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Aussehen ist Ansichtssache

Kleidung in der Kommunikation der römischen Antike

AutorAngelika Starbatty
VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783831609277
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,99 EUR
Lässt sich über Geschmack streiten? Diese Frage ist nicht nur für die heutige Zeit zu bejahen, in der die Medien regelmäßig über sogenannte »Modesünden« berichten. Bereits in der römischen Antike war Kleidung häufig Gegenstand hitziger Debatten. Insbesondere die Frage nach ihrer Angemessenheit bestimmte den literarischen Diskurs. Kleidung wurde im aristokratischen Wettstreit gezielt als Mittel der Überzeugung eingesetzt. Gemäß der Annahme, dass Aussehen Ansichtssache ist, werden in der vorliegenden Arbeit beide Perspektiven der kommunikativen Wirkung von Kleidung erörtert. Was die Ansicht des Trägers betrifft, sind die Faktoren und Motive der Kleiderwahl Untersuchungsgegenstand. Erwartungshaltung und Wertvorstellungen hingegen beeinflussen die Beurteilung durch die Rezipienten. Anhand exemplarischer Kleidungsanekdoten werden unterschiedliche Funktionsweisen von Gewändern dargelegt und deren enorme Wirkungskraft verdeutlicht. Kleidung wird dabei im Hinblick auf ihren kalkulierten Einsatz durch die antiken Autoren analysiert.

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Leseprobe
III Kleidertopoi im literarischen Diskurs der Antike (S. 148-149)

Wie im vorherigen Kapitel erläutert wurde, war Kleidung ein wichtiges, nonverbales Kommunikationsmedium. Dieses wurde beurteilt und interpretiert sowie verbunden mit einer Wirkungsabsicht eingesetzt. Dabei kamen der Kleidung in gesellschaftlichen Zusammenhängen unterschiedliche kommunikative Funktionen zu. Nachdem die Wirkungsmechanismen und die historischen Rahmenbedingungen der Kleidung im Kontext der nonverbalen Kommunikation beleuchtet worden sind, wird nun die Wirkungsmacht der Kleidung in ihrer konkreten Anwendung in der römischen Literatur der späten Republik sowie der frühen Kaiserzeit demonstriert.

Der literarische Diskurs über die Unangemessenheit bestimmter Kleidungsarten oder -stücke dient hierbei gewissermaßen als Fallbeispiel. Er illustriert besonders anschaulich, wie intensiv sich die antiken Autoren mit Kleidung als Kommunikationsmittel auseinandergesetzt haben. Der außerordentliche Stellenwert, den sie der Kleidung innerhalb der Argumentation einräumten, verdeutlicht dabei, wie überzeugt sie von der Wirkungsmacht der Kleidung gewesen sein müssen.

Die Selbstregulierung innerhalb der Bürgerschaft spielte eine wichtige Rolle für den Erhalt der öffentlichen Ordnung in Rom. Dies gilt auch im Hinblick auf Kleiderfragen. Eine Untersuchung des literarischen Diskurses, der sich mit angemessener Kleidung auseinandersetzte, gewährt interessante Einblicke in vielerlei Hinsicht. Zum einen liefert eine solche Analyse Hinweise darauf, was innerhalb der römischen Gesellschaft zu dieser Zeit als inadäquate Kleidung angesehen wurde. Ferner vermittelt sie einen Eindruck davon, wie die antiken Autoren nonverbale Kommunikation mittels Kleidung durch Sprache ausdrückten.

Darüber hinaus lassen sich aus der Art der Darstellung Erkenntnisse darüber gewinnen, was der jeweilige Autor damit bezweckte, beziehungsweise welche Interpretation er sich vom Leser aufgrund der von ihm bewusst gewählten Darstellungsweise erwartete. Die Überlegungen zur Intentionalität von Anekdoten über Kleidung ermöglichen einen Zugang zu Ereignissen, die meist nicht eindeutig rekonstruiert werden können. Reflexionen über die Darstellungsabsichten der zeitgenössischen Autoren und die daraus resultierenden Reaktionen der Leser helfen diese Ereignisse zu verstehen.

Es geht hier also darum zu zeigen, wie das nonverbale Kommunikationsmedium Kleidung in der rhetorischen Verschriftlichung wirksam wurde.583 In der Literatur entfaltet Kleidung ihre Wirkung nicht direkt, da sie nicht unmittelbar vom Kommunikationspartner wahrgenommen werden kann. Vielmehr wirkt sie indirekt, nämlich durch die Vermittlung des Autors. Genau dieser „Umweg“ über den Autor macht das Rhetorische des Diskurses aus, weil dieser die Kleidung in der Erzählung intentional mit einer Funktion versieht. In diesem Sinne gibt der Verfasser der „Rhetorica ad Herennium“ im dritten Buch Ratschläge für einen strategischen Einsatz der körperlichen Vorzüge einer Person im Rahmen der Darlegung. Über jemanden, der von Natur aus eine gute Erscheinung und ein positives Aussehen habe, könne man sich lobend äußern und betonen, dass dies nicht wie von anderen zu Schaden und Unehre missbraucht worden sei. Falls diese Vorzüge aber in den Dienst eines Tadels gestellt werden sollen, müsste man behaupten, diese seien übel genutzt worden."
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort9
Einleitung10
Der Forschungsstand11
Die Quellenlage18
Methodische Überlegungen20
I Die Bedeutung der Rhetorik in der Antike27
Die Universalität der Rhetorik27
Die Rhetorik als beziehungsweise ars29
Nonverbale Kommunikation als Teil der antiken Rhetorik31
Die Topik als Teil der rhetorischen Kommunikation36
Exkurs zum Habitus45
II Kleidung in der Antike51
Kleidung kommuniziert51
Die Kleid-Charakter-Relation56
Der Physiognomiktopos als Mittel der Kritik58
Ciceros implizites Selbstlob65
Schönheit als Zeichen für virtus67
Vermeintliche Täuschung69
Die Ambivalenz der Kleidung69
Kleiderwechsel als Zeichen der Unterwerfung72
Mitleid als politische Waffe74
Mitleid mit dem Angeklagten76
Die kollektive vestis mutatio als Mittel politischer80
Stellungnahme80
Emotionale Einflussnahme85
Exkurs zu Quintilians Anweisungen zum zielgerich-teten Einsatz von Kleidung87
Kleider machen Leute95
Die Welt der Frau97
Mehr Schein als Sein104
Caesar im Spiegel seiner Kritiker106
Das Motiv der Eitelkeit110
Befangenheit im Urteil113
Glaubwürdigkeit der Inszenierung114
Angesehene Selbstdarstellung: die Sophisten der117
Kaiserzeit117
Die ostentative Bescheidenheit der Philosophen118
Das Gefahrenpotential der Selbstinszenierung120
Das Ideal der Übereinstimmung zwischen Kleid und126
Status126
Die Kehrseite der Toga467129
Augustus’ Hinwendung zur Tradition132
Tiberius’ Politik der Zurückhaltung134
Maßnahmen nach Tiberius136
Kleiderregeln von Kaisern des zweiten und dritten Jahrhunderts137
Politische Motivation141
Kleidung als Auszeichnung oder Statusersatz142
Statususurpationen144
Statussymbole und Prestige145
Gemeinsame Kleidung verbindet150
Identität durch Abgrenzung152
Stabilität durch Integration153
Die wertvolle römische Identität156
III Kleidertopoi im literarischen Diskurs der Antike157
Die Frage nach dem aptum159
Eines imperium nicht würdig164
Kleidung als Spiegel der Macht172
Unrömische Kleidung176
Indizien der effeminatio183
Das Aussehen der „male viri“186
Sich nackt fühlen197
Die nackte Wahrheit198
Ver-kleidung201
Ritualisierte und anerkannte Verkleidungen202
Verkleidungen im Rahmen von Kriegslisten204
Verwerfliche Verkleidungen214
Des Kaisers neue Kleider224
Caligula der Verkleidungskünstler227
Sex & Crime unter Nero233
Nero der Schauspieler236
Zwischenfazit und Ausblick241
Schluss245
Literarische Quellen249
Literaturverzeichnis249
Literarische Quelleneditionen253
Forschungsliteratur253
Register der zitierten literarischen Quellen269
Namen- und Sachregister275

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