Vorwort
Herzlich willkommen zu dem Abenteuer, das Sie am meisten frustrieren, befriedigen, deprimieren, beflügeln, zur Weißglut treiben und begeistern, Ihnen den Schlaf rauben und Sie manchmal in Angst und Schrecken versetzen wird: die Erziehung eines frisch »geschlüpften« Teenagers im 21. Jahrhundert. Theoretisch weiß ich das eine oder andere über die genannten Emotionen, da ich seit mehr als drei Jahrzehnten mit Teenagern und ihren Eltern arbeite. Praktisch – und mit dem Herzen – weiß ich sogar noch mehr darüber, da ich während der letzten beiden Wochen selbst all diese Gefühlslagen durchlebt habe: als Vater eines solchen Teenagers. Gestern Nachmittag um 15 Uhr wollte ich an meinen Schreibtisch. Aufgrund einer akuten Teeniekrise wurde daraus jedoch nichts. Die Situation war so schlimm, dass ich meine beste Freundin Cindy fragte (die nicht nur ebenfalls Pubertätsexpertin, sondern auch meine Ehefrau ist), ob gerade wirklich der richtige Zeitpunkt sei, einen Elternratgeber zu schreiben. Ich sagte zu ihr, dass ich an den guten Tagen das Gefühl hätte, etwas Hilfreiches sagen zu können. Ganz anders sehe es an den schlechten Tagen aus. Cindy überlegte kurz und sagte dann: »Schreibe nur an den schlechten Tagen, dann fühlen sich die Eltern wirklich von dir verstanden.«
Cindy erinnerte mich an etwas, das uns bei vielen Büchern über die Erziehung von Teenagern negativ aufgefallen war. Häufig sind die Bücher voller Informationen, die zwar nützlich, aber auch zutiefst frustrierend sind. Es ist so, als erzählte jemand von oben herab, dass alles eigentlich ganz einfach sei. Noch schlimmer machen es die gutmeinenden Autoren, wenn sie von ihren eigenen »schrecklichen pubertierenden Kindern« erzählen – die am Ende mit Einserabschlüssen auf die besten Universitäten gehen. Als ob ihre filmreifen Happy Ends uns die Sicherheit geben könnten, dass schon alles gut gehen wird. Wir – die »echten« Eltern – wissen allerdings, dass es wahrscheinlicher ist, dass unsere Kinder von Aliens entführt werden, als dass sie ein Stipendium für ihr Studium ergattern. Aber liegt es eigentlich an uns selbst, dass wir manchmal so große Schwierigkeiten haben, unsere Teenager zu erziehen? Sind wir unfähig oder vielleicht einfach zu dumm?
Maggie, eine meiner Klientinnen, kam eines Tages aufgebracht in meine Praxis. Sie zitierte aus einem Elternratgeber: »Diese Expertin behauptet, dass ich meine Emotionen nicht unter Kontrolle hätte, weil ich hin und wieder ausraste. Meine Tochter würde in solch einer Situation wohl sagen: ›Ach, nee, wirklich?‹ Dr. B., wissen Sie zufällig, ob diese Frau ein Kind hat?« Eine Woche zuvor war Maggies Tochter um ein Uhr morgens vom Beifahrersitz eines Motorrads abgestiegen, mit Bierfahne und ohne Helm. »Ich glaube kaum«, fuhr Maggie fort. »Manchmal schreie ich einfach los, obwohl ich weiß, dass es dumm ist. Also bin ich wohl so dumm, dass mir nicht mehr zu helfen ist.«
Natürlich ist Maggie nicht dumm und weder Sie noch ich sind es. Es ist nur so, dass es wirklich, wirklich schwierig ist, heutzutage einen Teenager großzuziehen. So schwierig, dass es uns manchmal richtig an die Substanz geht. Es kann herausfordernder sein als alles, was Sie je erlebt haben, und Sie dazu bringen, Dinge zu tun, von denen Sie eigentlich wissen, dass sie nicht richtig sind. Sogar außerordentlich starke Menschen gehen vor dieser Herausforderung in die Knie, wie ein anderer meiner Klienten.
Kein Witz
»Ich möchte Ihnen etwas über mich erzählen«, sagte Jim mit sanfter Stimme. »Zwanzig Jahre lang habe ich in der Armee gedient. Ich war bei drei Kampfeinsätzen dabei und habe die schrecklichsten Dinge erlebt.« Er lehnte sein wettergegerbtes Gesicht nach vorne, kniff die Augen zusammen und sah mich direkt an. »Nichts von alldem hat mir so viel Angst eingejagt, mich dermaßen verrückt und hilflos gemacht, wie Vater einer 14-Jährigen zu sein. Kein Witz.«
Während ich seufzte und ihm zustimmend zunickte, fiel mir das Mantra eines meiner alten Professoren ein: Nichts auf dieser Welt macht uns verletzlicher als das Leben unserer Kinder.
Manche Elternratgeber klingen, als wären sie von Gewinnern der großen Kinderlotterie geschrieben worden. Sie wissen schon, die mit den perfekten Kindern, die nicht einmal wissen, dass sie das große Los gezogen haben. Die Experten, die zwar möglicherweise mit schwierigen Kindern arbeiten, deren schlimmstes Elterntrauma im Privaten aber ein unerlaubtes Nasenpiercing war. Wenn sich ein geschmückter Nasenflügel als größtes Teenie-Desasters herausstellt, haben sie wirklich keine Ahnung davon, wie schwer das Leben von Eltern anstrengender Halbwüchsiger sein kann. Schwierige Teenager zu beraten, kann man absolut nicht damit vergleichen, sie großzuziehen. Wie Sie im Laufe dieses Buchs feststellen werden, ist das etwas, womit ich mich sehr gut auskenne – da ich beides tue. Von Paaren, die sich einen nagelneuen Porsche kaufen, oder von Eltern eines idealen Teenagers bin ich nicht sonderlich beeindruckt. Aber von den Leuten, die eigenhändig eine alte Rostlaube restaurieren, von den Eltern, die nicht aufgeben, für das Wohlergehen ihres ganz und gar nicht einfachen Teenagers zu kämpfen – vor diesen Menschen habe ich den größten Respekt.
Um fair zu bleiben: Die meisten Eltern von Teenagern (vor allem Psychologen, die Bücher über das Thema schreiben) erzählen nicht die ganze ungeschönte Wahrheit über ihre Kinder. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Während eines Fußballturniers an der Schule ihres Kindes sitzen Sie in den Rängen und hören den anderen zu. Elternteil eins fängt an: »Unser Brendan wurde zum Medizinstudium an einer der renommiertesten Universitäten zugelassen«. »Wie großartig«, erwidert Elternteil zwei. »Unsere Susan beginnt voraussichtlich im nächsten Semester mit ihrem Jurastudium.« Wenn Sie die Gedanken der beiden lesen könnten, würden Sie im Kopf von Brendans Vater wahrscheinlich etwas sehen wie »... allerdings hängt das von der Strafe ab, die der Richter verhängt, da Brendan seine Ex-Freundin auf Facebook bedroht hat.« Bei Susans Mutter sähe es auch nicht rosiger aus: »... es sei denn, wir müssen Susan einweisen lassen, da sie jeden Tag kifft.« Die meisten Eltern überforderter Teenager leiden einsam und leise, sie fühlen sich wie Idioten und Versager und denken, nur ihre Kinder verbocken die Schule und ihre Zukunftschancen. Tatsache ist aber, dass die meisten Teenager ein bisschen verrückt sind, viele sogar sehr, und sie alle können uns in den Wahnsinn treiben.
Bei Partys mit meinen Akademikerfreunden macht es mich nicht gerade beliebt, wenn ich sage, dass Teenager ein bisschen verrückt sind. Viele beschweren sich darüber, dass ich die Teenager in meiner Arbeit zu negativ darstellen würde. Sie sagen sogar, ich würde andeuten, dass Teenies geistig umnachtet und nicht ganz normal seien. Diese Sicht, meinen die Kollegen, führe dazu, dass sich Eltern weniger auf ihre Kinder einließen und so der Eltern-Kind-Beziehung schadeten. Ich erwidere darauf, dass Jugendliche wirklich gewissermaßen verwirrt sind. Und dass diese geistige Verwirrung daher rührt, dass ihre Gehirne noch nicht voll entwickelt sind und dass sie sich in einer Welt zurechtfinden müssen, die sich heute schneller dreht als je zuvor. Dass die »Umnachtung« also völlig normal ist. Heranwachsende machen tatsächlich Dinge, die uns völlig irrational erscheinen, als ob sie keinerlei Gefühl für die Realität hätten. Ich meine aber, dass wir unsere Kinder in Gefahr bringen, wenn wir über diese Fehleinschätzungen hinwegsehen, da wir ihnen Situationen zumuten, mit denen sie noch nicht umgehen können. Die Eltern-Kind-Beziehung ist in Gefahr, wenn Eltern nicht akzeptieren, dass ihre pubertären Lieblinge ein wenig verrückt sind. Dann stellen sie zu hohe Ansprüche an ihre Sprösslinge und interpretieren das verrückte Verhalten als persönlichen Angriff gegen sie selbst.
Aber bei allen Problemen: Teenager sind auch ganz wunderbare Wesen. Das Wort »verrückt« kann »umnachtet« bedeuten, im Lexikon finden sich aber noch weitere Definitionen: »extrem enthusiastisch, leidenschaftlich, schwärmerisch, verliebt« – und all diese Zuschreibungen passen zu Teenagern genauso wie »verrückt«. Darüber hinaus können sie auch kreativ, mitfühlend, einsichtig und großzügig sein. Sie entsprechen also auch all dem, was wir als absolut wünschenswerte Eigenschaften bezeichnen. Und das obwohl sie unter extremem Stress stehen. Genau deshalb sind diese »Verrückten« auch meine Helden.
Natürlich ist es einfach über die guten Eigenschaften von Teenagern zu sprechen, wenn sich gerade kein anstrengender Teenie in der Nähe aufhält. Viel schwieriger ist es, sich daran zu erinnern, wenn man sich gerade von Krise zu Krise schleppt, sich fragt, warum man überhaupt jemals Kinder wollte. Obwohl W.C. Fields Frauen meinte, hätte er mit folgendem Satz ebenso gut über Teenager sprechen können:
»[Sie] sind wie Elefanten. Schön anzusehen, aber ich möchte keinen besitzen.«
Wenn Sie nun aber schon einen Teenager im Haus haben, kann Sie dieses Buch vielleicht dabei unterstützen, das Zusammenleben besser zu gestalten. Ich kann Ihnen natürlich nicht versprechen, dass ihr Kind am Ende eine Eliteuniversität besuchen wird, aber ich kann Ihnen etwas – wie ich finde – viel Besseres mit auf den Weg geben: die Fähigkeiten, die es braucht, um die schlechten Zeiten zu überstehen, das Verständnis, um die guten wertzuschätzen, und das Wissen, wie man einen jungen Erwachsenen so formt, dass man ihn letztlich gerne noch viel länger bei...