in Auschwitz zubrachte – danach kam er in ein Außenlager –, behauptete einmal (ich glaube, es war in einer Fernsehsendung), die Juden seien erhobenen Hauptes in die Gaskammern geschritten. Er kann sie nie gesehen haben: Wer so lange nichts gegessen hat, dessen Blutzuckerspiegel sinkt auf ein Niveau, das jedes Heben des Kopfes ausschließt.« Frankls Lebenserinnerungen Was nicht in meinen Büchern steht (4. Auflage 2011) werden im Klappentext des Verlags vorgestellt: »1945 gehörte er zu den wenigen, die das Konzentrationslager Auschwitz überlebt haben.« Der Drei-Tage-Häftling selbst: »Und so kam ich nach Auschwitz. Es war das experimentum crucis.« Die meisten, die überlebten, mußten erfahren, daß niemand von ihrem Leid wissen wollte. Frankl wurde dagegen als vermeintlicher Auschwitz-Überlebender mit Ruhm und Anerkennung überhäuft, wohl deshalb, weil er den Opfern Versöhnung predigte und die Schuld der Täter weitgehend...